Pischinger Jubiläum Heindl 175 Jahre
In Wien-Liesing werden die Produkte für Pischinger und Heindl hergestellt.
Foto: Heindl

Aufgereiht wie am Schnürchen trägt das Fließband die nackerten Mi­gnonschnitten ans Ende der Fabrik. 20 Meter lang ist der Weg sicher. In der ersten Station werden sie von einer großzügigen Dusche flüssiger Schokolade getränkt, eine steife Brise bläst sie glatt. Es folgt die Kältekammer, damit die Schokoladenwaffeln am Schluss des beschwerlichen Wegs verpackt werden können.

Keine Schokoladenbäche

Die Schokoladenfabrik der Firma Heindl, zu der Pischinger gehört, ist Maschinerie pur. Hier fließen keine Schokoladenbäche, hier wachsen keine Lutscher an Bäumen, hier ist vieles essbar, aber nicht alles. Schon gar nicht die Mitarbeitenden. Eh klar, die fantastische Vorstellung einer Süßigkeiten­fabrik wie in "Charlie und die Schokoladenfabrik" ist ein utopischer Fiebertraum. Die Realität draußen im 23. Bezirk von Wien ist eine entzaubernde.

Es klackert und klimpert in allen Ecken. Es pusten und stöhnen die schweren Maschinen. Es riecht nicht einmal wirklich nach Schokolade. Vielmehr verbinden sich hier Gerüche von gebackenem Teig, feinem Kakao und der metallenen Ausdünstungen der Maschinerie. Ein Mann schöpft mit einem großen Spaten Marzipanmasse in einen Trichter. Hier plumpst die Mandelmasse in die Mozartkugeln. An anderer Stelle bepinseln Arbeiter ein Rondeau an Waffeleisen, das sich wie ein Karussell im Kreis dreht und große runde Oblaten ausspuckt. Und überall packen Mitarbeiterinnen hastig die fertig versiegelten Schokoladenprodukte ein.

In Wien-Liesing werden die Produkte für Pischinger und Heindl hergestellt.
Haselnussecken werden zweimal mit Schokolade überzogen.
Foto: Heindl

Naschereien

Beim RONDO-Besuch kurz vor Ostern herrscht in der Schokoladenfabrik Hochbetrieb. Zwischen den Stationen wuselt Chef Andreas Heindl herum. In der Früh führt ihn sein erster Weg in die Produktion. Er checkt ab, ob eh alles läuft.

Bei seinem Rundgang muss der Chocolatier einfach naschen, wie er sagt. Qualitätskontrolle nennt er das mit einem Schmunzeln im Gesicht. Heute hat er bereits ein neues Schokomaronirezept, Eierliköreier und Gelee probiert. "Ich brauche kein Frühstück", sagt der Schokoladenchef. Um elf, wenn er den ersten Hunger bekommt, geht er wieder auf Verköstigungstour. "Es ist unglaublich, was man den ganzen Tag über so wegnaschen kann."

Höhen und Tiefen

Heindl ist zwar weniger exzentrisch als Willy Wonka, aber seine Liebe zur Schokolade hat er mit dem berühmten Chocolatier durchaus gemein. "Ich bin ein Schokoholiker. Für mich ist Schokolade ein Grundnahrungsmittel." 1987 hat er gemeinsam mit seinem Bruder Walter die Firma von den ­Eltern übernommen. Seit der Pensionierung seines Bruders führt Andreas Heindl das Unternehmen ­allein. Seit vier Jahren ist der gelernte Zuckerbäcker auch für die Produktion zuständig. Es sei ein Riesenspaß, wie er sagt.

Neben den Konfiserien der Marke Heindl wird in Liesing auch für die Marke Pischinger produziert. Seit 2006 ist das Wiener Traditionsunternehmen nämlich Teil der Firma. "Die Firma Pischinger hat viele Höhen und Tiefen durchgemacht", erzählt der heutige Chef.

Neben der Oblatentorte erzeugt man Schokomaroni, Mignonschnitten und Nussecken.
Neben der Oblatentorte erzeugt man Schokomaroni, Mignonschnitten und Nussecken.
Foto: Heindl

1849 von Leopold Pischinger gegründet, stellte man zu dieser Zeit Schokoladenwürfel und -tafeln, "Zuckergalanteriewaren", Kakaoprodukte und Christbaumbehang im sechsten Bezirk in Wien in der Stiegengasse 8 her. Damals waren bereits 30 Personen für die Süßwarenproduktion tätig. ­Einige Jahrzehnte später stieg Sohn Oskar in die Firma ein. Er erfand, wofür Pischinger bis heute am bekanntesten ist: die Oblatentorte. Hauchdünne runde Waffeln, Schicht um Schicht mit Kakaocreme gefüllt. Die Kreation war der damaligen Kaiserin Elisabeth gewidmet und führte zu einem regelrechten Boom der Pischinger-Waren. Ende des 19. Jahrhunderts verkaufte man knapp eine halbe Million Stück der Torte, 1889 wurde Pischinger sogar zum k. u. k. Hoflieferanten ernannt.

