Das Match um "Fit mit Philipp" war längst schon abgepfiffen. Es ging seit bald zwei Wochen nur noch um einen gesichtwahrenden Abgang für jenen Mann, der seinen Platz im ORF nicht allein mit sportlichen Tipps für Heinz-Christian Strache (FPÖ) errungen hat. Philipp Jelinek, beliebter Vorturner der Nation seit der türkis-blauen Koalition, verlässt den Küniglberg. Chats mit Strache aus dessen kurzen Regierungsjahren haben Jelinek seinen ORF-Vertrag und die erst danach eigene Sendung gekostet. Donnerstagabend gab der ORF die einvernehmliche Trennung von Jelinek bekannt.

Philipp Jelinek 2022 noch als ORF-Vorturner bei der Sportlerehrung der Lotterien-Sporthilfe-Gala in der Stadthalle in Wien.
Pfiat mit Philipp: Philipp Jelinek 2022 noch als ORF-Vorturner bei der Sportlerehrung der Lotterien-Sporthilfe-Gala in der Stadthalle in Wien.
APA Eva Manhart

"Wichtig, dich darüber zu informieren"

Jelinek drängte Strache und anderen Freiheitlichen in Chats aus den Jahren 2018 und 2019 "wichtige Infos" aus dem ORF geradezu auf und lieferte sie laut seinen Nachrichten auch in persönlichen Gesprächen. Jelinek war im ORF als "Personal Trainer von Strache" bekannt (was Strache und Jelinek verneinen). Er hatte zunächst eine Rubrik "Fit mit Philipp" in "Guten Morgen Österreich", die wiederum zur ORF-Generaldirektion ressortierte.

Jelinek schrieb Strache etwa im März 2018, meist mit Smileys versehen (Schreibweise nach Original):

"Lieber Heinz, ich weiß, du bist voll im Einsatz… aber es tut sich einiges im Haus… wo ich denke, das solltest du wissen… vl hast auch die Info schon… jedenfalls finde ich es wichtig dich darüber zu informieren. Frage wie können wir kommunizieren… soll ich vorbeikommen, sms, Whatsapp. Wenn's irgendwie geht… würd ich mich gern mit dir kurz treffen. LG Philipp"

"Wahnsinn, den Schwarzen noch ORF 2 zu überlassen"

"Lieber Heinz, da ich ja seit einiger Zeit in der GD (Generaldirektion) sitze und ab und zu bei Meetings der Day Time dabei bin … bekomme ich einiges mit… was so gesprochen wird. Ihr lasst Euch wie damals über den Tisch ziehen… ihr schaut nur darauf eure Leute in obere Positionen zu bringen… und überseht dabei ganz…. das währenddessen Schwarz bereits in den unteren Reihen ordentlich umräumt und ihre Indianer in Stellung bringt… die sie dann zu Häuptlingen machen.
Das es ein Wahnsinn is den schwarzen nach ORF 1 mit Totzauer auch noch ORF2… so wie es aussieht mit Alex Hofer zu überlassen… wie du weißt mit einem sehr guten Draht nach NÖ. Der, sollte es dazu kommen… mit Sicherheit das Regionale, z.B. 'Guten Morgen' draußen bei den Leuten abdrehen wird!"

Er habe ein gutes Netzwerk aufgebaut, schreibt Jelinek Strache damals, er nennt den damaligen "Guten Morgen"-Chef Roland Brunhofer, dem er auch einen Info-Termin beim Vizekanzler vermitteln will, und den Büroleiter des damaligen ORF-Generals Alexander Wrabetz, Michael Wimmer. Der sollte sich wohl im Auftrag von Wrabetz um den FPÖ-Kontaktmann kümmern.

"Brunhofer sagt selber… wenn nicht er… dann solltet ihr zumindest einen von euch als ORF 2 Manager einsetzen… aber keinen von Schwarz… das wäre Irrsinn!"

Brunhofer hatte sich als Unterhaltungschef beworben, Wrabetz vergab den ausgeschriebenen Job schließlich doch nicht und überantwortete die Funktion interimistisch dem damaligen ORF-2-Chef Alexander Hofer. Jelinek damals an Strache:

"...die NÖ ÖVP Machtkonzentration im ORF geht weiter… Wrabetz wird Hofer zum Unterhaltungschef machen!!! Das ist irre was da abgeht!!"

