Geert Wilders, zu sehen hinter den Koalitionspartnern Pieter Omtzigt (NSC) und Dilan Yesilgoz (VVD)
Geert Wilders (rechts) hat eine Viererkoalition geschmiedet, der Dilan Yeşilgöz (Mitte) von der rechtsliberalen VDD, Pieter Omtzigt (links) von der Mitte-rechts-Partei NSC und Caroline van der Plas von der Bürger-Bauern-Bewegung (BBB) angehören. Auf das Amt des Premiers verzichtete er.
Foto: Imago / Koen van Weel

Vor den Europa- und Nationalratswahlen zeichnet sich eine folgenschwere neue Phase in der österreichischen Politik ab. Die FPÖ konsolidiert ihre Führung laut allen Meinungsumfragen. Sie sei eine "Teflonpartei, an ihr perlt alles ab", wie der frühere EU-Kommissar Franz Fischler kürzlich in der Tiroler Tageszeitung feststellte. "Die FPÖ-Spitze kann tun und lassen, was sie will, sie können bei der Wahl immer mit einem Wählerreservoir von 25 bis 30 Prozent rechnen."

Der mit Abstand erfolgsreichste Vertreter Österreichs in Brüssel nannte auch einen der Hauptgründe für die Gleichgültigkeit und Enttäuschung der Wähler vor der EU-Wahl: Den österreichischen Parteien gehe es zumeist darum, "was wollen wir von Europa, was können wir von Brüssel holen? Es geht nicht darum: Was wollen wir mit Europa?" Zu Recht warnte Fischler, der lebenslange ÖVP-Politiker: Die Zeit des Herumlavierens für die Parteien der Mitte sei vorbei.

Erschreckendes Beispiel

Die letzte Parlamentswahl in den Niederlanden mit dem Sieg des berüchtigten Rechtsextremisten Geert Wilders in einer zersplitterten Parteienlandschaft könnte sich als ein abschreckendes Beispiel auch für Österreich erweisen. Wilders' Partei hat zwar "nur" 37 von 150 Mandaten gewonnen, der Rest wird aber von 14 anderen Parteien gestellt. Es dauerte über sechs Monate, bis die rechtsliberalen und konservativen Parteien bereit waren, mit ihm eine Koalition zu bilden, allerdings nur ohne ihn als Ministerpräsidenten. Es muss dahingestellt bleiben, was seine "Führung von hinten" in der europäischen Politik bedeuten wird.

Auch in Österreich lehnen alle Parteien im Nationalrat den FPÖ-Vorsitzenden Herbert Kickl als Koalitionspartner ab. Mit ihm an der Parteispitze schließt die ÖVP, die in drei Bundesländern mit der FPÖ friedlich koaliert, auf Bundesebene keine Koalition mit den Freiheitlichen ab. Der Bundeskanzler und ÖVP-Obmann, der übrigens bereits jetzt in seinen Aussagen zur Europa- und Flüchtlingspolitik wie der künftige Untermieter beim FPÖ-"Volkskanzler" klingt, dürfte aber im Falle des vorausgesagten Absturzes der ÖVP kaum in der Position eines Weichensteller für die Zukunft bleiben.

Kein Durchbruch

Was die Chancen der sogenannten Kickl-FPÖ noch mehr verbessern könnte, ist die sich abzeichnende Zersplitterung der Parteienlandschaft. Dank der sinnlosen innerparteilichen Obstruktionspolitik des burgenländischen Landeshauptmanns und der Intrigen mancher anderer Funktionäre konnte Andreas Babler als SPÖ-Vorsitzender seine Chancen bisher nicht ausnützen. Die Grünen sind infolge des Schilling-Debakels in Gefahr, zu einer Zwergpartei zu schrumpfen. Die Neos, obwohl geführt von der fähigsten österreichischen Politikerin, schaffen nicht den erhofften Durchbruch.

Große Chancen scheinen aber die "Nonsens"-Parteien wie zum Beispiel die Bierpartei zu haben. Gegründet von einem sympathischen jungen Kabarettisten und Amateurpolitiker, wirkt diese lachhafte Gruppierung ohne Programm wie ein sicherer Gewinner bei der Nationalratswahl. Auch die KPÖ könnte trotz übler Vergangenheit noch für eine Überraschung sorgen. Droht also im Herbst das Gespenst einer "Hollandisierung"? (Paul Lendvai, 27.5.2024)