Masood Ahmed, Präsident des Thinktanks CGD – Zentrum für Globale Entwicklung, schreibt in seinem Gastkommentar über die großen Probleme afrikanischer Staaten, Auslandsschulden zu bedienen – und welche Auswirkungen das hat.

Im Jahr 2017 hat der Internationale Währungsfonds (IWF) 15 afrikanische Staaten südlich der Sahara als überschuldet oder stark überschuldungsgefährdet eingeschätzt. Diese Krise hat sich seitdem durch die Covid-19-Pandemie, die dramatischen Preiserhöhungen für Nahrungsmittel und Brennstoffe sowie den steigenden US-Dollar noch verschärft. Aber obwohl jetzt 23 Länder in der Region unter übermäßiger Verschuldung leiden, sind nur sehr wenige tatsächlich bankrottgegangen. Lediglich zwei Staaten – Ghana und Sambia – haben ihre Auslandsschulden nicht mehr bedient, und drei weitere haben versucht, ihre Zahlungsverpflichtungen umzustrukturieren (Tschad, Äthiopien und Malawi).

Warum hat die prognostizierte Pleitewelle nicht stattgefunden? Wurden die Risiken falsch eingeschätzt? Haben diese Länder und ihre Gläubiger einen Weg gefunden, die übermäßige Verschuldung abzubauen? Können wir – als Befürworter der wirtschaftlichen Entwicklung in Afrika – nun feiern oder uns wenigstens etwas entspannen?

Im Gegenteil, es gibt gute Gründe zur Besorgnis: Die G20-Staaten haben zwar einen vorübergehenden Schuldenerlass beschlossen, und der Internationale Währungsfonds hat Sonderziehungsrechte (seine Reservewährung) in Höhe von 650 Milliarden US-Dollar ausgegeben, um zusätzliche Liquidität zu schaffen. Aber trotzdem mussten die afrikanischen Regierungen ihre – bereits vorher knappen – Ausgaben für Gesundheit, Ausbildung und öffentliche Investitionen weiter kürzen, um ihre ausländischen Gläubiger zu bedienen. Um eine Überschuldung zu vermeiden, verschulden sich die afrikanischen Finanzminister stattdessen bei ihren zukünftigen Generationen.

Ziegen, Menschen, Dürre in Kenia
Die Kosten für den Schuldendienst sind in manchen Ländern stark gestiegen, in Kenia etwa.
Foto: Alicia Prager

In Kenia haben sich die Kosten für den Schuldendienst in den letzten sechs Jahren verdreifacht und machen inzwischen fast 60 Prozent der staatlichen Einnahmen aus. Im gleichen Zeitraum wurden die Entwicklungsausgaben – darunter auch jene für Ausbildung und Gesundheit – halbiert, und einige Ministerien sind mit ihren Zahlungen im Rückstand. Wie der leitende Wirtschaftsberater des kenianischen Präsidenten twitterte: "Gehälter oder Staatspleite? Suchen Sie es sich aus."

In Sierra Leone, einem der ärmsten Länder der Welt, sollen die realen (inflationsbereinigten) öffentlichen Ausgaben pro Person in diesem Jahr um 20 Prozent niedriger liegen als 2015. Andererseits haben sich die Zahlungen für den Schuldendienst im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt. Und Sambia hat in den vier Jahren vor seiner Staatspleite die öffentlichen Ausgaben um 20 Prozent reduziert.

"Für den Bankrott ihres Staates zahlen auch die Menschen einen hohen Preis."

Dies sind keine Einzelfälle: 20 Länder mit geringem oder mittlerem Einkommen geben aktuell mehr als ein Viertel ihrer Staatseinnahmen für den Schuldendienst aus, und diese Kosten werden nächstes Jahr, wenn viele der von afrikanischen Ländern emittierten Eurobonds fällig werden, noch weiter steigen. Auch für ihre Inlandsschulden, die zur Finanzierung des Kampfs gegen Covid-19 beigetragen haben, geben die meisten dieser Länder erhebliche Summen aus. Und sie alle investieren zu wenig in Gesundheit und Ausbildung – wichtige Bausteine, um ihren jungen Menschen eine bessere Zukunft zu geben.

