"Das Imkern ist für mich mittlerweile mehr als ein Hobby, es ist mein Zweitjob. Es steht gleichberechtigt neben meinem Hauptberuf als IT-Projektleiter bei einer Bank. Mit einem großen Unterschied: Ich muss damit nichts verdienen. Was den Druck aus der Sache nimmt. Zudem sehe ich die Imkerei als Ausgleich zum Büroalltag. Dabei war ich anfangs, das war 2015, gar nicht begeistert von der Idee meiner Frau, uns Bienen zuzulegen. Aber wie so oft hatte Judith recht. 2018 habe ich dann meine Arbeitszeit in der IT reduziert und ernsthaft mit dem Imkern begonnen.

Was 2015 als Hobby begonnen hat, ist für Thomas Schmid seit 2018 ein Zweitjob. Er hat dafür seine Arbeitszeit als IT-Projektleiter bei einer Bank reduziert.
Was 2015 als Hobby begonnen hat, ist für Thomas Schmid seit 2018 ein Zweitjob. Er hat dafür seine Arbeitszeit als IT-Projektleiter bei einer Bank reduziert.
privat

Schon im Grundkurs der Imkerschule bin ich voll in das Thema hineinkippt. Obwohl in Österreich jeder ohne Ausbildung Bienen halten darf, würde ich allen, die sich der Imkerei widmen wollen, einen solchen Kurs empfehlen. Dort lernt man alles Notwendige rund um die Bienenzucht, -haltung, -pflege … Momentan mache ich die Ausbildung zum Facharbeiter in der Bienenwirtschaft, was dem Gesellen entspricht. Denn Imker ist bei uns ein Lehrberuf. Ich könnte auch noch den Meister machen, aber das will ich nicht, das geht dann schon wieder zu sehr ins Betriebswirtschaftliche.

Alles passiert gleichzeitig

Was ich leider feststellen muss: Es wird jedes Jahr herausfordernder. So wie heuer. Die Natur ist drei, wenn nicht gar vier Wochen voraus. Das ist ein Problem. Jetzt, im April, blüht hier in Brunn am Gebirge die Akazie. Das ist viel zu früh, die sollte erst im Mai blühen. Alles passiert gleichzeitig. Das sollte so nicht sein. Die Bienen produzieren fleißig Honig, dann hört die Blüte aber wieder, auf und die Tiere haben nichts mehr zu fressen. Was dazu führt, dass man sie bereits füttern muss. Normalerweise ist es so: Die Honigbiene produziert deshalb Honig, damit sie im Winter einen Essensvorrat hat. Diesen Wintervorrat nehme ich ihr weg und gebe ihr nach der Ernte stattdessen Zuckerwasser, mit dem sie über die kalte Jahreszeit kommt, im Frühling sollte sie wieder selber sammeln.

In den letzten Jahren ist es aber so, dass man schon im Frühling zufüttern musste, weil sich die Witterung verändert hat. Alles blüht gleichzeitig, die Bienen sammeln, dann kommt kaltes Wetter, die Bienen futtern ihre Vorräte, dann wird’s wieder schöner, die Tiere wollen wieder sammeln, aber es gibt keine Blüten mehr.

Der Honig, so wie ihn die Biene produziert, ist perfekt: Der Imker kann daran gar nichts verbessern.
Der Honig, so wie ihn die Biene produziert, ist perfekt: Der Imker kann daran gar nichts verbessern. Bienenstiche nimmt man dafür gerne in Kauf.
privat

Von den milden Wintern hat die Biene nichts. Im Gegenteil. Das hängt mit der Varroamilbe, einem Parasiten zusammen: Der pflanzt sich in der Brut der Bienen fort und überträgt Krankheiten. Weil es im Winter im Normalfall keine Brut gibt, sitzt die Milbe auf der erwachsenen Biene, wo ich sie mit Oxalsäure gegen den Parasiten behandeln kann. In einem milden Winter gibt es aber Brut, was die Gegenmaßnahmen gegen die Milbe erschwert. Die sitzt dann nicht auf der Biene, sondern in der Brut. Anders als im Sommer kann man aber nicht auf die stärkere Ameisensäure als Behandlungsmittel zurückgreifen, weil diese bei niedrigen Temperaturen nicht verdunstet und somit nicht wirkt. Zudem braucht das Brüten Energie, was dazu führt, dass die Biene mehr Futter braucht. Es ist ein Teufelskreis.