In den richtigen Händen

Heute ist die Oblatentorte aus den Wiener Heurigen nicht mehr wegzudenken. Das wäre so, als würde man keinen Spritzwein mehr anbieten. Undenkbar! "Wir sind alle mit Pischinger im Heurigen aufgewachsen", erzählt Heindl. Es gehörte für ihn zur Tradition, dort eine Oblatentorte zu bestellen und mit der gesamten Familie zu teilen. Dementsprechend wichtig war es für Heindl, die Pischinger-Produkte mit Sorgfalt aufleben zu lassen. Das bedeutete für ihn auch, die Originalrezepturen ausfindig zu machen und umzusetzen. Vor der Übernahme ging die traditionsreiche Firma nämlich durch zahlreiche Hände – wirtschaftliche Probleme und familiäre Streitigkeiten führten zu den Turbulenzen. Ebenso wurden allerlei Rezepte über die Jahre hinweg verändert. Das habe den Kunden nicht geschmeckt, sagt Heindl.

Neben der Oblatentorte gehören Schokomaroni, Krokanteckerln und Nussecken zum Repertoire.
Neben der Oblatentorte gehören Schokomaroni, Krokanteckerln und Nussecken zum Repertoire.
Der Standard/Tobias Burger

Seit bald zwanzig Jahren gehört die Firma nun zu Heindl. Pischinger sei nun in den richtigen Händen, wie der Chocolatier sagt. Mehrere Millionen Euro hat man seit der Übernahme investiert. Unter anderem wurde eine 160 Meter lange Waffelbackstraße in der Halle installiert. Außerdem produziert man wieder nach Originalrezept. Das steigerte auch die Umsätze und die Nachfrage.

Neben der Oblatentorte gehören Schokomaroni, Krokanteckerln und Nussecken zum Repertoire. Bei Letzteren kommt Heindl fast ins Schwärmen: "Die Ecken werden zweimal mit Schokolade übergossen." Die erste Schicht umhüllt das waffelige Innere und lässt die Nüsse obendrauf festkleben. Die zweite Schicht Schokolade formvollendet die Süßigkeit.

Vom Shoppingkanal inspiriert

Zum 175. Jubiläum eröffnete Pischinger am Graben 26 in der Wiener Innenstadt einen Pop-up-Store. Im ehemaligen Geschäftslokal der Schreibwarenhandlung Weidler bietet man das gesamte Schokoladensortiment an, im Mai folgt eine große Eröffnungs­feier. Auf ein Jahr ist das Projekt angelegt, Verlängerung nicht ausgeschlossen. Aber der Geburtstag ist nicht der Grund für das Projekt. Seit einem Jahr wird nämlich mit dem Shoppingkanal QVC zusammengearbeitet. Heindl will Pischinger in Deutschland groß herausbringen. Dafür präsentiert seine Nichte Barbara Heindl regelmäßig verschiedenste Schoko- und Waffelprodukte im Fernsehen. "Das ist mega­erfolgreich", sagt der Chocolatier.

1953 wurde die Confiserie Heindl in Wien gegründet. 1987 hat Andreas Heindl gemeinsam mit seinem Bruder das Familienunternehmen übernommen.
1953 wurde die Confiserie Heindl in Wien gegründet. 1987 hat Andreas Heindl gemeinsam mit seinem Bruder das Familienunternehmen übernommen.
Foto: Felicitas Matern

Deswegen wollte man einen eigenen Shop in Wien aufbauen, um die Produkte besser präsentieren zu können. "Du kannst ja nicht sagen, du bist der älteste Süßwarenerzeuger Österreichs, und dann hast net amal einen Shop dazu." Für die Expansion nach Deutschland werden eigens Produkte hergestellt, zum Beispiel Likörpralinen. Diese sind laut Heindl "nicht Pischinger-like", aber kommen gut an. Erfahrungen im Homeshopping sammelte man bereits zuvor mit der Hausmarke Heindl. Auf einem Konkurrenzkanal wurden Schokomaroni, Pralinen und Co verkauft. Kann Schokolade neben Kosmetik und Gewand auf einem Shoppingkanal überhaupt reüssieren? "Der Umsatz ist besser als im Geschäft", sagt Heindl.

Expansionspläne

Für Heindl wird dieses Jahr ein schwieriges. Die Löhne für die knapp 270 Arbeitskräfte erhöhen sich. Außerdem hat sich der Kakaopreis vom Vorjahr mehr als verdoppelt, "das wird ein Riesenpro­blem". Spätestens ab dem späten Sommer müsse man die Preissteigerungen wohl oder übel an den Verbraucher weitergeben.

Neben dem Pischinger-Pop-up steht eine Erweiterung des Pischinger-Portfolios auf dem Plan. Das große Ziel von Heindl sei die Expansion nach Salzburg. Aber man sei immer an Linz gescheitert, da habe das Konzept nicht funktioniert. Auch die Produktpalette will man erweitern: In diesem Jahr soll noch eine Schokoladentafel, natürlich mit Waffeln von Pischinger gefüllt, lanciert werden. Auch die Haselnusstorte soll ihren Weg zurück in die Regale finden.

Die Ideen gehen ihm nicht aus, sagt Heindl. Damit ist er dem Chocolatier Wonka, was den Einfallsreichtum angeht, doch nicht ganz unähnlich. (RONDO, Kevin Recher, 4.4.2024)