Armin Wolf, hier bei einer anderen Preisverleihung, appellierte Dienstagabend an die Stiftungsräte, keine Fraktionen zu bilden.

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Wien – "ZiB 2"-Anchor Armin Wolf nutzte die Preisverleihung zum "Journalisten des Jahres 2020" am Dienstagabend, um an seine neuen Stiftungsräte im ORF zu appellieren, die am Donnerstag zum ersten Mal in neuer Besetzung zusammentreten: "Vielleicht können Sie es ohne Gründung der Parteifreundeskreise probieren" – also parteipolitischer Fraktionen, die Sitzungen vorbesprechen und das Stimmverhalten absprechen. Pandemiebedingt wurde die Verleihung der Journalistenpreise für das Jahr 2020 erst am Dienstag nachgeholt.

In keinem anderen der mehr als tausend Aufsichtsräte in Österreich gebe es parteipolitische Freundeskreise, sagte Wolf bei der Preisverleihung im ORF-Zentrum, nicht einmal in jenen staatseigener Betriebe wie der Bundesforste. Der ORF indes gehöre nicht dem Staat, "und er gehört nicht den Parteien", sagte der ORF-Journalist.

"Offener Widerspruch"

Solche Freundeskreise seien nirgendwo im Gesetz vorgesehen, im Gegenteil: Es gebe seit 1974 ein Verfassungsgesetz Rundfunk über die Unabhängigkeit des ORF, dem diese Freundeskreise nach seinem Befund "offen widersprechen".

Ohne Freundeskreise könnte der Stiftungsrat "nicht nur funktionieren, es könnte auch viel interessanter werden" – wenn nicht jede Entscheidung schon vorher feststünde.

Wolf hofft, dass "der Verfassungsgerichtshof in nächster Zeit eine Gelegenheit finde, sich das ORF-Gesetz anzuschauen". Denn: "Es kann nicht sein, dass der Rundfunk in Moldawien staatsferner organisiert ist als der in Österreich."

Der ORF-Journalist spielt damit auf einen Fachbeitrag des Rundfunkrechtlers und heutigen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs Christoph Grabenwarter an. Der hatte über die Staatsferne der deutschen Rundfunkgremien in Zusammenhang mit dem Rundfunk der Republik Moldau geschrieben: "Herrscht in den Organen eine zu große Mehrheit von Vertretern der Regierungspartei(en), wird Artikel 10 EMRK verletzt."

Wolf schloss daraus, dass der ORF-Stiftungsrat "offenkundig verfassungswidrig" besetzt sei. Christoph Grabenwarter sagte später im Interview mit Ö1 dazu, dass die beiden Fälle "nicht eins zu eins" vergleichbar seien.

Klenk: Straches Traum von der "Lügenpresse" – "perfektioniert" von ÖVP

"Falter"-Chefredakteur Florian Klenk wurde – nicht zum ersten Mal – als "Journalist des Jahres 2021" ausgezeichnet. Er blickte zurück auf die gerade drei Jahre zurückliegende Veröffentlichung des Ibiza-Videos und Heinz-Christian Straches Träume, etwa von einer Übernahme der "Krone" und ihrer Neuausrichtung nach blauen Vorstellungen und die Budgetfinanzierung des ORF statt der GIS-Gebühren: "Strache wollte eine Lügenpresse installieren", sagte Klenk. "Und was Strache erträumt hat", das habe die ÖVP unter Sebastian Kurz "perfektioniert".

Klenk sprach von "systemischer Inseratenkorruption", die sich fortsetze und die "die Politik noch immer nicht abgeschafft" habe.

Sperl: Presserat zum "Mediengericht" mit Sanktionen ausbauen

Inserate öffentlicher Stellen waren auch Thema eines "Manifests" des ehemaligen STANDARD-Chefredakteurs Gerfried Sperl, der wie der langjährige Chefredakteur der "Kleinen Zeitung", Erwin Zankel, für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Sperl forderte Entscheidungen des Nationalrats über die Höhe öffentlicher Werbemittel, zudem eine strikte Trennung von Redaktion und Verlag samt transparenter Definition der Funktion von Herausgebern.

Sperl verlangte die Weiterentwicklung des Presserats zu einem "Mediengericht" mit Sanktionsmöglichkeiten. Ein solcher Presserat solle etwa den redaktionellen Einsatz von Algorithmen untersagen, Autorinnen von Postings und Leserbriefen müssten der Redaktion überprüfbar namentlich bekannt sein, erklärte Sperl bei der Preisverleihung.

Das Branchenmagazin "Journalistin" zeichnete Dienstagabend die von einer Branchenjury und der Redaktion gewählten "Journalisten des Jahres" pandemiebedingt für die Jahre 2020 und 2021 aus.

Kein "klassischer Medienmann"

Als Medienmanager des Jahres 2020 wurde Markus Mair, Vorstandsvorsitzender der Styria Media Group, gekürt. Er habe das Unternehmen in bald einem Jahrzehnt in Richtung Innovation und Zukunft geführt und dabei strategisches Geschick, Umsicht und Fingerspitzengefühl bewiesen, würdigte Thomas Kralinger, Geschäftsführer des "Kurier"-Medienhauses, Mair in seiner Laudatio.

Mair erinnerte sich, vor neun Jahren nach vielen Jahren im Bankenwesen in die Branche gekommen zu sein. Er betonte, nicht zu planen, "der klassische Medienmann" zu werden. "Und dennoch kann man in dieser Branche große Freude haben", meinte der Styria-Vorstandsvorsitzende. Als Medienmanager des Jahres 2021 wurden Rainer Nowak und Herwig Langanger von der "Presse" ausgezeichnet. Sie waren nicht anwesend, um den Preis entgegenzunehmen.

ORF-Redaktionen des Jahres

ORF-Chef Roland Weißmann hielt die Laudatio für die Redaktion des Jahres 2021 und 2020, was in beiden Fällen der ORF war. Wichtig in einer Redaktion sei der Teamgeist, betonte Weißmann. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten Großartiges geleistet und gezeigt, wie wichtig unabhängiger öffentlich-rechtlicher Journalismus sei. Sie seien selbstbewusst, und nicht einmal der Generaldirektor könne ihnen etwas sagen – "und das ist gut und richtig so", sagte der ORF-Chef.

(fid, APA, 17.5.2022)