"Weichen für mich stellen"

In einer Vielzahl seiner nun bekanntgewordenen Nachrichten an den damaligen Vizekanzler, Sportminister und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache geht es Jelinek um den eigenen Job im ORF. Etwa: "Lieber Heinz, der Kuchen im ORF wird jetzt verteilt... wir müssen ganz dringend die Weichen für mich stellen!" Er dankt für die Unterstützung von Strache und anderen Freiheitlichen, dass er einen unbefristeten ORF-Vertrag bekommt, "finanziell nachgebessert". Er berichtet, wie er als Moderator für "Guten Morgen Österreich" getestet wurde und wie gut das etwa Brunhofer gefunden habe. Ende Mai 2018 schreibt Strache dann in einem medienpolitischen Chatverteiler von Führungskräften und ORF-Mandataren:

"Philipp Jelinek soll Guten Morgen Östereich moderieren!!!! Bitte das mit GD und VP sicherstellen! Lg Hc"

Aus diesem Moderationjob wird schließlich nichts, aber Jelinek bekommt im ersten Lockdown 2020, da regiert die ÖVP schon mit den Grünen, seine eigene Sendung "Fit mit Philipp".

Jelinek schrieb Strache Ende 2018, als ORF-General Alexander Wrabetz Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz und die "Krone" mit einer eigenen "Lebensretter"-Gala im ORF-Hauptabendprogramm umgarnte:

"Wie Du vl schon gehört hast… Bundeskanzleramt und Krone suchen die Helden Österreichs in einer ORF-Sendung… das ist Wahlwerbung vom feinsten! Wir sollten über ein Sendungskonzept… wo wir Dich als Sportminister präsentieren reden… da gibts ein paar Ideen!!"

Ende Jänner 2019 schreibt Jelinek noch von einem Info-Termin mit Straches Kabinettsmitarbeiter: "Servus Heinz bin heute bei Philipp Trattner… nur zur Sicherheit… da kann ich eh offen reden!! LG Philipp"

Nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos im Mai 2019 hält Jelinek seinem blauen ORF-Mentor die Treue über die erste Reaktion hinaus: "Lieber Heinz, für mich bleibst Du der den ich kenne… ein leiwander Bursch."

Lang im Abgang

Als Jelinek am vergangenen Wochenende sein Entschuldigungsvideo auf Instagram postete, in dem er einen "Fehler" einräumt, wusste er bereits, dass der ORF sich von ihm trennen will. Die Chats lieferten dafür arbeitsrechtliche Gründe, hatte er schon aus der Generaldirektion erfahren, wo auch der Personalchef angesiedelt ist. Nach STANDARD-Informationen bot der ORF Jelinek die Möglichkeit, das Haus gesichtswahrend "auf eigenen Wunsch" zu verlassen. Das zog sich offenbar über die vergangenen fast zwei Wochen, in denen nur noch Wiederholungen von "Fit mit Philipp" liefen.

Jelinek versuchte mit dem Insta-Video offenbar noch zu planieren, freilich mit einer eigenwilligen Argumentation: 20 Jahre lang habe er sich immer wieder beim ORF für Castings beworben und mit hunderten Leuten gesprochen und um Hilfe gebeten, so auch Strache. "Hätte ich damals schon den Werner Kogler, den Sebastian Kurz oder die Pamela Rendi-Wagner gekannt, hätte ich die natürlich auch gefragt."

Am Donnerstag wurde via Aussendung bekanntgegeben, dass der ORF und Jelinek die Zusammenarbeit im Einvernehmen beenden, der Vertrag werde mit Ende April 2024 aufgelöst.

Am Montag startet mit "Fit mit den Stars" ein neues ORF-Fitnessformat, immer werktags um 9.10 Uhr in ORF 2. Im Wochenrhythmus wird es jeweils von einem anderen Promi als Vorturner moderiert. Den Auftakt macht "Dancing Star" und Profitänzerin Conny Kreuter. Die ehemaligen Spitzensportler Armin Assinger, Andreas Goldberger und Hans Knauß sollen ebenfalls "Fit mit den Stars"-Vorturner werden.

In den Jahrzehnten vor seiner Landung im ORF mit blauem Rückenwind anno 2018 hatte Jelinek unter anderem Babybadewannen produziert und in einer Bar gearbeitet. 2023 waren im Schnitt 138.000 Zuseherinnen und Zuseher bei "Fit mit Philipp" dabei, der Marktanteil für Jelineks Sendung lag damit bei durchschnittlich 32 Prozent.

ORF-Satiriker Peter Klien nahm den Ball in "Gute Nacht Österreich" auf und bewarb sich mit einem Fitnessvideo beim nunmehrigen Sportminister Werner Kogler (Grüne). (fid mit Philipp, 11.4.2024)