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Ein Porträt von Engelbert Dollfuß, das jahrzehntelang im ÖVP-Klub hing. 2014 wurde eine Tafel zur Kontextualisierung angebracht, 2017 musste das Bild vollkommen weichen – es befindet sich derzeit in einem Depot der Landessammlungen Niederösterreich.

Foto: Christian Müller/Picturedesk

Er war noch nicht im Amt, da war der neue Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) schon in Erklärungsnot. Am Wochenende wurde in sozialen Medien das Dollfuß-Museum in seiner Heimatgemeinde Texingtal thematisiert, das Karner in seiner Rolle als Bürgermeister betreibt. Das Museum wurde von einer Historikerin eher als Gedenkstätte denn als Museum bezeichnet, eine kritische Auseinandersetzung fehle vollkommen. Vor dem Museum, das sich im Geburtshaus von Dollfuß befindet, steht auf einer Steintafel: "Gewidmet dem großen Bundeskanzler und Erneuerer Österreichs".

Die Regierung des christlich-sozialen Bundeskanzlers Dollfuß schaltete 1933 das Parlament aus, Dollfuß schuf mit der Maiverfassung 1934 einen autoritären "Ständestaat" und stützte sich vor allem auf die katholische Kirche, die Bauern und die Heimwehr – es gab hunderte Tote. Am 25. Juli 1934 wurde er im Verlauf des Juliputsches von den Nazis ermordet.

Scharfe Worte, Aufforderungen zur Klarstellung

Die Grünen riefen rasch nach einer Klarstellung von Karner, am Montag legten die Sozialdemokraten nach: "Für jemanden, der Parlament und Demokratie ausgeschaltet hat, Standrecht und Todesstrafe eingeführt hat und auf Gemeindebauten schießen ließ, darf es nicht einmal den Anschein einer Verherrlichung oder Huldigung geben", stellte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch klar. Scharfe Kritik kam auch von SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried, der in der ORF-Sendung "Im Zentrum" von einer "Kult- und Gedenkstätte für einen Diktator und für einen Schwerverbrecher" sprach.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen wurde in einem offenen Brief von Gedenkdienern aufgefordert, Karner nicht anzugeloben. Das forderte auch die Sozialistische Jugend. Auch der KZ-Verband wandte sich an das Staatsoberhaupt: "Ein Innenminister, der die austrofaschistische Diktatur so unreflektiert hinnimmt, ist nicht unserer Demokratie dienlich."

Adaptierung 2022

Zur Angelobung kam es trotzdem – seit Montagmittag ist Karner Innenminister. Kaum im Amt, musste er sich aber zum Museum – und zu Dollfuß – erklären. "Ein klares Bekenntnis zum demokratischen Rechtsstaat und gegen Nationalsozialismus, Antisemitismus, Faschismus und jeglichen Extremismus ist selbstverständlich – gerade für Gerhard Karner", ließ ein Sprecher des Ministers wissen. Dieser kündigte außerdem eine Adaptierung des Museums im nächsten Jahr an. Das sei schon seit dem Frühjahr geplant gewesen.

Das Museum gebe es seit über 20 Jahren, also lange bevor Karner Bürgermeister geworden sei. Es sei unter wissenschaftlicher Begleitung von Gemeinde, Land und Bund eingerichtet worden. In die Überarbeitung eingebunden werden soll das Zeithistorische Zentrum Melk, mit dem es bereits Kontakt gebe. Das Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien hatte bereits vor etwa zehn Jahren um Kontakt gebeten, es habe sich allerdings nie jemand gemeldet, sagte eine Forscherin dem STANDARD.

Dollfuß-Experte in der Regierung

In seiner Antrittsrede sprach Karner davon, gegen "Faschismus und Antisemitismus" auftreten zu wollen. Zum Fachsimpeln über Dollfuß hat er jedenfalls künftig einen Rechtshistoriker auf der Regierungsbank: Der neue Bildungsminister Martin Polaschek schrieb erst 2018 einen Aufsatz über das "KwEG als Wegbereiter des autoritären Ständestaates", in dem er beschreibt, wie Dollfuß und seine Regierung mithilfe des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes (KwEG) die Demokratie auf allen Ebenen aushebelten. (Lara Hagen, Colette M. Schmidt, 7.12.2021)