Bitter, süß oder hardcore

Zurzeit habe ich zwischen 70 und 90 Völker. Genau kann ich das nicht beziffern, weil sich das in dieser Jahreszeit ständig ändert. Denn jetzt ist gerade Hochbetrieb. 50.000 bis 60.000 Bienen leben in so einem Volk. Also es sind ein paar Millionen. Die Bienenstöcke stehen verteilt in Niederösterreich, im Burgenland, einer sogar auf dem Bankgebäude am Hauptbahnhof, wo ich arbeite. Wobei die meisten im Weinviertel stehen. Dort ist, was den Ertrag betrifft, das Imkerparadies. Dort kann man in guten Jahren pro Volk mit 100 bis 120 Kilogramm Honig rechnen. Wenn ich rein auf Ertrag aus wäre, dann würde ich sie nur im Weinviertel fliegen lassen. Aber auch so komme ich im Jahr auf eine Tonne bis eineinhalb Tonnen.

Mich reizt aber vor allem die Vielfalt. In Stoob bekomme ich zum Beispiel den Edelkastanienhonig, der tatsächlich bitter schmeckt. Im Burgenland blüht derzeit auch der Raps, der wieder einen ganz anderen Nektar – der Grundrohstoff für den Honig – liefert. Waldhonig schmeckt malzig, Akazienhonig ist extrem flüssig und schmeckt eigentlich vorrangig süß ohne extremen Eigengeschmack. Ganz hardcore ist der Buchweizenhonig. Der wird als animalisch beschrieben. Der stinkt wirklich nach Saustall. Aber wenn man ihn mal an der Nase vorbei und im Mund hat, dann entfaltet sich ein sehr angenehmer Geschmack. Der Geruch ist allerdings wirklich gewöhnungsbedürftig.

Zurzeit hat Schmid zwischen 70 und 90 Völker. Genau kann er das nicht beziffern, weil sich der Status in dieser Jahreszeit ständig ändert.
Zurzeit hat Schmid zwischen 70 und 90 Völker. Genau kann er das nicht beziffern, weil sich der Status in dieser Jahreszeit ständig ändert.
privat

Der Abwechslungsreichtum fasziniert mich und weckt meine Sammelleidenschaft. Ich will diverse Sorten in meinem Portfolio haben und hoffe dieses Jahr auf eine Buchweizenhonigernte. Das wäre gut für mein Ego. Der Akazienhonig zum Beispiel entspricht gar nicht so meinem persönlichen Geschmack, aber trotzdem: Wenn ich ihn ernte, dann freue ich mich wie ein kleines Kind. Denn welche Pflanze die Biene anfliegt, kann ich nur bedingt steuern. Selbst wenn ich die Kästen neben ein Rapsfeld stelle, kann es durchaus sein, dass die Tiere andere Blüten interessanter finden. Das Gute ist allerdings: Bienen sind blütenstet. Wenn sie sich einmal für eine entschieden haben, dann fliegen sie nur noch diese an. So entsteht sortenreiner Honig.

Leichte Schwellungen

Ein Aspekt, der mir auch gefällt: Es ist in gewisser Weise ein Strategiespiel. Ich plane gerne und liebe es, wenn ein Plan aufgeht. Da kommt dann doch wieder der Projektmanager in mir durch. Dabei sind Bienen eben nur ausgesprochen begrenzt steuerbar, es gibt zu viele Unbekannte. Darum freue ich mich umso mehr, wenn ein Vorhaben klappt. Der große Unterschied zum Bürojob ist, du hast ein Produkt tatsächlich in der Hand, an dessen Entstehung du einen Anteil hast. Produziert wird der Honig natürlich von der Biene, und die macht ihren Job immer perfekt. Der Imker kann daran gar nichts verbessern.

Stiche nimmt man in Kauf. Die tun mir genauso weh wie jedem anderen. Letztens bin ich dreißigmal gestochen worden, hatte aber nur leichte Schwellungen. Ich habe aber auch schon von Kollegen gehört, die plötzlich eine Allergie entwickelt haben und mit dem Imkern aufhören mussten. Von einer Immunität gegen Bienenstiche sollte man daher auch als Imker oder Imkerin nicht ausgehen." (Markus Böhm, 28.4.2024)