Die Promotiontour von Karl Nehammer für den Verbrennermotor ist rückwärtsgewandt. Es ist eine politische Entscheidung, die sich weder aus ökonomischer noch aus ökologischer Sicht rechtfertigen lässt. Der Kanzler ist auf dem Holzweg. Österreich gewinnt damit gar nichts. Es kann aber viel verlieren.

Das Thema der Zukunft ist die Elektromobilität. Wäre Nehammer gut beraten, würde er alle Kraft und Kapazität darauf lenken. Österreich könnte sich in der Forschung und in der Produktion spezialisieren, könnte eine Vorreiterrolle einnehmen, was Innovationen und die breite Anwendung betrifft. Es gibt eine starke Automobilindustrie mit vielen Arbeitsplätzen. Die zu halten oder sogar auszubauen wird nicht gelingen, wenn wir aus nostalgischen oder opportunistischen Gründen dem Verbrenner nachhängen und dabei die aktuelle Entwicklung verschlafen.

Setzt weiter auf den Verbrennungsmotor: Kanzler Karl Nehammer (ÖVP).
Foto: Heribert Corn

Auch die großen Hersteller, die eng mit Österreich verbunden sind, wie etwa BMW, stellen ihre Produktion auf elektrische Fahrzeuge um. Die werden sich über unseren Kanzler eher wundern. Eigentlich müssten alle Hersteller und Zulieferer darin unterstützt werden, noch innovativere Lösungen zu finden, wie Elektromobilität leistbar und praxistauglich gemacht werden kann. Da stehen wir am Anfang einer Entwicklung.

Nischenthema E-Fuels

Das Thema E-Fuels, dem sich Nehammer mit Hingabe widmet, ist ein Nischenthema. Als solches hat es seine Berechtigung, in der Breite der individuellen Fortbewegung wird es keine Rolle spielen. Es geht um synthetischen Kraftstoff, der herkömmlichen Sprit ersetzen könnte: Dieser E-Sprit wird mit Strom aus Wasser und Kohlenstoffdioxid hergestellt. Im besten Fall, wenn dafür Strom aus erneuerbarer Energie herangezogen wird, ist das ein klimaneutraler Prozess. In jedem Fall ist der Vorgang nicht sehr effizient, dafür aber teuer. Im schlechteren Fall ist das sowieso eine Katastrophe: Bei größeren Anteilen fossilen Stroms übersteigen die Emissionen von E-Fuels diejenigen von fossilen Brennstoffen bei weitem. Der Prozess ist weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll. Es ist ein totes Pferd, das Nehammer hier reitet.

Man kann schon Sympathien für den Verbrenner haben. Viele Menschen in Österreich tun sich noch schwer mit der Vorstellung von Elektromobilität. Sie bräuchten einen Kanzler, der ihnen das Thema nahe-, sie nicht davon abbringt. Gerade auch als Politiker braucht es einen realistischen Blick auf die Entwicklung: Die EU strebt einen hundertprozentigen Umstieg auf Elektromobilität im Individualverkehr an. Die Industrie stellt sich darauf schon ein, die Argumente sind logisch und zwingend.

Jetzt könnte man auch Visionen entwickeln: Wie kann sich Österreich maximal einbringen, der Industrie und den Unternehmen helfen, aber auch den Menschen: Wie kommen wir zu einem breiten Angebot an leistbaren Fahrzeugen mit sinnvoller Reichweite, wie können wir das Angebot an leistungsstarken und schnellen Ladestationen ausbauen?

Österreich könnte eine Vorreiterrolle einnehmen. Stattdessen suggeriert uns der Kanzler, wir könnten uns dieser Entwicklung entziehen und mit einer rückwärtsgewandten Strategie reüssieren.

Nein, das können wir nicht. Wir sind dabei, mit dieser politischen Engstirnigkeit Chancen auf eine bessere und zukunftstaugliche Mobilität zu vergeben, anstatt davon zu profitieren. (Michael Völker, 19.4.2023)