Der Teilchenphysiker Christof Gattringer ist Präsident des Wissenschaftsfonds FWF.
Foto: FWF/Daniel Novotny

Als wichtigster Fördergeber für die Grundlagenforschung in Österreich ist der Wissenschaftsfonds FWF ebenfalls von der Teuerung betroffen. Der Präsident des Fonds, Christof Gattringer, hat sich für eine rasche Lösung eingesetzt – und kämpft nun um zusätzliches Geld, um die Lücke zu schließen. Schon jetzt gibt es einen Überhang an exzellenten Forschungsvorhaben, die nicht alle gefördert werden können.

STANDARD: Die Universitäten geraten durch die Teuerung aktuell stark unter Druck. Welche Auswirkungen gibt es für die Forschung?

Gattringer: Für jene Wissenschaftsdisziplinen, für die der Betrieb von Labors oder Supercomputern erforderlich ist, wird nun alles signifikant teurer. Doch auch darüber hinaus strahlt die Teuerung auf alle Disziplinen aus, weil die Lohnkosten deutlich stärker ansteigen als geplant. Der FWF hat im November den Grundsatzbeschluss gefasst, dass wir die Kosten für alle Lohnsteigerungen von den 4500 Personen, die in FWF-Projekten beschäftigt sind, übernehmen werden.

STANDARD: Zu diesem Kostenersatz ist der FWF nicht gesetzlich verpflichtet. Warum haben Sie sich so entschieden, und woher kommt das Geld?

Gattringer: Es geht um 15 bis 20 Millionen Euro im Jahr 2023. Wir sind dazu noch mit dem Wissenschaftsministerium in Gesprächen. Klar ist, dass wir signifikant einsparen müssen und wir beispielsweise das "1000 Ideen"-Programm für nächstes Jahr aussetzen. Es wird auch kleinere Einsparungen geben, die Bewilligungsquote wird etwas zurückgehen. Ein wichtiger Faktor bei dieser Entscheidung für den Lohnkostenersatz war die Tatsache, dass über zwei Drittel der Personen, die in FWF-Projekten angestellt sind, 35 Jahre oder jünger sind. Wir wollen nicht, dass Dissertationen oder Postdoc-Arbeiten abgebrochen werden müssen, weil das Geld ausgeht. Es geht hier um die wissenschaftliche Zukunft, und wir wollen nicht, dass junge Kolleginnen und Kollegen ausgebremst werden.

STANDARD: Ein erfreuliches Ereignis für den Wissenschaftsstandort war die Verleihung des Physiknobelpreises an Anton Zeilinger. Erstmals seit Jahrzehnten ist der Preis in einer wissenschaftlichen Kategorie nach Österreich gegangen. Zeilinger hat immer wieder betont, dass in seiner Karriere entscheidend war, dass er sich ergebnisoffenen "Spinnereien" widmen konnte. Finden junge Forschende dafür noch die entsprechenden Bedingungen vor?

Gattringer: Das ist das Credo des FWF, dass wir themenoffen fördern. Unser Kriterium ist einzig die Exzellenz. Die Idee muss brillant und innovativ sein, wir schielen aber nicht auf mögliche Anwendungen. Im Fall von Anton Zeilinger haben wir uns das konkret angesehen: In der wissenschaftlichen Begründung des Nobelkomitees werden zehn Originalarbeiten von Zeilinger genannt. Bei neun dieser Arbeiten wird dem FWF für Projektförderung gedankt. Bei Anton Zeilinger ist es also wirklich gelungen, eine Perle zu fördern. Wir versuchen natürlich auch jetzt, innovative Ideen zu fördern, wo man noch nicht weiß, was dabei herauskommen wird.

STANDARD: Die Bewilligungsquote bei Projektanträgen geht stetig zurück. Immer mehr Wissenschafterinnen und Wissenschafter wenden also Monate dafür auf, Anträge für Projekte zu schreiben, die sie letztlich nie umsetzen. Wie ließe sich diese Ressourcenvergeudung eindämmen?

Gattringer: Wir beobachten natürlich genau, wie sich unsere Bewilligungsquote entwickelt, und da sieht man deutlich, dass die Anzahl der Anträge viel stärker wächst als das Geld, das dafür zur Verfügung steht. 2021 waren wir bei der Bewilligungsquote knapp unter 22 Prozent, für 2022 erstellen wir aktuell die Statistik. Ich bin der Meinung, dass es nicht mehr wesentlich weniger werden darf. Wir haben auch einen Überhang an exzellent bewerteten Projekten, die wir nicht fördern können – das würde zusätzlich 60 bis 80 Millionen Euro pro Jahr kosten. Im Schnitt müssen Forschende also fünf Anträge schreiben, um einen durchzubekommen. Wir versuchen jedenfalls, die Antragsunterlagen möglichst schlank zu halten.

STANDARD: In Österreich gibt es seit Jahren ein Problem mit Wissenschaftsskepsis – wie die Eurobarometer-Umfragen wiederholt gezeigt haben, ist die Skepsis hierzulande stärker ausgeprägt als in anderen Ländern. Wie lässt sich dem begegnen?

Gattringer: Das ist ein sehr wichtiges Thema. Das Desinteresse an Wissenschaft dürfte noch stärker ausgeprägt sein als die Skepsis. Natürlich muss sich auch der FWF als größter Förderer von Grundlagenforschung damit auseinandersetzen. Bei den Exzellenzclustern, die im März vorgestellt werden, wollen wir das offensiver angehen: Wir werden diesen Konsortien auch Ressourcen für Kommunikation zur Verfügung stellen.

STANDARD: Welche Rolle nimmt dabei Ihrer Meinung nach der Wissenschaftsjournalismus ein? Im Entwurf zum Medienförderungsgesetz wurden etliche förderwürdige Bereiche genannt, Wissenschaft ist nicht darunter. Wie stehen Sie dazu?

Gattringer: Das gehört dringend repariert. Der FWF tritt dafür ein, dass guter Wissenschaftsjournalismus und eine entsprechende redaktionelle Ausstattung als Voraussetzung für Medienförderung definiert werden. (Tanja Traxler, 1.2.2023)