Am Spielplatz ist nicht immer klar, wer bei Unfällen haftet. Allerdings gibt es nicht immer einen Schuldigen. Vorsicht ist bei fremden Kindern geboten.

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Carmen Thornton ist selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Ihre Kanzlei ist spezialisiert auf Trennungen und Scheidungen sowie Obsorge- und Unterhaltsverfahren. Auf derStandard.at/Familie beantwortet sie rechtliche Fragen bezüglich des Familienlebens.

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Spielplätze sind für die Entwicklung der Kinder ungemein wichtig und sorgen für jede Menge Spaß. Kleinere Stürze gehören natürlich dazu, immerhin müssen die Kinder auch lernen, ihre eigenen Fähigkeiten richtig einzuschätzen. In den meisten Fällen geht das zum Glück glimpflich aus, doch leider kommt es manchmal auch zu schlimmeren Verletzungen. Jedes Jahr verletzen sich deutlich über 10.000 Kinder auf Spielplätzen so schwer, dass sie ärztlich behandelt werden müssen – und dann wird meistens nach einem Schuldigen gesucht. Haftungsfragen nach Spielplatzunfällen beschäftigen daher auch regelmäßig die Gerichte.

Haftung des Spielplatzbetreibers bei unsachgemäßer Wartung

Wenn der Unfall auf ein defektes Spielgerät oder mangelnde Sicherheitsvorkehrungen (kein ausreichender Fallschutz, zu geringe Sicherheitsabstände et cetera) zurückzuführen ist, haftet in der Regel der Spielplatzbetreiber. Dieser ist nämlich nicht nur für die ordnungsgemäße Errichtung der Spielgeräte verantwortlich, sondern auch zur laufenden Inspektion sowie Wartung und Instandhaltung des Spielplatzes verpflichtet.

Spielplätze müssen so gestaltet sein, dass das Verletzungsrisiko so gering wie möglich ist. Der Betreiber hat daher sicherzustellen, dass der Spielplatz und die Geräte sich in ordnungsgemäßem Zustand befinden, und muss beschädigte Geräte unverzüglich reparieren oder sperren. Die durchgeführten Inspektionen und Wartungen sind vom Betreiber auch zu dokumentieren. Bei einer Verletzung der Verkehrssicherungspflichten helfen dem Betreiber auch Hinweise wie "Für Unfälle wird keine Haftung übernommen" oder "Benützung auf eigene Gefahr" nichts.

Haftung der Aufsichtspersonen

An den meisten Unfällen trifft den Spielplatzbetreiber allerdings keine Schuld. Viele Unfälle passieren, weil die Betreuungsperson gerade aufs Handy schaut und abgelenkt ist. Dann haften unter Umständen die aufsichtspflichtigen Personen. Diese haben nicht nur die ihrer Aufsicht unterstehenden Kinder vor Gefahren zu schützen, sondern sind auch dafür verantwortlich, dass diese keinen anderen Personen Schaden zufügen. Als Aufsichtsperson wird man daher unter Umständen auch dann schadenersatzpflichtig, wenn das eigene Kind ein fremdes Kind beim Spielen verletzt.

Wen trifft die Aufsichtspflicht?

Die Aufsichtspflicht trifft in erster Linie die Eltern. Wenn sich das Kind gerade in der Schule oder im Kindergarten befindet oder von einer Tagesmutter betreut wird, ist die jeweilige Betreuungsperson aufsichtspflichtig.

Eine Aufsichtspflicht kann allerdings auch durch eine sogenannte freiwillige Gefahrenübernahme begründet werden. Wer zum Beispiel ein fremdes Kind mit auf den Kinderspielplatz mitnimmt, ist ebenfalls verpflichtet, dieses Kind zu beaufsichtigen. Dasselbe gilt, wenn das eigene Kind seine Freunde einlädt und diese zum Beispiel am Trampolin im Garten spielen.

Haftung nur bei einer Verletzung der Aufsichtspflicht

Eine Haftung besteht allerdings nur im Falle einer Verletzung der Aufsichtspflicht. Der Umfang der Aufsichtspflicht bestimmt sich grundsätzlich nach dem Alter und der Entwicklung des Kindes und ist immer von den Umständen des Einzelfalles (zum Beispiel den örtlichen Gegebenheiten) abhängig. Vorhersehbare Gefahren sind nach Möglichkeit zu vermeiden. Die Aufsichtspflicht darf allerdings nicht unrealistisch überspannt werden. Hier sollte man also auf den gesunden Hausverstand setzen.

Auf Kinderspielplätzen reicht es im Allgemeinen aus, wenn die Betreuungsperson sich in Sichtweite befindet und das Kind immer wieder im Blick hat. Bei den ersten Versuchen am Klettergerüst sollte man den Kleinen zwar noch behilflich sein; wenn das Kind schon in der Lage ist, selbst hinaufzuklettern, kann man allerdings nicht verlangen, dass ständig jemand unmittelbar daneben steht, um es im Zweifel aufzufangen. Dies wäre für die Entwicklung auch nicht gerade förderlich.

Bin ich verantwortlich, wenn ich fremden Kindern am Spielplatz helfe?

Wenn man mit den eigenen Kindern am Spielplatz ist, kann es schon mal vorkommen, dass ein fremdes Kind sich mal kurz das Fahrrad oder einen Roller ausborgt oder ebenfalls auf das Klettergerüst hinaufgehoben beziehungsweise beim Schaukeln angetaucht werden möchte. Doch Freundlichkeit wird nicht immer belohnt, und die wenigsten machen sich wirklich Gedanken darüber, wer dann eigentlich dafür verantwortlich ist, wenn sich das fremde Kind bei einem Sturz verletzt.

Eine allgemeingültige Regel, ob man in solchen Fällen haftet, gibt es leider nicht. Vielmehr kommt es immer auf die besonderen Umstände an. Wenn sich die Eltern des Kindes ohnehin in der Nähe befinden und ihr Kind im Auge haben, ist mit einer kurzen Hilfestellung noch keine Übernahme der Aufsichtspflicht verbunden. In solchen Fällen darf man grundsätzlich davon ausgehen, dass die Eltern weiterhin auf ihr Kind aufpassen und bei möglichen Gefahren einschreiten.

Auch wenn man einem fremden Kind ein Fahrrad oder einen Roller borgt, haftet man bei Stürzen in der Regel nicht. Eine Haftung kommt daher nur in Ausnahmefällen in Betracht, zum Beispiel wenn man ein fremdes Kleinkind ohne Zustimmung der Eltern auf eine Schaukel hebt und so fest anschaukelt, dass es herunterfällt. Bei fremden Kindern sollte man daher besonders vorsichtig sei und sich im Zweifel vorher vergewissern, dass die Eltern beziehungsweise die Betreuungspersonen des Kindes einverstanden sind und aufpassen, dass nichts passiert.

Es muss nicht immer einen Schuldigen geben

So tragisch ein Unfall am Spielplatz auch sein mag: Es muss nicht immer einen Schuldigen geben. Manche Stürze lassen sich trotz aller Sorgfalt nicht verhindern. Das ist allerdings kein Grund, übervorsichtig zu sein und den Kindern dadurch den Spaß zu verderben. (Carmen Thornton, 9.7.2019)