Podcasts, Erklärvideos, Instagram-Stories: Health Influencer verpacken digital wissenschaftliche Gesundheitsinformationen
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Hatice Koca, blauer OP-Kittel und Sport-Hidschab, deutet Atemnot an, Übelkeit und Erbrechen. Die studierte Krankenpflegerin erklärt in einem Tiktok-Video die Symptome eines Herzinfarkts bei Frauen. Über 160.000 Menschen verfolgen auf Tiktok Kocas Erste-Hilfe-Tipps, Einblicke in Nachtschichten oder Konter gegen Vorurteile, mit denen sie als Pflegerin konfrontiert ist. Nebenbei wirbt sie für Hautcreme.

Hatice Koca ist damit nicht allein. Auf Instagram erklären etwa Gesundheitsinfluencer und Ärztinnen, was gegen das Reizdarmsyndrom hilft oder von welchen Präparaten man die Finger lassen sollte. Doch nicht alle von ihnen nehmen es ganz genau. Spätestens seit der Corona-Pandemie ist bekannt, dass auf den Plattformen etliche Falschinformationen verbreitet werden und sich dort Möchtegernmediziner tummeln.

Dennoch: Wer einen hartnäckigen Husten oder einen Knubbel in der Brust hat, der oder die googelt häufig die Symptome oder sucht Betroffenenberichte auf Social Media. Auf diese Entwicklung reagiert die Fachhochschule Burgenland. Sie kündigte an, ab Herbst sogenannte Health-Influencer auszubilden. Die sollen später Ähnliches machen wie jetzt schon Hatice Koca.

Spezialisierung im Studium

"Die Studierenden lernen, Gesundheitsinfos evidenzbasiert und wissenschaftlich verantwortungsvoll aufzubereiten – nicht nur für Seminararbeiten, sondern auch für Podcasts und Erklärvideos. Wir erfinden das Rad nicht neu, wir nutzen neue Kanäle", sagt Studiengangsleiter Erwin Gollner. Zudem lernen sie, Gesundheitskampagnen, etwa zum Impfen, für Instagram, Tiktok und Youtube umzusetzen. Viele brächten zwar das Handwerk für eine gute Insta-Story mit, doch ein medizinisches Erklärvideo müsse laut Gollner seriöseren Kriterien entsprechen.

Für ein ganzes Studium reicht der Inhalt allerdings nicht. Konkret wird der seit 2002 bestehende Bachelor "Gesundheitsmanagement und -förderung" um das Wahlpflichtmodul "Health Content Creation" erweitert. Vier ECTS-Punkte umfasst die Vertiefung. Der Name des Studiums wurde nicht geändert. Die Lehrveranstaltungen wurden laut Gollner "marginal" adaptiert, weshalb die Änderung nicht bei der AQ Austria, die seit 2012 für die Akkreditierung von Studiengängen zuständig ist, eingereicht wurde. Ab Herbst ist das Studium zudem "berufsermöglichend". Die Kurse im Vollzeitumfang finden geblockt von Montag bis Mittwoch statt, viele davon online.

Schon gehört?

Man habe laut Gollner lange überlegt, ob man die Absolvierenden als Health-Influencer bezeichnen sollte – immerhin will man sich von unseriösen Influencern abgrenzen. "Wir sehen das nicht als Marketing-Gag, sondern nehmen das ernst. Health-Content-Creating ist halt ein sperriger, fachlicher Name", betont der Studiengangsleiter. Die Werdegänge der Absolvierenden der letzten fünf Jahre zeigten, dass viele im Health-Content-Creating arbeiten.

Neue Namen

Solch eine Spezialisierung "ergibt für mich in dem Studium Sinn", sagt Jürgen Petersen, Geschäftsführer der AQ Austria. Ein Änderungsantrag liege ihm noch nicht vor. Nur bei wesentlichen Änderungen des Lehrplans müssen FHs bei der Agentur einen Antrag stellen. Bei einem neuen Modul ist das laut Petersen nicht unbedingt nötig. Allerdings: "Bei der Umstellung auf ein berufsermöglichendes System erwarten wir uns einen Antrag. Der sollte dann auch die Änderung der Vertiefung umfassen."

Ob solche Anpassungen an gesellschaftliche und mediale Entwicklungen in den Curricula zunehmen, kann der AQ-Austria-Geschäftsführer nicht beantworten. Er begrüßt es, wenn Hochschulen die Studiengänge weiterentwickeln. Was jedoch zunehme, seien Namensänderungen von Studiengängen, beobachtet Petersen. Er sieht zwei Gründe dafür: Erstens lehren die FHs arbeitsmarktorientiert und bilden das in zeitgemäßen Inhalten und Bezeichnungen ab. Zweitens müssten sie ihre Studienplätze füllen – nach denen sich auch ihr Budget bemisst – und moderne Schlagworte erhöhten da die Attraktivität.

Das merkt auch Studiengangsleiter Gollner: Seit über den neuen Schwerpunkt berichtet wurde, hätten sich deutlich mehr für den Bachelor beworben als zuletzt. Zahlen gibt es erst Ende März. Bis dahin läuft die Anmeldung. (Selina Thaler, 7. 3. 2023)