Kulturinstitutionen wie die Wiener Philharmoniker, hier beim Neujahrskonzert, fürchten einen Kahlschlag für die Musikszene, sollten die Sparpläne für Ö1 umgesetzt werden.

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Wien – Die Aufregung um Sparpläne für Ö1 geht weiter. Nach dem offenen Brief der IG Autorinnen Autoren äußerten am Montag prominente österreichische Kulturinstitutionen wie Salzburger Festspiele, Wiener Philharmoniker oder Wien Modern ihre Befürchtung, dass die Sparvorhaben an den Grundfesten von Ö1 und Österreichs Musikszene rütteln könnten. "Es droht ein Kahlschlag mit einem nie dagewesenen Schaden für die heimische Musikszene und der damit verbundenen wirtschaftlichen Wertschöpfungskette, welche Komponist:innen, Verlage, Labels, Festivals, Konzerthäuser, Jazzclubs, Interpret:innen, Ensembles, Orchester, aber auch Universitäten und Konservatorien sowie freischaffende Künstler:innen gleichermaßen betrifft", heißt es in dem offenen Brief und der Petition, die an die ORF-Verantwortlichen, aber auch an die Politik gerichtet ist.

Sparpläne für Ö1

Ö1 ist – wie berichtet – mit Sparvorgaben von rund 900.000 Euro konfrontiert. Zur Disposition stehen Sendungen wie die "Jazznacht", das "Kunstradio", "Passagen", "Kinderuni", "Heimspiel", "Philosophie am Feiertag". Auf der Sparliste soll zudem "Zeit-Ton" für moderne, auch experimentelle Musik im Nachtprogramm von Ö1 stehen. Und im STANDARD-Interview sagte ORF-Radiodirektorin Ingrid Thurnher: "Natürlich hat Ö1 als Info- und Kultursender auch eine Aufgabe als Kulturproduzent. Das ist eine wirkliche Funktion von Ö1, die wir nicht aufgeben dürfen. Aber vielleicht geht nicht mehr alles, was bisher gegangen ist."

In dem offenen Brief schreiben die Kulturinstitutionen: "Insgesamt geht es um mindestens 575 Stunden zeitgenössischen, größtenteils österreichischen Musikschaffens, die aus dem öffentlichen Raum verschwinden sollen. Darüber hinaus wird das heimisch wie international hoch angesehene, vom ORF produzierte Musikprotokoll im Steirischen Herbst als Festivalplattform neuer und experimenteller Musik infrage gestellt."

"Fatale Beschädigung" des Ansehens

Die Annahme des ORF, dass Neue Musik und Jazz programmliche Randzonen und beispielsweise "Zeit-Ton" und die "Jazznacht" angeblich "wenig gehörte Sendungen" seien, entspringe dem "kapitalen Denkfehler, Musik nicht als großes Ganzes zu begreifen und die Hochglanzkultur gegen das originär Schöpferische ausspielen zu wollen. Die Pläne des ORF würden damit einer fatalen Beschädigung des hohen Ansehens und des internationalen Ranges des Musiklandes Österreich gleichkommen."

Einen Sender neu zu denken solle kein Tabu sein, aber: "Fundamentale Inhalte künstlerischen Schaffens hingegen bis zu deren Unauffindbarkeit aus dem öffentlichen Medienraum zu streichen, steht als eklatante Verletzung des im ORF-Gesetz formulierten öffentlich-rechtlichen Kernauftrages im Raum." (red, 3.10.2022)