Christoph Marx blickt angespannt ins Feuer und wendet Kräuterseitlinge. Der 33-jährige Steirer schwitzt. Kein Wunder, er grillt an einer sogenannten Feuerplatte – einer runden Stahlplatte, in deren Mitte ein Holzfeuer lodert. "Weiter außen, weiter außen", ruft Marx' Kollege Lukas Garber, ein Mann mit Strohhut. Marx schiebt die Kräuterseitlinge eilig vom Feuer weg, damit die Pilze auch preiswürdig geraten. Im Brotberuf saniert Marx Schwimmbecken, Garber ist im Tunnelbau tätig. An diesem Samstag kämpfen Marx und Garber aber in einem sechsköpfigen Team um die Staatsmeisterschaft im Grillen.

Am vergangenen Wochenende wurde zum 25. Mal um die österreichische Meisterschaft gegrillt, vor der Mehrzweckhalle im steirischen Kaindorf, in der Nähe von Hartberg. Bei der Grillstaatsmeisterschaft müssen vier Gänge zubereitet werden, eine vielköpfige Jury schmatzt sich dann zu einem unabhängigen Urteil.

Grillen, Fleisch, BBQ, Staatsmeisterschaft
Christoph Marx legt Süßkartoffeln auf die Feuerplatte. "Es ist alles gutgegangen, aber das Schwein besonders", wird er später sagen.
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22 Teams haben sich für die Teilnahme gemeldet, weitere 20 treten in zumindest einem Nebenbewerb wie der "Ripperl Competition" oder der "Dutch Oven Competition" an. Manche Teams tragen klingende Namen wie Firefox, Meat & Greet und James Flames. Sogar je ein Team aus Deutschland und der Schweiz kam zur Grillmeisterschaft nach Österreich, das auf einer Landkarte wohl nicht zufällig wie ein Kotelett aussieht.

Am Samstag um 11 Uhr ging es los. Pro Gang bekommen die Teams eine Stunde Zeit. Erster Gang: Kräuterseitlinge. Zweiter Gang: Schweineschulter. Dritter Gang: Schulterscherzel: Vierter Gang: Dessert mit steirischem Honig.

Grillen, Fleisch, BBQ, Staatsmeisterschaft
Grillpräsident Bernhard Steinhauer mit seiner Ehefrau Caro Steinhauer-Günther. Sie betreiben in der Südsteiermark eine Grillschule.
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"Grilltypische" Zubereitung

Am Vormittag schwört Bernhard Steinhauer, Präsident des Österreichischen Grillverbands, in der Mehrzweckhalle die Juroren auf ihre Rolle ein. Steinhauer ist ein Mann mit kräftiger Statur, jedoch einer fast schon zärtlichen Liebe zur Grillkultur. Wortreich erklärt Steinhauer den Juroren, worauf es ankommt: vor allem auf den Biss und den Geschmack, an zweiter Stelle auf das Aussehen von Hauptspeise und Beilage. "Wir haben hier ein Grillevent. Schauts, ob die Speisen grilltypisch zubereitet sind und nicht wie in einer Molekularküche", sagt Steinhauer. Er erinnert die Juroren eindringlich an Eigenschaften wie Grillstreifen und Röstaromen. Dünsten sei da "negativer zu bewerten".

Die Luft draußen ist rauchgeschwängert. Gebrutzelt wird unter blauen Sonnenschirmen, die der kanadische Grillkonzern Napoleon gesponsert hat. Aus Lautsprechern dröhnt alte Rockmusik aus den Tagen von Woodstock, manchmal auch Country.

Kurz vor jeder vollen Stunde rennen die Mitglieder der Grillteams in die Halle und geben ihre Teller ab. Die Gerichte werden dann von zwei Juroren mit Zahlencodes versehen. So sollen jene Juroren, die testessen, nicht wissen können, von welchem Grillteam die Speise kommt. Die rund 50 Testesser harren hinter einem Sichtschutz aus, abgeschirmt wie Kardinäle im Vatikan bei der Papstwahl. Hier soll alles seine Ordnung haben.

Grillen, Fleisch, BBQ, Staatsmeisterschaft
Victoria Garber (links) und Stephanie Marx teilen die Leidenschaft fürs offene Feuer.
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Evolution am Rost

In einer Pause erzählt Steinhauer, wie sich die Grillkultur in Österreich gewandelt habe. "Früher hat man ein Bratwürstel gegrillt, ein Kotelett gegrillt und vielleicht, wenn man ein sehr offener Griller war, noch ein Stück Hendl", schildert er. Heute habe sich das Grillen in manchen Kreisen zur vollwertigen Outdoorküche entwickelt. "Es gibt bei der Staatsmeisterschaft Gerichte, die mit Sterneküchen konkurrieren können", sagt Steinhauer, der selbst seit 2021 eine Grillschule in der Südsteiermark betreibt. Seitdem ist sein Leben geprägt vom eisernen Willen zum besseren Grillen.

