Bergsport ist Motorsport. Dieses Bonmot ist erstmals in den 1980er-Jahren in der Alpinszene aufgetaucht. Es hat bis heute nichts von seiner Gültigkeit verloren. Im Gegenteil: Angesichts tausender Autokilometer, die Alpinisten und Alpinistinnen jährlich zurücklegen, um in die heile Berg- und Naturwelt zu kommen, entpuppt sich der angeblich "sanfte Bergtourismus" schnell als euphemistische Lebenslüge der Bergcommunity.

Zwei Menschen die ihre Mountainbikes im Schnee bergauf schieben, am Rücken Tourenski.
Selbst wenn man manchmal ein paar Meter schieben muss: Das Bike ist oft "Transportmittel" und Sportgerät in einem.
Rüdiger Jahnel

Der Deutsche Alpenverein (DAV) hat schon in den 1990er-Jahren an seine Mitglieder die Empfehlung ausgegeben, sie mögen danach trachten, dass die zurückgelegten Autokilometer in vernünftiger Relation zu den absolvierten Höhenmeter auf dem Berg stehen. Auch der Österreichische Alpenverein oder die Naturfreunde haben zahlreiche Initiativen im Portfolio, mit denen versucht wird, die Richtung Berg fahrende Blechlawine etwas einzudämmen. Beispielsweise bieten zahlreiche Sektionen und Ortsgruppen ihren Mitgliedern Klimatickets zum Ausleihen an – gratis.

Inzwischen gibt es auch eigene Wanderführer für Öffi-Touren. Im Salzburger Anton-Pustet-Verlag beispielsweise ist 2023 der Tourenführer Mit Bahn und Bus zum Berggenuss für den Raum Salzburg-Berchtesgaden erschienen. Von STANDARD-Korrespondentin Stefanie Ruep erscheint demnächst ein Nachfolgeband für Oberösterreich.

An- und Abfahrt

Gefruchtet haben diese Initiativen bisher allerdings wenig. Nach wie vor sind viele Wanderparkplätze an schönen Wochenenden heillos überfüllt, nach wie vor gibt es Mautstraßenbetreiber, die Fahrgemeinschaften "bestrafen", in dem sie pro Pkw-Insasse kassieren und nicht pro Fahrzeug. Die Straße von Strobl am Wolfgangsee auf die Postalm sei hier beispielhaft genannt.

Wie sehr der Bergsport Motorsport ist, weiß auch Hans-Jörg Finsterer. Er ist Bergführer, Profibergsteiger und Geschäftsführer der oberösterreichischen Alpinschule Alps in Ottensheim. Finsterer, der allgemein nur mit seinem Spitznamen "Hati" gerufen wird, hat als Profibergsteiger Jahr für Jahr etwa 50.000 Autokilometer abgespult.

Hans-Jörg Finsterer
Bergführer Hans-Jörg Finsterer ist ein Pionier des ökologischeren Alpinismus.
Hati Finsterer / Alps

2018 reichte es dem heute 53-Jährigen schließlich, und er entwickelte ein Programm, mit dem bis 2025 Jahr für Jahr eine Tonne CO2 eingespart werden sollte; insgesamt rund 80 Prozent der durch die Firma Alps verursachten Emissionen.

Dabei gehe es allein um die An- und Abreise, sagt Finsterer im STANDARD-Gespräch. Der Faktor Mobilität verursache den Löwenanteil der CO2-Belastung, der Rest – etwa der Betrieb von Berghütten oder die Bekleidung – sei nahezu vernachlässigbar.

"Alps Change"

Es sei ein denkbar schlechter Zeitpunkt für das "Alps Change" genannte Programm gewesen, sagt Finsterer heute. Denn bald nach Entwicklung der Initiative – die Firma führt sogar eine eigene CO2-Buchhaltung – sei Corona gekommen und habe die ganze Planung über den Haufen geworfen. Aber nicht nur Corona habe zu einer etwas durchwachsenen Zwischenbilanz geführt. Bei einem Skitouren-Basiskurs beispielsweise habe man von Linz weg den potenziellen Gästen ein Angebot gemacht, mit dem sie sich bei Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ein Viertel des Kurspreises erspart hätten.

Von den insgesamt rund 180 Teilnehmern und Teilnehmerinnen der Kurse habe nur einer dieses Angebot angenommen, berichtet Finsterer. Die Grundidee, wonach das Bergabenteuer eben nicht erst auf dem Parkplatz, sondern schon bei der Anreise am Bahnhof beginne, habe sich nicht kommunizieren lassen.

Das Bergsteigen sei im Bewusstsein vieler immer noch sehr mit Individualität und Flexibilität verbunden, versucht Finsterer eine Erklärung für ein Phänomen, "das auch die alpinen Vereine immer wieder feststellen".

Ein Parklplatz am Berg, komplett voller Autos.
Mit dem Auto bis zum "Anschlag". Erst dann beginnt das Bergerlebnis?
Thomas Neuhold

Die geringe Akzeptanz der Öffis dürfte freilich auch mit der Autotradition hierzulande zusammenhängen. In der Schweiz etwa würden die Touren immer beim Bergführererbüro beginnen, "weil so gut wie alle ohnehin mit dem Zug anreisen". Wobei fallweise freilich auch das Öffi-Angebot den Anforderungen meilenweit hinterherhinkt. Für den Klettersteigkurs in Bad Ischl findet Finsterer keine geeignete Zugverbindung von Linz aus. Die Kombination Zug, Bus, Rad sei in Österreich oft schwer umsetzbar.

40 Prozent CO2-Einsparung

Wie das auch bei uns gehen könnte, hat die kleine Alpinschule 2023 exemplarisch mit einer Tour auf den Watzmann gezeigt. "Wir haben den Watzmann völlig anders gedacht", sagt Finsterer. "Treffpunkt war der Hauptbahnhof Salzburg", von dort sei man mit den Rädern zum Watzmann auf die Kührointalm gefahren und zum Watzmannhaus aufgestiegen; "vier Uhr war Frühstück, dann Aufstieg Mittelspitze, Sonnenaufgang, retour zur Hütte, Abstieg zur Alm und mit dem Rad retour zum Bahnhof".

Insgesamt habe die Watzmanntour auch so nur 24 Stunden gedauert, sagt Finsterer. Und das aber mit einem "grandiosen Sonnenaufgang auf dem Gipfel".

Andere Angebote wie die über die Alps-Homepage organisierte Mitfahrgruppe würden hingegen gut angenommen. Anfang 2018 seien 1,4 Personen in jedem Auto gesessen. Heute seien durchschnittlich 2,7 Personen, die im Auto zu einem Alps-Programm fahren, sagt Finsterer. Auch die Anreise zu den von Linz aus gesehen weiter entfernten Zielen im Alpenraum wie Silvretta oder Arlberg würden inzwischen von der Hälfte der Gäste mit dem Zug absolviert. Reiseziele außerhalb des Alpenraums habe er nicht im Programm.

Seit Beginn des Programms habe Alps nicht unerhebliche 40 Prozent CO2 eingespart, ergibt die CO2-Buchhaltung laut Finsterer. Und das bei steigender Kundenzufriedenheit, defacto unfallfrei und unveränderter Ertragslage: "Wir müssen ja auch Geld verdienen."

Für die kommenden Jahre plant er, das Angebot langsam umzustrukturieren: weg von den Eintageskursen hin zu mehrtägigen Angeboten. Das senke die Frequenz der An- und Abreisen. Auch so könne man die Emissionen reduzieren. (Thomas Neuhold, 31.3.2024)