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Harold Lloyd in "Safety Last!" – einem 1923 gedrehten Film über einen jungen Mann, der alles tun muss, um Geld zu verdienen.
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FÜR

Wirtschaft und Industrie jubeln, und auch der überwiegende Teil der Wählerschaft von ÖVP und FPÖ ist – anders als die Bevölkerungsmehrheit – für die von der türkis-blauen Koalition geplanten Änderungen.

Laut ATV-Österreich-Trend sind in der Gesamtbevölkerung nur elf Prozent sehr und weitere 24 Prozent eher für die Flexibilisierung – eine relative Mehrheit von 45 Prozent (gegenüber 43 Prozent) hält sogar Streiks gegen die Flexibilisierung für gerechtfertigt. Die Hauptargumente der Befürworter:

Stärkung des Standorts "Ein attraktiver Standort und wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für Unternehmen sowie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bilden die Basis für allgemeinen Wohlstand und soziale Gerechtigkeit", sagt Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung. Er sieht die Interessen ausgeglichen und wünscht sich flexible Lösungen vor allem auf Betriebsebene, wo die Betriebsräte stärker an Sachzwänge gebunden sind, als es die Gewerkschaft ist.

Flexibilität der Produktion "Unternehmen werden wettbewerbsfähiger, können flexibler auf Kundenaufträge reagieren und sichern so Arbeitsplätze und Erträge", argumentiert Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer.

Den Mitarbeitern werde nichts weggenommen: "Arbeitnehmer erhalten bei Überstundenleistungen entweder mehr Verdienst oder höhere Freizeitblöcke – und sie können mit flexibleren Arbeitszeiten auch Beruf und Familie besser vereinbaren."

Mehr Geld für elfte und zwölfte Stunde In vielen Bereichen – etwa in Spitälern, im öffentlichen Dienst, aber auch in vielen Industriebetrieben – gibt es schon jetzt Elf- und Zwölfstundentage, allerdings als Sonderüberstunden. Dies werde auch weiterhin so sein, denn die elfte und zwölfte Stunde eines Arbeitstages würden grundsätzlich zuschlagspflichtig bleiben.

Ein genereller Zwölfstundentag stehe nicht nur nicht zur Debatte, er wäre als Dauerlösung auch zu teuer – wohl aber könnte er in mehr Betrieben praktiziert werden als bisher.

Schutz der Arbeitnehmer Niemand solle gezwungen werden, länger zu arbeiten, persönliche Gründe wären zu berücksichtigen.

WIDER

Die Gewerkschaft, die Arbeiterkammer, das rote Reichsdrittel, sie toben. Die von ÖVP und FPÖ geplante Arbeitszeitflexibilisierung sei ein "massiver Angriff" auf Arbeitnehmer (Barbara Novak, SPÖ), es handle sich um "Lohnraub" (Wolfgang Katzian, ÖGB), es würden "Kampfmaßnahmen" angedacht. Die Neos warnen vor "Husch-Pfusch". Und sogar ein Schwarzer, der Tiroler AK-Präsident Erwin Zangerl, geißelt die Regierung für ihre "Zerstörung unserer Gesellschaft". Was spricht also konkret gegen das neue Gesetz?

Die Koalitionäre haben Beispiele mit Vorteilen für Arbeitnehmer angeführt. ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz kann sie alle widerlegen, sagt er.

Überstunden, die man nicht abbauen kann Türkis-blaues Beispiel eins: Ein Kellner arbeitet je elf Stunden an zwei Samstagen, sammelt Überstunden, danach bekommt er einen Tag frei.

Ein Zehnstundentag sei im Gastgewerbe schon jetzt möglich, erklärt Achitz. "Ob und wann jemand freibekommt, hängt aber immer vom Arbeitgeber ab. In der Realität werden künftig alle zahlreich Gutstunden aufbauen, aber nicht abbauen können."

Keine Selbstbestimmung bei Gleitzeit Türkis-blaues Beispiel zwei: Ein Programmierer hat Gleitzeit, schließt sein Projekt mit Zwölfstundendienst am Donnerstag ab und kann dafür am Freitag zu Hause bleiben.

Bis auf den einen Zwölfstundentag sei auch das bereits jetzt möglich. "Doch 95 Prozent der Arbeitnehmer mit Gleitzeitregelung müssen zu Kernzeiten im Büro sein", erläutert Achitz. Das bedeutet: Auch hier muss der Arbeitgeber zustimmen, wann man sich freinehmen darf. Nach Vereinbarung sei auch eine generelle Viertagewoche längst möglich.

Nicht ausreichend Ruhephasen Durch einen großen Auftrag in der Industrie arbeitet ein Arbeiter sechs Wochen lang je 52 Stunden, das ermöglicht zweieinhalb Wochen Urlaub.

Schon jetzt könnten Firmen in Ausnahmefällen bei Großaufträgen längere Arbeitszeiten einfordern. Das war jedoch begrenzt auf acht Wochen am Stück und 24 Wochen im Jahr. "Wenn ein Großauftrag den anderen jagt, werden Unternehmen künftig immer auf das bestehende Personal zurückgreifen, das einfach mehr arbeiten muss", prognostiziert Achitz. (Katharina Mittelstaedt, Conrad Seidl, 16.6.2018)