Israel steht derzeit in Den Haag im Zentrum der Aufmerksamkeit – und das ist kein gutes Zeichen. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH bzw. ICC) könnte Haftbefehle gegen Israels Spitzenpolitiker verhängen, der Internationale Gerichtshof (IGH bzw. ICJ) prüft den Vorwurf des Völkermords in Gaza – und jetzt haben es seine Richter auch noch für nötig befunden, der israelischen Armee den sofortigen Rückzug aus Rafah aufzutragen.

Das IGH-Richtergremium in Den Haag betritt den Saal, um seine Entscheidung formell zu verlesen.
REUTERS/Johanna Geron

In Israel wird das alles als himmelschreiendes Unrecht empfunden. Angesichts des Horrors vom 7. Oktober 2023 ist diese Reaktion verständlich. Die internationale Justiz hat aber nicht die Aufgabe, in diesem Krieg Rollen zu verteilen und zu sagen, wer Opfer und wer Täter ist. Gemessen am humanitären Völkerrecht können auch Opfer, und ein solches war Israel im vergangenen Herbst, zu Tätern werden, wenn sie in ihrer legitimen Selbstverteidigung die Schranken des Erlaubten überschreiten. Um nicht mehr und nicht weniger geht es hier.

An Ansehen verloren

Der Fokus, den Den Haag nun auf Israel legt, führt aber noch eine andere Entwicklung vor Augen, vor der besonnene Stimmen in Israel schon seit längerem warnen: Israels Justiz hat in der Welt an Ansehen verloren. Man traut ihr offenbar nicht mehr zu, Verstöße selbst zu ahnden. Das hat sich Israels Regierung durchaus selbst zuzuschreiben. Ihre wiederholten Attacken auf die Justiz und die immer noch anhaltenden Versuche, sie zu fesseln und zu behindern, bleiben im Ausland nicht unbemerkt. Israel braucht eine neue Regierung, die der Demokratie wieder zu Kräften verhilft. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 24.5.2024)