Thomas Schmid war Öbag-Chef und Kurz-Intimus. Jetzt will er Kronzeuge werden und umfassend gegen seine ehemaligen Weggefährten aussagen.

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Wien – Die Aussagen des ehemaligen Öbag-Chefs und Kurz-Vertrauten Thomas Schmid bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) werden am Mittwoch im ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss für einigen Gesprächsstoff sorgen. Schmid belastet Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in mehreren Causen schwer. Einige Vorwürfe betreffen auch den U-Ausschuss-Vorsitzenden, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). Der STANDARD berichtet.

Die Neos haben sich jüngst gegen eine Verlängerung des U-Ausschusses ausgesprochen. Dabei wird es auch bleiben, wie Fraktionsführerin Stephanie Krisper gegenüber dem Ö1-"Morgenjournal" am Mittwoch bestätigte. Wichtig sei nun, dass die Justiz in Ruhe ermitteln könne. "Genau deshalb kämpfen wir seit mehr als drei Jahren dafür, dass die Korruptionsermittler:innen frei arbeiten können", schrieb sie auf Twitter als Reaktion auf die neuen Enthüllungen, konkret, dass auch gegen Immobilienunternehmer René Benko ermittelt wird.

Kurz' Anwalt Werner Suppan wies die Vorwürfe in einer knappen schriftlichen Stellungnahme zurück: "Die von Schmid aufgestellten Behauptungen sind falsch." Schmid hoffe, "indem er alle anderen anpatzt und beschuldigt, den Kronzeugenstatus erwirken zu können", meinte der Anwalt. "Seine Beschuldigungen sind falsch, und das wird auch noch bewiesen werden", glaubt Suppan.

Hafenecker: Schmid stand im "Tresorraum der Republik"

Auch ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker versuchte am Dienstag auf Puls 24 Schadensbegrenzung zu betreiben. Schmids Aussagen seien nicht unter Wahrheitspflicht getroffen worden, sagte Stocker. "Das sind jetzt die Aussagen von Thomas Schmid, aber ob die stimmen oder nicht, wird von der Staatsanwaltschaft zu ermitteln sein", sagte der ÖVP-Generalsekretär. Es werde zusätzliche Beweismittel brauchen, um beurteilen zu können, was wirklich geschehen ist und wer mit seiner Aussage recht hat.

Christian Hafenecker, FPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss, kritisierte noch am Dienstag Schmids Antrag auf Kronzeugenstatus. Kronzeuge könne bei einem Banküberfall womöglich der Fahrer werden, versuchte es Hafenecker im Ö1-"Abendjournal" mit einem Vergleich. "Beim Herrn Thoms Schmid habe ich aber nicht den Eindruck, dass der der Fahrer war, sondern aus meiner Sicht ist der mit im Tresorraum der Republik gestanden", sagte Hafenecker. Sollte Schmid durch "Verhandlungen und Deals mit der Justiz" nun eine Straffminderung erfahren oder gar straffrei ausgehen, könne Hafenecker das moralisch nicht vertreten, es entspräche im Übrigen auch nicht seiner Rechtsauffassung. Er kritisiert auch, dass Schmid den U-Ausschuss eineinhalb Jahr lang an der Nase herumgeführt habe, weil er nie als Auskunftspersonen erschienen ist, während er offenbar gleichzeitig 15-mal bei der WKStA ausgesagt hat.

Wie wird man Kronzeuge?

In der "ZiB 2" am Dienstagabend betonte Robert Kert, Institutsvorstand für Wirtschaftsstrafrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien, erneut: Um den Kronzeugenstatus zu erhalten, müsse die Offenlegung freiwillig erfolgen, und die Informationen müssen neu sein. Zudem reiche ein bloßes Geständnis nicht aus. Schmid müsse "über seinen eigenen Tatbeitrag" hinaus Informationen liefern. Er müsse mehr sagen, als das, was bekannt ist. Insofern sieht der Experte Schmid in einer schlechteren Position als die Meinungsforscherin Sabine Beinschab, da sich diese schon früher zur Causa geäußert hatte.

