Es ist die Frage, die alle Gespräche bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington durchzieht: Wie konnte es geschehen, dass nahezu alle Experten und Organisationen die Inflationsentwicklung derart unterschätzt haben? Die Debatte wird vor allem in Bezug auf die USA geführt, wo die Inflation bei 8,2 Prozent liegt – und das ohne eine dramatische Energiekrise. Aber selbst in der Eurozone, wo der Index bei zehn Prozent steht, werden die Preise nicht mehr nur von Energie getrieben.

Die Preise werden nicht mehr nur von Energie getrieben.
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Wer das Unheil einmal nicht hat kommen sehen, ist gut beraten, vorsichtig zu werden, weshalb der IWF nach Risikofaktoren sucht, die die Preise in den kommenden Monaten treiben könnten. Eine Analyse auf Basis der Auswertung dutzender Inflationsepisoden in den vergangenen 60 Jahren kommt zum Ergebnis, dass eine Lohn-Preis-Spirale aktuell unwahrscheinlich ist. Solche Fälle sich selbst anfachender Inflation sind historisch extrem selten und kamen nur dann vor, wenn Löhne indexiert waren, also mit der Teuerung automatisch mitstiegen. Heute gibt es solche Indexierungen kaum noch.

Eine solche Analyse hilft, das Risiko einzuordnen, das von zu stark steigenden Löhnen ausgeht. Es ist gering. Es sind eher hohe Energiekosten, die sich weiter ins System fressen, und zu hohe Staatsausgaben für Konsumhilfen, die uns Sorgen machen müssten. Dennoch ist Wachsamkeit gefragt. Noch eine böse Überraschung sollte vermieden werden. (András Szigetvari, 13.10.2022)