Wenn sie vor der Wahl stehen, Auslandsschulden zu bedienen oder dringend benötigte Sozialprogramme zu finanzieren, entscheiden sich die Politiker fast immer für die Auszahlung ihrer Gläubiger. Immerhin hat eine Staatspleite schwere und langfristige Folgen: Ein Land, das seine Schulden bei internationalen Gläubigern nicht zurückzahlen kann, verliert für fünf Jahre die Möglichkeit, auf den Kapitalmärkten Kredite aufzunehmen. Darüber hinaus kann es – aufgrund von Problemen mit dem Gemeinsamen Entschuldungsrahmen der G20 – viele Monate dauern, bis internationale Institutionen wie der IWF einer bankrotten Volkswirtschaft mit niedrigem Einkommen Erleichterungen oder Unterstützung gewähren.

Für den Bankrott ihres Staates zahlen auch die Menschen einen hohen Preis: Laut einer Studie der Weltbank geht direkt nach einer Staatspleite die Armutsrate um 30 Prozent nach oben und bleibt ein Jahrzehnt lang auf erhöhtem Niveau. Die Kindersterblichkeit steigt um 13 Prozent, und die überlebenden Kinder haben eine geringere Lebenserwartung.

Extremer fiskaler Druck

Zieht eine Regierung einen Bankrott in Erwägung, muss sie auch massive politische Folgen fürchten: Finanzminister werden im Jahr nach der Pleite mit 33 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit abgesetzt, da ein Staatsbankrott von anderen Politikern und der Öffentlichkeit allgemein als Zeichen des Scheiterns betrachtet wird. Außerdem verfügen die internationalen Foren, die hinter den Umschuldungen stehen, über subtile und weniger subtile Methoden, um die Regierungen an ihre Verantwortungslosigkeit zu erinnern. Kein Wunder, dass bedrängte Finanzminister einen Bankrott bis weit über den Punkt hinauszögern, an dem ihr Land von einer vorsorglichen Umstrukturierung seiner Auslandsschulden profitieren würde.

Angesichts dieser Nachteile wird offensichtlich, warum nur so wenige Länder bankrottgegangen sind, obwohl sie unter extremem fiskalem Druck standen. Aber dies berücksichtigt nicht den langfristigen Preis, den Afrika und die Welt für eine Generation schlecht ausgebildeter und weniger gesunder Kinder – die zukünftigen afrikanischen Arbeitskräfte – zahlen müssen. Das grundlegende Problem ist, dass viele dieser Länder erschwingliche und zuverlässige Finanzquellen benötigen, um ihre wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsprogramme beizubehalten. Aber die internationalen Finanzinstitutionen und die OECD-Länder, die traditionell günstige Finanzierungen anbieten, haben sich im letzten Jahrzehnt zurückgezogen und wurden durch teurere kommerzielle und bilaterale Kreditgeber ersetzt.

Sicherlich muss die internationale Gemeinschaft alles in ihrer Macht Stehende tun, um den Umstrukturierungsprozess für Staatsschulden zu verbessern und zu vereinfachen. Aber die wirkliche Lösung kann nur darin bestehen, verschuldeten afrikanischen Ländern Mittel zur Verfügung zu stellen, die sie in Gesundheit, Ausbildung und wichtige Infrastruktur investieren können. Wenn sie dann ihre Gläubiger weiter bedienen müssen, findet dies zumindest nicht auf Kosten von Afrikas Zukunft statt. (Masood Ahmed, Mitarbeit: Bernat Camps Adrogue, Übersetzung: Harald Eckhoff, Copyright: Project Syndicate, 23.6.2023)