Gazastreifen Zelte
Die Verzweiflung der Menschen wächst, auch in Rafah im Süden des Gazastreifens.
Foto: APA / AFP / Said Khatib

Nach einem Telefongespräch mit US-Präsident Joe Biden hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sein Kriegskabinett erklären lassen, dass die Hilfe für die palästinensische Zivilbevölkerung in Gaza "aufgestockt" würde. Das heißt, der Hafen von Ashdod im Süden Israels und der Grenzübergang Eretz im Norden des Gazastreifens würden geöffnet. Biden hatte "messbare und sofortige Schritte" verlangt. Die humanitäre Lage in Gaza sei "inakzeptabel".

Das ist sie schon länger. Die israelische Kriegsführung hat mehr als die Hälfte der Gebäude in Gaza zerstört oder beschädigt, mindestens eine Million Menschen ist in gedrängte, unhygienische Zeltstädte geflohen, wo sie weiter von angekündigten Bodenoffensiven bedroht wird. Im Internet und in den Medien verbreiten sich Fotos von Babys, die aussehen wie die Opfer von Hungersnöten. Die medizinische Versorgung ist großteils zusammengebrochen.

Angriff auf Hilfskonvoi

Den Ausschlag für das nunmehrige Einlenken der Israelis dürfte die Empörung über die Tötung von ausländischen Helfern der NGO World Central Kitchen gegeben haben. Die Route des Konvois war abgesprochen, trotzdem wurden die Fahrzeuge von der Armee unter Feuer genommen. "Ein schwerer Fehler", sagt die Armeeführung – der Chef von World Central Kitchen, ein spanischer Promi-Koch, den die Präsidentengattin Jill Biden einen "Freund" nennt, spricht von Absicht.

Es bedurfte also eines Zwischenfalls mit prominenten ausländischen Betroffenen, um die Aufmerksamkeit auf die "inakzeptable" Situation in Gaza zu lenken. Das ist die seltsame Medienmechanik der "internationalen Öffentlichkeit".

Furchtbarer Irrweg

Was nichts daran ändert, dass die Kriegsführung der israelischen Regierung in Gaza inzwischen tatsächlich inakzeptabel ist. Israel begeht dort keinen "Völkermord", wie seine schwachsinnigen und/oder bösartigen internationalen Kritiker behaupten. Es betreibt allerdings eine Kriegsführung, die viel zu wenig auf die Zivilbevölkerung Rücksicht nimmt. Das hat mit der Natur des Kampfs gegen einen heimtückischen, fanatischen und sich hinter der Zivilbevölkerung versteckenden Feind wie die Hamas zu tun. Es hat aber auch zu tun mit dem speziellen Mindset von Netanjahu und seinen rechtsextremen Koalitionspartnern. Die sehen die Palästinenser als störende Elemente, die am besten irgendwie verschwinden sollten (was die national-religiösen tatsächlich anstreben).

Die bestialische Grausamkeit des Hamas-Angriffs vom 7. Oktober spielt natürlich eine wesentliche Rolle. Ebenso die Vermutung, dass vor allem die weiblichen Geiseln weiter Furchtbares erdulden müssen. Man darf diesen Aspekt des "Freiheitskampfs" der Hamas, die in Wirklichkeit eine Religionsdiktatur über den gesamten Nahen Osten errichten will, nie vergessen.

"Es ist Zeit für Neuwahlen und eine andere Regierung, die diesen Krieg beendet."

Dennoch stellt sich die Frage, ob das Vorgehen der Regierung Netanjahu nicht sowohl unter humanitären wie unter (militär)politischen Aspekten als ein furchtbarer Irrweg zu betrachten ist. Was soll am Ende dabei herauskommen? Es ist ja kein Plan für das "nachher" erkennbar. Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten. Es ist Zeit für Neuwahlen und eine andere Regierung, die diesen Krieg beendet. (Hans Rauscher, 5.4.2024)