Stellen Sie sich vor, 100 Personen sind in einem Raum. Insgesamt haben sie 100 Euro. Aber das Geld wird nicht gleichmäßig aufgeteilt. Die ersten 50 Personen teilen sich 3,50 Euro. Die letzten fünf Personen hingegen bekommen 53,50 Euro. Klingt komisch? Ist aber Realität: So ist das Vermögen in Österreich verteilt, zumindest einer Schätzung der EZB zufolge. Spätestens seit Andreas Babler SPÖ-Chef ist, wird daher die Einführung von Vermögens- und Erbschaftssteuern diskutiert. Das Ziel ist, die Ungleichverteilung des Vermögens abzumildern.

Derzeit gibt es in Österreich kaum vermögensbezogene Steuern. Nun hat das industrienahe Forschungsinstitut Eco Austria eine Studie veröffentlicht, die die Folgen für die Gesamtwirtschaft abschätzen soll. Folgendes Szenario: Ab 2024 wird eine Nettovermögenssteuer eingeführt, also jährlich auf den Vermögensbestand erhoben. Relevant ist dabei ein Vermögen ab einer Million Euro. Gerechnet wird mit fünf Milliarden Euro jährlich in die Staatskasse.

Bunte Euro-Scheine liegen nebeneinander.
Der Sozialstaat hat starke Auswirkungen auf die Vermögensverteilung. Das Pensionssystem in Österreich macht privates Sparen im großen Stil weniger wichtig, was klare Auswirkungen auf die Vermögensungleichheit hat.
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Das drücke auf die gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten: Die Besteuerung bringe eine deutlich höhere Steuerbelastung bei Investitionen. Und das löse einen Kaskadeneffekt aus, was das Bruttoinlandsprodukt bis 2030 um fünf Milliarden Euro reduzieren soll. Das entspricht etwa einem Prozent der Wirtschaftsleistung. Verglichen wird das Ganze mit einem Szenario ohne Vermögenssteuer.

Die Investitionen selbst gehen um fünf Prozent zurück. Das drücke auf die Produktivität, was die internationale Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtige: Die Nachfrage nach österreichischen Produkten würde sinken. Unternehmen schrieben weniger Stellen aus, die Anzahl der Kündigungen steige. Bis 2030 würden sie rund 20.000 Stellen streichen, langfristig sogar doppelt so viele. Außerdem müssten die Arbeitenden bis 2030 einen Reallohnverlust von etwa 500 Euro hinnehmen, ausgehend vom Nettojahreseinkommen einer Vollzeit und ganzjährig beschäftigten Person.

Modellannahmen sind maßgeblich

Matthias Schnetzer, Ökonom bei der Arbeiterkammer (AK), sieht die Ergebnisse kritisch. Die Annahmen, die bei der Berechnung getroffen werden, würden die Ergebnisse stark beeinflussen. Denn: Die zusätzlichen Steuereinnahmen werden nicht in das Pflegesystem gesteckt oder dafür die Lohnsteuer reduziert. Stattdessen nutzt man sie komplett für eine Reduktion der Staatsschulden. Das führt dazu, dass das Geld nicht in den Wirtschaftskreislauf gelangt und die Nachfrage der Privaten nicht ankurbelt.

Eco Austria sieht die zusätzliche Steuerbelastung als Investitionskiller. Schnetzer sieht das als nur bedingt haltbares Argument, Österreich habe eine überdurchschnittliche Investitionsquote im EU-Vergleich, und das trotz hoher Abgabenquote. Unternehmen ziehen bei einer Investitionsentscheidung anscheinend nicht nur das Steuersystem in Betracht, sondern achten auch auf andere Dinge. (Sarah Kirchgatterer, 9.4.2024)