Hier tagen die ORF-Gremium – wenn kolportierte Beschwerden die Reihen nicht wieder ausdünnen.

Foto: APA / Roland Schlager

Lothar Lockl übernimmt den Vorsitz im Stiftungsrat.

Foto: Heribert Corn

Die 35 Mitglieder der ORF-Stiftungsrats und wer sie entsendet.

Foto: DER STANDARD

Armin Wolf hatte eine Empfehlung an seinen neuen Aufsichtsrat, der Donnerstag zusammentritt: Die 35 Damen und Herren mögen sich diesmal nicht in Parteifraktionen organisieren und abstimmen.

Solche "Parteifreundeskreise" gebe es nicht einmal in den Aufsichtsräten von Staatsbetrieben wie den Bundesforsten. Und der ORF sei kein Staatsunternehmen, ein Verfassungsgesetz schreibe ihm und seinen Organen Unabhängigkeit vor.

Hoffnung auf Verfassungsgericht

Der ZiB 2-Anchorstar hoffte – in einer Dankrede für den nächsten Journalistenpreis im ORF-Zentrum – am Dienstagabend, dass der Verfassungsgerichtshof Gelegenheit bekommt, die Besetzung des ORF-Stiftungsrats zu prüfen. Der widerspreche nach seiner Analyse dieser Unabhängigkeit. Es könne nicht sein, dass der österreichische Rundfunk weniger staatsfern agiere als jener Moldawiens. Da spielte Wolf auf einen Befund des Höchstgerichtspräsidenten Christoph Grabenwarter über den Rundfunk dort an, dessen Organe der europäischen Menschenrechtskonvention widersprachen. Bundesländer könnten die Besetzung des Rats vor das Höchstgericht bringen oder ein Drittel der Nationalratsabgeordneten.

Zumindest das zweite ORF-Gremium könnte schon bald Medienbehörde und in der Folge Gerichte beschäftigen – mit möglichen Rückwirkungen auf den Stiftungsrat.

Bis Anfang Juni können sich Betroffene oder 120 Interessierte bei der Medienbehörde über die Bestellung von ORF-Publikumsräten durch Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) beschweren. Einige der Bestellungen erfüllten nach dem Befund des renommierten Rundfunkrechtlers (und Verwaltungsrichters) Hans Peter Lehofer die Anforderungen des Gesetzes nicht. Andere Juristen verweisen auf das gesetzliche Gebot eines ausgeglichenen Geschlechterverhältnisses auch in den ORF-Gremien – ebenfalls eine Beschwerdemöglichkeit nicht zum Zug gekommener Nominierungen. Das könnte laut Lehofer bis zur Unwirksamkeit von Beschlüssen des Publikumsrats gehen. Einer der ersten Anfang Mai war die Entsendung von sechs Mitgliedern in den ORF-Stiftungsrat. Derzeit verhandelt die Regierung über eine Digitalnovelle zum ORF-Gesetz. Änderungen an den Gremien sind nicht vorgesehen – die Kanzlerpartei ÖVP hat derzeit allein eine Mehrheit dort.

Vereinbarung in Sideletter

Mit den Grünen hat diese ÖVP 2020 in einem Sideletter vereinbart, dass die Türkisen den neuen ORF-General (Roland Weißmann) und zwei seiner Direktoren nominieren, die Grünen die anderen Direktorinnen. Und sie vereinbarten, dass die Grünen den Vorsitz im Stiftungsrat bekommen. Kommunikationsberater Lothar Lockl, wegen öffentlicher Aufträge und Beratung des Bundespräsidenten – der Vertrag lief mit Jahresbeginn aus – in der Kritik, dürfte Donnerstag bestellt werden. Mit einem Verzicht auf Wahlkampftätigkeit ist diesfalls zu rechnen.

Zur konstituierenden Sitzung lud noch der bisherige Vorsitzende Norbert Steger, den die ÖVP per Sideletter mit der FPÖ 2017 vereinbart hatte. Steger verabschiedete sich (in der Kleinen Zeitung) mit Sympathien für eine Privatisierung des ORF oder einen Verkauf von Sendern.

SPÖ-Räte verlangen von Lockl ein Bekenntnis zur auch wirtschaftlichen Unabhängigkeit des ORF. Das dürfte ihm nach bisherigen Positionierungen nicht schwerfallen.

(Harald Fidler, 19.5.2022)