"Die Skination Österreich steht vor einem radikalen Umbruch", schreiben die beiden Wifo-Experten Anna Burton und Oliver Fritz in ihrem Gastkommentar. Der Massentourismus habe ein Ablaufdatum.

Der Klimawandel wird den alpinen Wintertourismus in Österreich auf lange Sicht völlig verändern. Ein Ende des winterlichen Massentourismus in den Skigebieten ist absehbar und wird zu erheblichen volkswirtschaftlichen Einbußen führen. Deutlich mehr als die Hälfte der touristischen Umsätze wird in der Wintersaison erwirtschaftet, Österreich ist auch aufgrund eines qualitativ hochwertigen Angebots eines der führenden Skiurlaubsländer, nur in den USA werden mehr Skitage gezählt als hierzulande. Mindestens ein Drittel der vor der Covid-19-Pandemie erwirtschafteten jährlichen touristischen Wertschöpfung von rund 30 Milliarden Euro ist aber laut Wifo-Berechnungen gefährdet, wenn der Klimawandel ungebremst voranschreitet.

Vielerorts müssen Schneekanonen dafür sorgen, dass der Skispaß möglich ist. Aber wie lange geht das noch?
Foto: Imago Images / Michael Kristen

In zahlreichen Forschungsarbeiten der letzten Jahrzehnte sind die Auswirkungen steigender Temperaturen auf die Schneesicherheit in den Alpen untersucht worden. Die Prognosen von Robert Steiger an der Universität Innsbruck und anderen Forschenden sind eindeutig. Selbst wenn die Kapazitäten für die Erzeugung von Kunstschnee weiter ausgebaut werden, so wird gegen Ende dieses Jahrhunderts in einem (immer wahrscheinlicheren) "Business as usual"-Klimaschutzszenario die Zahl der Skigebiete, in denen man Winter für Winter weiße Pisten runterwedeln kann, um zwei Drittel zurückgehen.

Noch dramatischer verläuft die Entwicklung in den bei den Gästen sehr beliebten Weihnachtsferien – zu der Zeit werden in Zukunft in kaum 15 Prozent der bestehenden österreichischen Skigebiete ausreichend gute Bedingungen vorzufinden sein.

Spuren hinterlassen

Schon jetzt hinterlässt der fortschreitende Klimawandel seine Spuren: Viele kleinere, niedrig gelegene Skigebiete an den Alpenrändern haben längst aufgegeben. Konnten Kinder in Ostösterreich früher ihre ersten Versuche mit den langen Latten im Garten oder auf nahe gelegenen Hügeln absolvieren, so ist jetzt eine längere Fahrt in die weiter entfernt liegenden Berge notwendig. Das kostet Zeit und vor allem Geld, das immer weniger Familien fürs Skifahren auszugeben gewillt sind. Auch Schulskikurse werden seltener organisiert, und somit dünnt der skiaffine Nachwuchs (im eigenen Land wie auch in den wichtigsten Herkunftsmärkten) aus.

Die Konsequenzen des Klimawandels für den Tourismus werden zudem selten aus einer ganzheitlichen Sicht betrachtet. Ein ungezügelter Klimawandel wird die moderne Gesellschaft grundlegend verändern: Massive Wohlstandsverluste und Migrationsströme ungekannten Ausmaßes werden zu weitreichenden gesellschaftlichen und politischen Verwerfungen führen. Der Tourismus, wie wir ihn heute kennen, wird dann der Vergangenheit angehören, wenn wir die Anstrengungen, das Klima zu schützen, nicht erheblich steigern – in Österreich und weltweit. Auch die demografische Entwicklung – eine alternde Bevölkerung, mehr Menschen mit Migrationshintergrund und damit weniger Bezug zum Nationalsport Skilauf – könnte die Nachfrage nach Skitourismus schrumpfen lassen.

"Auch wenn die Bemühungen um Klimaschutz verstärkt werden, wird sich die Tourismuswirtschaft an wärmere Klimabedingungen anpassen müssen."

Das Bewusstsein für diese Veränderungen hat, mit Verspätung, auch die österreichische Tourismusbranche erreicht. Wurden früher oftmals dubiose Klimaforscherinnen und -forscher aus dem Hut gezaubert, die den Stand des Wissens der etablierten Klimaforschung öffentlich anzweifelten und behaupten durften, dass es in Skigebiet XY sogar kälter werden würde, so wissen nun die meisten in der Branche, was Sache ist – und immer mehr Destinationen wie etwa Zell am See / Kaprun versuchen, ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Diese Initiativen sind zu begrüßen, mehr als notwendig und müssen auf alle Destinationen ausgeweitet werden. Vor allem beim Verkehr besteht wesentlicher Veränderungsbedarf: Die An- und Abreise der Gäste sowie die Mobilität am Urlaubsort sind für mehr als 90 Prozent des CO2-Fußabdruck des österreichischen Tourismus verantwortlich.

Auch wenn die Bemühungen um Klimaschutz verstärkt werden, wird sich die Tourismuswirtschaft an wärmere Klimabedingungen anpassen müssen. Neben Maßnahmen wie der Ausweitung der Beschneiungskapazitäten sind vor allem langfristig nachhaltige Lösungen gefragt.

Kunst, Kultur und Kulinarik

Verlängerte Nebensaisonen bieten Chancen für schneeunabhängige Aktivitäten: Statt schon im November die Skier auszupacken, wird Mountainbiking und Wandern auch im Spätherbst beziehungsweise Frühwinter möglich sein und Teil der notwendigen Umstellung in Richtung touristischer Ganzjahreskonzepte werden. Eine (verlängerte) Sommersaison wird an Bedeutung gewinnen, ist doch zu erwarten, dass aufgrund immer häufigerer Hitzewellen im Süden Europas mehr und mehr Menschen die kühleren Bergregionen Strand und Meer vorziehen. Familienwanderwege, Erlebnisspielplätze und Naturparks kommen diesem Trend entgegen und erhöhen die touristische Wettbewerbsfähigkeit ebenso wie ein verstärkter Fokus auf Kunst, Kultur und Kulinarik.

Alle Anbieter touristischer Leistungen sind gefordert, Anreize für nachhaltigeres Urlaubsverhalten zu schaffen. Umfragen belegen, dass Gäste verstärkt auf nachhaltige Angebote Wert legen, gleichzeitig aber nicht auf den gewohnten Komfort verzichten wollen. Neue Modelle sind gefragt: So könnten Hotelbetreiberinnen und Hotelbetreiber ihren Gästen vergünstigte Unterkünfte anbieten, wenn der Nachweis einer Anreise mit Bahn oder Bus erbracht wird. Voraussetzung für einen klimaneutralen Tourismus ist auch der Ausbau von Infrastrukturen im Bereich des öffentlichen Verkehrs, des E-Car-Sharings, der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge.

Die Skination Österreich steht vor einem radikalen Umbruch, alles bleibt anders, der Massentourismus in den Bergen hat ein Ablaufdatum. Dieser unbequemen Wahrheit müssen wir uns endlich stellen. (Anna Burton, Oliver Fritz, 10.12.2022)