Einer der raren Tage, an denen der Sonnblick nicht ganz in Wolken gehüllt ist. An nahezu zwei von drei Tagen können auf dem Gipfel Daten innerhalb einer Wolke erhoben werden.

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Es klingt so einfach: Sonneneinstrahlung lässt Wasser verdampfen. Der Dampf steigt auf, kondensiert und bildet kleine Tröpfchen an Staubpartikeln in der Atmosphäre – voilà, die Wolke ist fertig. Doch in der Praxis ist der Prozess der Wolkenbildung viel weniger gut überschaubar.

Die Verteilung von Temperatur, Luftdruck und Aerosolen, der Wind oder die Beschaffenheit der Erdoberfläche darunter – viele Faktoren beeinflussen die Entstehung der Cirrus-, Stratus- und Cumuluswolken. Die physikalischen Modelle der Wissenschafter sind letztlich noch viel zu grob gestrickt, um diesen kleinräumigen und im Detail extrem komplexen Vorgang abzubilden.

Wolken im Klimawandel

Das ist auch deshalb ein Problem, weil die Wolkenbildung im Zusammenhang mit der Erderwärmung als besonders wichtiger Faktor gilt. Eine aufgeheizte Atmosphäre kann mehr Wasser aufnehmen, gleichzeitig reflektiert eine verstärkte Wolkenbildung aber auch die Sonneneinstrahlung in stärkerem Maße. Die veränderten Rahmenbedingungen könnten zu schnellerer Wolkenbildung, stärkeren Extremwetterereignissen oder saisonalen Regenhäufungen bei insgesamt weniger Niederschlag führen.

In der Bemühung, die Wolken mit wissenschaftlichen Mitteln "einzufangen", soll eine heimische Forschungsstätte, die für ihre exponierte Lage bekannt ist, künftig eine bedeutende Rolle spielen: das Sonnblick-Observatorium. Die auf 3106 Meter Höhe gelegene Einrichtung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), die selbst eine Forschungsstelle des Wissenschaftsministeriums ist, kooperiert bei der Erhebung von Atmosphärendaten bereits jetzt mit vielen internationalen Partnern.

Engmaschige Datenerhebung

Künftig soll der Sonnblick zudem zum European Centre for cloud ambient intercomparison (ECCINT) werden und als "Wolkenzentrum" eine wichtige Rolle im – derzeit im Aufbau befindlichen – Actris-Programm (kurz für Aerosol, Clouds and Trace Gases Research Infrastructure) einnehmen. "Wir werden nicht nur selbst Daten erheben, sondern auch für die Standardisierung von Messungen und Datenauswertungen verantwortlich sein, die in diesem europaweiten Netzwerk durchgeführt werden", erklärt Observatoriumsleiterin Elke Ludewig. "Beispielsweise testen wir Messgeräte, um Empfehlungen für den Einsatz an anderen Einrichtungen zu geben."

Blick aus dem Observatorium auf die Bergwelt am Sonnblick.
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Die offizielle Zustimmung der EU-Kommission für die Einrichtung des Messzentrums auf dem Sonnblick wird für den kommenden Sommer erwartet. Der operationelle Betrieb ist für 2025 geplant. Das rahmengebende EU-Forschungsnetzwerk Actris widmet sich einer durchgängigen und engmaschigen Erhebung von Daten, die mit der Bildung von Wolken zusammenhängen.

Vermessung des Wassers

Dazu gehört die Vermessung der kleinsten Wassertröpfchen, aus denen die Wolken bestehen, der Partikel, an denen diese Tröpfchen kondensieren, und von Spurengasen wie Stickoxiden, flüchtigen organischen Verbindungen oder Kohlenwasserstoffen, die sowohl durch menschliche Tätigkeit als auch durch natürliche Prozesse in die Atmosphäre gelangen.

Ludewig und ihr Team auf dem Sonnblick werden sich im Rahmen von ECCINT vor allem auf die Vermessung des Wassers in der Luft konzentrieren. "Zu unseren Kernparametern gehört der Flüssigwassergehalt der Wolken sowie der effektive Radius der Wassertröpfchen, aus denen sie bestehen", sagt Ludewig. Aufgrund des Flüssigkeitsgehalts können verschiedene Wolkentypen unterschieden werden, wobei die Werte aber relativ zu Ort und Höhe der Messung sind.

Schwere Wolken

Zu den "schwersten" Wolken gehört der Cumulustypus, zu dem auch Gewittertürme zählen. Sie kommen auf ein bis vier Gramm pro Kubikmeter, was sich bei großen Gebilden zu einem Gewicht von tausenden Tonnen summiert. Der Sonnblick wird Referenzstelle für ein Messnetz, das weitere Bergstationen wie jene auf dem Jungfraujoch in der Schweiz oder nebelverhangene Küstenstationen in Großbritannien genauso umfasst wie mobile Plattformen, die auf Schiffen installiert sind oder per Wetterballon die Atmosphäre durchkreuzen.

Bei der Messtätigkeit selbst konzentriert man sich auf dem Sonnblick eher auf Flüssigwasserwolken. Standorte wie Karlsruhe oder Manchester spezialisieren sich dagegen auf Eiswolken, die in kühleren Atmosphärenschichten entstehen. Welche Wolkentypen mit zunehmender Erderwärmung zu- oder abnehmen, soll mithilfe der Messungen beantwortet werden.

Langzeitmonitoring

"Durch diese über ganz Europa verteilten Messpunkte soll ein guter Datensatz entstehen, der allen Wissenschaftstreibenden zugänglich ist und neue Forschungen und neue Services ermöglicht", sagt Ludewig. Erstmals werden bei Messdaten dieser Art die ununterbrochenen Zeitreihen eines Langzeitmonitorings zur Verfügung stehen. Bisher waren sie nur für begrenzte Zeiträume, für die Dauer einzelner Messkampagnen, verfügbar. Geplant ist, dass die Daten in Echtzeit an einem zentralen Ort – angedacht ist ein Standort in Norwegen – abgespeichert und mithilfe automatisierter Prüfroutinen aufbereitet werden.

Dass der Sonnblick bei der Etablierung einer neuen Wolkenforschung eine wichtige Rolle spielt, ist durchaus naheliegend. Der exponierte Standort, die bis 1886 zurückreichende Tradition als Observatorium sowie die Lage weitab jeder Emissionsquelle im Nationalpark Hohe Tauern machen den Berggipfel zum idealen Standort für viele Messvarianten.

In der neuen Rolle wird ein Umstand wichtig, der von den Sonnblick-Besuchern nicht immer als Vorteil verstanden wird: "Wir sind hier auf dem Berggipfel 220 Tage pro Jahr selbst in der Wolke. Wir können regelmäßig In-situ-Messungen durchführen, ohne auf Wetterballone oder Laboranlagen angewiesen zu sein", sagt Ludewig. (Alois Pumhösel, 31.5.2022)