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"Es ist natürlich schon ein später Zeitpunkt", gab Kert zu bedenken. Aber: In der Praxis habe sich gezeigt, dass die geltende Kronzeugenregelung nicht funktioniert: "Die Leute reden eben erst, wenn's schon knapper ist." Die Frage sei dann einerseits, wie freiwillig das noch ist, und andererseits, wie viel Neues Schmids Aussagen für die Ermittlerinnen zu bieten haben. Es liege nun aber an der Staatsanwaltschaft, die Aussagen zu überprüfen und – auch gegen Schmid – weiter zu ermitteln, was natürlich ein Risiko für den Ex-Öbag-Chef sei. Laut Kert hat es bisher noch keine zwei Kronzeuginnen respektive Kronzeugen in ein und demselben Verfahren gegeben. Das Gesetz schließt einen derartigen Fall aber nicht aus.

Wenn Schmid tatsächlich Kronzeuge werde, dann hätte das das Einstellen seines Verfahrens zur Folge, und Schmid müsste bestimmte Leistungen erbringen, etwa eine freiwillige Geldbuße von einem Jahresgehalt, sagte Strafrechtsexperte Alois Birklbauer im "Morgenjournal". Dass jemand Schmids Kronzeugenstatus noch verhindere, sei nicht möglich. "Jedoch obliegt die Kronzeugenabmachung noch letztlich der Überprüfung durch den Rechtschutzbeauftragten", so Birklbauer. Wenn sich Schmid nicht an die Abmachungen halte – indem er bei einer potenziellen Verhandlung nicht gemäß Vereinbarung aussagt –, könnte aber die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen ihn fortsetzen.

DER STANDARD

Filzmaier: "Da geht es um das absolute Spitzenpersonal"

"Wie immer die Sache rechtlich ausgeht: Politisch hat man in der ÖVP ein weiteres großes Problem", sagte der Politikwissenschafter Peter Filzmaier in der "ZiB 2" am Dienstagabend. Es gehe in der Causa immerhin um einen Ex-Bundeskanzler, einen Ex-Bundesparteichef, einen Ex-Finanzminister, einen Ex-Wien-Parteichef. "Das waren nicht zwei Typen, die in der ÖVP-Parteizentral die Flure gereinigt haben. Da geht es um das absolute Spitzenpersonal", so Filzmaier.

Durch die großen Krisen wie Teuerung und Ukraine-Krieg seien die Korruptionsverfahren um die ÖVP vorübergehend in den Hintergrund getreten – nicht zuletzt auch durch die zahlreichen Verästelungen und Verzweigungen. Jetzt aber spitze sich die Frage ganz klar darauf zu, ob Sebastian Kurz die Beinschab-Umfragen direkt angeordnet oder zumindest gutgeheißen hat. Und auch die jetzige ÖVP-Spitze könne sich wohl nicht so leicht von den Vorgängen distanzieren: Kanzler Karl Nehammer war unter ÖVP-Chef Kurz von 2018 bis 2020 immerhin Generalsekretär der Volkspartei und wurde unter ihm Innenminister.

Filzmaier befindet die Vorgänge auch als demokratiepolitisch äußerst schädigend. "Postenschacher, fragwürdige Auftragsvergaben und so weiter gehören fast zur politischen Folklore in Österreich", beschreibt er die Stimmung im Land. Die Rechnung habe man zuletzt bei der Bundespräsidentschaftswahl gezahlt, wo 85 Prozent der Befragten gesagt hätten, dass sie enttäuscht von oder verärgert über die Politik seien.

Keine Stellungnahmen

Eigentlich hätte es beim ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss am Mittwoch neuerlich um Corona-Förderungen gehen sollen. Geladen sind nämlich zwei Mitarbeiter der Austria Wirtschaftsservice GmbH (aws), die mit der Abwicklung der NPO-Förderungen, also jener Gelder, die an gemeinnützige Organisationen ausbezahlt wurden, betraut ist. Für die Ladung verantwortlich zeichnet die ÖVP. Das Interesse der Abgeordneten für die Geladenen dürfte angesichts der aktuellen Ereignisse jedoch enden wollend sein.

Weder von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka noch von der Signa-Holding gab es bis dato eine Stellungnahme zu den Vorwürfen. Die FPÖ will zudem eine Verlängerung des Untersuchungsausschusses. (APA, awie, lew, 18.10.2022)