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Sich einfach nix scheißen und lecker sagen.
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Kaum etwas triggert die Österreicherinnen und Österreich so sehr wie das Wort lecker. Sagt man zum Beispiel, dass der Salat, das Schnitzel, der Topfenknödel lecker sei, steigen den Landsleuten die Grausbirn auf. Als hätte man ihnen eine derbe Beleidigung mitten ins Gesicht gesagt. Lecker ist das Feindbild des Österreichers. Einmal erwähnt, und dieses Land erschüttert in seinen Grundfesten.

Die Aufregung um lecker und ähnliche deutsche Begriffe hat lächerliche Ausmaße angenommen. Die Leute schimpfen darüber oder schreiben wenig freundliche Nachrichten. Lecker, das sagt man in Österreich einfach nicht. Lecker stößt hierzulande auf mehr Ablehnung als das N-Wort.

Verlust macht Angst

Lecker, Blumenkohl, Rote Bete, diese deutschen Begriffe aus der Kulinarik gehören der Meinung vieler nach genau dorthin, wo sie hergekommen sind: nach Deutschland. Ich verstehe den Hintergrund der Ablehnung: Es gibt so viele schöne österreichische Wörter, die man benutzen kann. Warum muss es das Bundesdeutsche sein? Wenn wir so weitermachen, vor allem "die Kinder mit ihrem Youtube", wie die Älteren sagen, dann geht uns der gesamte österreichische Duktus, unsere Sprache, unsere Identität flöten. Ich stimme da vollkommen zu. Ich bin für österreichische Wörter beim Reden und Schreiben, ich liebe die Verwendung von Begriffen aus dem Dialekt. Es klingt schön, wenn etwas grindig ist. Es menschelt, wenn jemand tramhappert ist. Es taugt mir, so etwas zu lesen. Gern mehr davon!

Ich bin aber gegen diese absolutistische und dogmatische Abwehrhaltung gegenüber deutschen Begriffen. Es ist ein toxisches Verhalten, das unsere Landsleute hier an den Tag legen. Schreibt man lecker, wird man regelrecht gelyncht.

Lecker, lecker Blumenkohl

Das Problem an dem Ganzen ist: Es gibt keine schöne österreichische Alternative zu lecker. "G'schmackig" ist einfach nur schiach. Es klingt nach der Karikatur eines Österreichers. Der Begriff "gut" sagt nichts aus, und "köstlich" wirkt wie ein Überbleibsel der k. u. k. Monarchie. Oder können Sie köstlich ohne persiflierenden Ton sagen? Eben. "Lecker" dagegen klingt verspielt, es ist einfach, kurz und sagt aus: Das schmeckt. Ich finde, wir sollten viel öfter lecker sagen dürfen.

Aber bei lecker allein bleibt es in der Diskussion ja nicht: Blumenkohl statt Karfiol, Rote Rübe statt Rote Bete, Aubergine statt Melanzani, es sind alles Begriffe, die ganz und gar unösterreichisch sind. Sie schwappen über Fernsehsendungen und Kochbücher zu uns herüber und nisten sich im Sprachgebrauch ein. Plörre zum Beispiel. Es ist ein grausiges, dünnflüssiges Etwas, das im Österreichischen sein sprachliches Pendant verzweifelt sucht. Warum also nicht dieses Wort verwenden, das die Sache so passend beschreibt? Nur weil es deutschdeutsch ist, sagen viele: Nein, das geht net, heast!

Paradeiser oder Tomate?

Dabei gibt es "das Österreichische" an sich schon gar nicht. In ganz Österreich finden sich zig regionale Unterschiede, wie ein Lebensmittel genannt wird. Augenscheinlichste Beispiele sind die Tomate versus der Paradeiser und die Kartoffeln versus die Erdäpfel. In Österreich wird beides verwendet. Die Aussage "In Österreich sagt man Paradeiser" ist einfach nur falsch – das zeigen auch Umfragen und Untersuchungen. Hier gibt es ein regionales Gefälle zwischen Westen (Tomate) und Osten (Paradeiser). Die einen sagen der, die anderen sagen die Paprika, der oder das Schlagobers. Faschierte Laibchen heißt es da, Fleischlaberl nennt man es dort. Wenn ich mit meinem steirischen "Woaz" daherkomme, versteht mich auch keiner. Das heißt Mais oder Kukuruz!

Die österreichische Sprache ist derart divers, da sollte ein lecker kein Problem darstellen. Sprache ist und bleibt ein sich wandelnder Organismus, der sich stetig ändert, Neues aufnimmt, Altes verliert. Wir sollten die österreichische Sprache schützen. Indem wir sie verwenden und weitergeben. Aber wir sollten, vor allem was bundesdeutsche Begriffe betrifft, weniger toxisch agieren. Mehr österreichische Wurschtigkeit wäre hier zu wünschen. Lecker tut echt niemandem weh. (Kevin Recher, 29.4.2024)