"Zinsanstieg, Politik, Energiekrise, Baukostenexplosion: Wir kaufen trotzdem!", warb ein Investor auf einem Plakat vor den Messehallen.

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1.887 Aussteller und knapp 40.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen zur Expo Real 2022.

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Viele Investoren warten derzeit auf bessere Zeiten – und damit hängt auch das ganze Immobilienentwicklungsgeschäft einigermaßen in den Seilen. Was schon sehr gut zeigt, für wen heutzutage Immobilien gebaut werden: für die, die dann ihr Geld darin anlegen – jedenfalls zu einem erklecklichen Teil.

"Keiner will der erste sein"

Das kann und soll man kritisieren. Auf der internationalen Immobilienmesse Expo Real in München, die am Donnerstag zu Ende ging, war im Gedränge zwischen Messeständen, Diskussionsforen und Weißwurstpartys aber die Zurückhaltung der institutionellen Investoren das wichtigste Gesprächsthema. Zurückhaltung, oder wie es Jacopo Mingazzini, Vorstand der The Grounds Real Estate Development AG, in einer Podiumsdiskussion formulierte: "Keiner will der Erste sein, der in einem fallenden Markt schon wieder investiert."

Abwarten also, das sei nun einmal wegen der Zinssituation, der Energiepreiskrise und der damit zusammenhängenden starken Inflation und weiterer Unwägbarkeiten wie dem Ukraine-Krieg die "präferierte Strategie der Investoren", meinte auch Michael Ehlmaier, geschäftsführender Gesellschafter von EHL Immobilien. Und das würde nun Entscheidungsprozesse verlangsamen. "Das Motto lautet: Im Zweifel eher etwas abwarten als etwas übers Knie brechen."

Projekte werden verschoben

Das gilt auch für die Entwickler, weshalb sich Projekte verzögern. Wolfgang Heid, CEO der deutschen Fay Projects GmbH, berichtete von einem fertig geplanten und eingereichten, gemischt genutzten Projekt mit 70.000 Quadratmetern vermietbarer Fläche in Berlin-Spandau. Es umfasst 25.000 Quadratmeter an Büros, der Rest sind Handel, Hotel, Wohnen und ein Ärztezentrum. "Die Baugenehmigung erwarten wir noch im vierten Quartal dieses Jahres", es ist zu 40 Prozent vorvermietet, das reine Bauvolumen beträgt ca. 200 Millionen Euro. "Hier ist uns derzeit aber das Risiko zu groß, später keine Käufer dafür zu finden, die einen vernünftigen Preis dafür zu zahlen bereit sind." Also wird es nach hinten geschoben. "Wir suchen deshalb auch noch keine Büromieter, denn sobald wir solche hätten, bräuchten wir auch ein Fertigstellungsdatum für sie. Bei Geschäftslokalen oder einem Hotel ist das Fertigstellungsdatum nicht ganz so wichtig, aber Büromieter wollen natürlich wissen, wann sie fix einziehen können."

Ein Projekt in Leipzig habe man aber sogar mit null Prozent Vorverwertung begonnen, das Bauvolumen ist dort mit rund 40 Millionen deutlich geringer. "Es kommt also einerseits auf das Projektvolumen, andererseits auch auf den Standort an, ob ein Projekt bei uns gestartet werden kann oder nicht."

"Die Zeit der Profis"

Interessanterweise bekommt Heid derzeit von anderen Entwicklern viele Projekte zum Kauf angeboten, "das ist für uns eine neue Entwicklung", wie er sagte. Die Frage sei aber natürlich, welches Risiko man sich mit dem Erwerb eines anderen Projekts ins Haus hereinhole. "In A-Lagen sind die Preise zwar derzeit noch nicht gefallen, aber abseits davon sieht es schlechter aus."

Gefeiert wurde auf der Messe trotzdem viel, was manche Besucherinnen und Besucher auch irritierte. Erstmals seit Corona waren wieder Standpartys erlaubt, es ging durchaus hoch her.

So mancher feierte aber vielleicht auch, dass die Zeit der Glücksritter vorbei scheint. Jetzt sei vielmehr wieder die "Zeit der Profis", sagte Karl-Heinz-Daurer, Österreich-Chef des Entwicklers GBI AG, zum STANDARD. "Jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen." (Martin Putschögl aus München, 8.10.2022)