Die SPÖ hat ihre Krisensitzungen erstaunlich gut überstanden. Letztendlich war es eine konstruktive Auseinandersetzung mit einem konkreten Ergebnis. Es gibt einen Silberstreifen am Horizont der SPÖ.

Die Partei hat sich auf eine Mitgliederbefragung und einen anschließenden Sonderparteitag geeinigt, damit können beide Seiten gut leben. Jetzt gilt es, diesen Prozess nicht entgleisen zu lassen.

Es ist allerhöchste Zeit, dass sich die SPÖ wieder den Themen und nicht der internen Nabelschau widmet. Ein massiver Rechtsruck ist im Gang, und wenn die SPÖ dem etwas entgegensetzen will, muss sie zu sich finden. Sie muss sich neu aufstellen, selbst dann, wenn Pamela Rendi-Wagner als Siegerin aus diesem Prozess hervorgehen sollte.

Die Krisensitzung ist einmal überstanden, das Problem aber längst nicht vom Tisch: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil.
Foto: Heribert Corn

Der interne Wahlkampf, den die beiden Widersacher jetzt aufsetzen müssen, birgt Gefahren, in erster Linie aber Chancen. Die Kontrahenten bekommen die Möglichkeit, sich zu präsentieren – nicht nur der Partei. Sie können ein Team vorstellen, mit dem sie Politik gestalten wollen, sie müssen Inhalte liefern und ihre Position erklären. Zuletzt war der Kurs der Partei so zögerlich und unbestimmt, dass man kaum noch nachvollziehen konnte, wofür die Partei steht und was sie will.

Jetzt bestünde die Gelegenheit, der Öffentlichkeit einen spannenden Diskurs zu bieten, in Nuancen kontroversiell, einen Wettbewerb der Ideen und Positionen, offen und modern. Die SPÖ käme wieder mit Inhalten und Lösungsvorschlägen an die Öffentlichkeit.

Das bietet erst einmal einen Vorteil für den Herausforderer. Hans Peter Doskozil will etwas verändern, auch in der Partei. Dieser Wille ist greifbar, ob das Veränderungsbedürfnis bei einer Mehrheit der Parteimitglieder auch so ausgeprägt ist, wird die Befragung zeigen.

Gewagte Ansage

Doskozil gilt als der Rechtsausleger in der Partei, thematisch ist er breit aufgestellt, vieles legt er pragmatisch an. Manches mutet sozialistisch an, in Migrations- und Asylfragen vertritt er zumindest verbal einen restriktiven Kurs. Seine Stärke: Er spricht die Dinge an, nicht bloß drumherum.

Doskozil kann der FPÖ unter Herbert Kickl mehr entgegensetzen, als es Rendi-Wagner könnte, auch weil er ein Populist ist. Er kann sich verständlich machen und glaubhaft eine Position vertreten, die auch viele in der SPÖ vertreten, die aber auch potenzielle FPÖ-Wähler anspricht: Grenzen zu, illegale Migration stoppen. Das ist allerdings weder neu noch ein Widerspruch zu Rendi-Wagner. Aber Doskozil weiß, wie er sich trotz Stimmproblemen Gehör verschafft.

Die SPÖ, aber auch Vertreter der anderen Parteien wüssten bei Doskozil eher, woran sie sind und was sie bekommen. Der burgenländische Landeshauptmann schließt eine Koalition mit der FPÖ unter Kickl aus, will aber auch keine Koalition mit der ÖVP. Das unterscheidet ihn tatsächlich von Rendi-Wagner, die als Anhängerin von Rot-Schwarz gilt. Doskozil strebt eine Koalition von SPÖ, Grünen und Neos an. Das ist in vielerlei Hinsicht gewagt, aber eine Ansage.

Auch Rendi-Wagner könnte die kommende Auseinandersetzung nutzen, um zu mehr Klarheit und nachvollziehbaren Positionen zu finden. Das täte ihr gut, das sollte der Partei guttun. Wenn die SPÖ jetzt nicht ins kleinliche Hickhack abgleitet, kann sie von dieser internen Wahl nur profitieren. Dann kann sie ernsthaft und glaubhaft den Anspruch auf die Kanzlerschaft stellen. (Michael Völker, 16.3.2023)