Die Ausweitung des Kontaktrechts hat auch seine finanziellen Schattenseiten.

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Carmen Thornton ist selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Ihre Kanzlei ist spezialisiert auf Trennungen und Scheidungen sowie Obsorge- und Unterhaltsverfahren. Auf derStandard.at/Familie beantwortet sie rechtliche Fragen bezüglich des Familienlebens.

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Nach einer Trennung hat der Elternteil, der mit seinem Kind nicht in einem Haushalt lebt, das Recht auf regelmäßigen persönlichen Kontakt. Im Idealfall wird das Kontaktrecht von den Eltern flexibel gehandhabt oder einvernehmlich geregelt. Wenn sich die Eltern allerdings nicht einigen können, muss das Pflegschaftsgericht eine verbindliche Kontaktregelung festlegen, die auch zwangsweise durchgesetzt werden kann.

Das Ausmaß der Kontakte richtet sich hauptsächlich nach den familiären Verhältnissen und dem Alter des Kindes. Während früher nur ein Kontaktrecht für jedes zweite Wochenende und allenfalls ein zusätzlicher Tag unter der Woche üblich waren, tendieren die Gerichte in den letzten Jahren vermehrt dazu, das Kontaktrecht deutlich auszuweiten. Auch das Doppelresidenzmodell, bei dem das Kind von beiden Eltern zu gleichen Teilen betreut wird (z. B. abwechselnd jede zweite Woche beim Vater oder der Mutter verbringt) ist mittlerweile vor allem bei Kindern ab dem Schulalter keine Ausnahme mehr.

Unterhaltsfalle

Für den hauptbetreuenden Elternteil ist das zwar manchmal eine willkommene Entlastung, in vielen Fällen aber auch ein großes finanzielles Problem. Das Ausmaß des Kontaktrechts hat nämlich auch Auswirkungen auf die Höhe des Kindesunterhalts. Wenn das Kontaktrecht über das Ausmaß von zwei Tagen alle zwei Wochen (oder einem Tag pro Woche) sowie vier Wochen in den Ferien hinausgeht, reduziert sich die Unterhaltspflicht um zehn Prozent pro zusätzlichen wöchentlichen Betreuungstag. Wenn das Kontaktrecht nur für einige Stunden besteht, wird dieser Tag allerdings nicht berücksichtigt.

Unterhalt bei gleichteiliger Betreuung

Bei annähernd gleichteiliger Betreuung, die grundsätzlich bereits bei einem Betreuungsverhältnis von 4:3 (also an mindestens drei Tagen pro Woche) angenommen wird, kommt es zur Anwendung des sogenannten betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodells. Hier kann der Unterhaltsanspruch bei annähernd gleichen Einkommensverhältnissen der Eltern sogar zur Gänze entfallen. Beide Eltern müssen aber zusätzlich zur Betreuung im Haushalt auch für alle sonstigen Kosten und Aufwendungen (z. B. für Kleidung, Schulbedarf etc.) zu gleichen Teilen aufkommen. Bei Einkommensunterschieden von mehr als einem Drittel besteht hingegen ein Anspruch auf Ergänzungsunterhalt gegen den besser verdienenden Elternteil. Größere Aufwendungen oder längerfristige Ausgaben wie z. B. Kindergarten- oder Hortkosten, Sportausrüstung etc. sind von den Eltern im Verhältnis ihres Einkommens zu tragen.

Betreuungsrechtliches Unterhaltsmodell: Probleme in der Praxis

Dass beide Elternteile in die Kinderbetreuung eingebunden werden und auch die Väter mittlerweile deutlich mehr Verantwortung übernehmen, ist sehr zu begrüßen. Und wenn sich die Eltern die Betreuungszeiten und die Kosten für die Lebensführung tatsächlich fair aufteilen, ist es auch sachgerecht, dass darüber hinaus kein oder nur ein ergänzender Geldunterhaltsanspruch besteht.

Allerdings kommt es durch diese Rechtsprechung in der Praxis auch zu großen Problemen. Das betreuungsrechtliche Unterhaltsmodell ist nicht nur kompliziert, es führt auch vermehrt zu Streitigkeiten bezüglich des Unterhalts und des Kontaktrechts. Manchmal wird eine Ausweitung des Kontaktrechts in erster Linie deshalb beantragt, um sich dadurch einen Teil der Unterhaltsleistungen zu ersparen. Der Streit ums Kind ist dann in Wahrheit ein Streit ums Geld. Und dass die Kinder vor allem unter der Woche irgendwo "geparkt" werden, obwohl der hauptbetreuende Elternteil sie eigentlich gerne mehr bei sich hätte, ist sicherlich nicht Sinn des Kontaktrechts.

Außerdem kann der hauptbetreuende Elternteil (meistens die Mutter) selbst bei einem überdurchschnittlichen Kontaktrecht oft keiner Vollzeitbeschäftigung nachgehen, vor allem dann, wenn das Kontaktrecht überwiegend am Wochenende gilt. Alleinerzieher sind daher oft auf den Kindesunterhalt angewiesen. Und dass der andere Elternteil zusätzliche Betreuungsleistungen übernimmt, führt auch nicht zwangsläufig zu einer nennenswerten Ersparnis. Alleinerziehende Elternteile, die zusätzlich zu den mit einer Teilzeitbeschäftigung verbundenen Gehaltseinbußen auch noch auf einen Teil des Kindesunterhalts verzichten müssen, landen daher häufig in der Armutsfalle. (Carmen Thornton, 23.7.2019)