Nicht nur das Essen ist in Kaindorf "grilltypisch", auch die Dialoge sind es. "Schatzi, den Schmand", ruft Christoph Marx seiner Ehefrau Stephanie zu. Wir sind jetzt beim zweiten Durchgang – der Schweineschulter. Marx und sein Team haben diese zu Rouladen geschnürt und auf den Griller geschmissen. Nun geht es ums Feintuning, das Anrichten. Marx zieht sich einen dicken schwarzen Handschuh an und schnappt sich kurzentschlossen eine Gusseisenpfanne, die über dem Griller hängt. Dann träufelt er Kräuterbutter auf die Süßkartoffeln.

Der "Sulmtaler Grill- und Chill Verein", dem Christoph und Stephanie Marx angehören, ist übrigens einer der wenigen hier, die je drei Männer und drei Frauen zum Wettkampf stellen. Nach der Meisterschaft erzählt Teammitglied Victoria Garber, dass man zu Hause überkommene Rollenbilder am Rost überwinden will. "Wir arbeiten daran, dass sich das wandelt, das ist ein Prozess", sagt Garber. Die Hobbygrillerin arbeitet eigentlich als Schlosserin. "Dass wir mehr anrichten und abwaschen und die Männer mehr grillen, davon wollen wir wegkommen", sagt sie.

Grillpräsident Steinhauer will, dass seine Wettbewerbe nicht nur kulinarisch, sondern auch beim Frauenanteil nicht im alten Saft braten. "Fast in jedem Team sind mittlerweile Frauen. Frauen haben ein anderes G'fühl beim Grillen. Sie grillen genauer", will Steinhauer beobachtet haben.

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Infostand von der Erzeugergemeinschaft Gut Streitdorf. "Bei einer Staatsmeisterschaft gibt es Gerichte, die mit Sterneküchen konkurrieren können", sagt Präsident Steinhauer.
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"Romantiker" und "Gastypen"

Auch technisch hat sich Österreichs Grillkultur stetig entwickelt. Davon kann niemand so eindrücklich erzählen wie Adi Matzek. Der Fleischermeister betreibt im Waldviertel eine Grillschule und hat sich am Balaton in der ungarischen Steppe einst zum Doppelweltmeister gegrillt. "Einmal für Fisch, das war der Slalom, und einmal für Rind, das war die Abfahrt, die Königsdisziplin", erzählt Matzek am Telefon. An diesem Wochenende kann man mit dem Grillguru nur telefonieren, weil er auf dem Donauinselfest ein Showgrillen veranstaltet.

Welches Gerät empfiehlt der Grillweltmeister? "Es soll zu dir selbst passen. Der Holzkohletyp ist ein Romantiker, der sich Zeit nimmt. Der Gastyp will es kontrolliert haben", sagt Matzek, der berufsbedingt auch für Mischtypen Verständnis hat. "Auch zwei Grillgeräte zu haben ist keine Sünde."

Die Entwicklungen beim Grillen vermisst Matzek in Jahrzehnten. "Von 2000 bis 2010 war die Ära des Kugelgrillers. Damit wurde das offene Grillen im gemauerten Kamin abgelöst, und ein geschlossenes Grillsystem kam in die Gärten", sagt er. "Ab 2010 haben die Gasgriller dann sehr an Akzeptanz gewonnen. Seit 2020 gleiten wir in die Kultur des Barbecues. Smoker werden beliebter, man zelebriert die Kultur des Ripperls und will den Burger in Steakqualität."

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Das Publikum begutachtet die Schauteller in der Mehrzweckhalle in Kaindorf.
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Weniger grübeln, mehr grillen

Präsident Steinhauer nennt auf die Frage nach Trends auch die Feuerplatte, also jene eiserne Fläche, in deren Mitte ein Holzfeuer züngelt. "Das ist ein sehr geselliger Griller. Da geht's um die Urbedürfnisse der Menschheit, die gestillt werden – nach Feuer, Wärme und Sicherheit", sagt er.

Am Ende des Samstags stehen die neuen Grillstaatsmeister fest: Die "Mostviertler Grillladys" haben sich mit ihren Tellern auf Platz eins gegrillt, das einzige reine Frauenteam. Der "Sulmtaler Grill- und Chill Verein" hat es auf Platz fünf geschafft.

Christoph Marx bilanziert nach den viergängigen Strapazen mit einer Zigarette und einem Puntigamer in der Hand: "Es ist alles gutgegangen, aber das Schwein besonders." Für andere Hobbygriller hat Marx auch einen Tipp parat: weniger grübeln, mehr grillen. Er sagt: "Die Leute machen oft aus einem Steak ein Drama, es gibt aber viele Wege zu einem Steak." (Lukas Kapeller, 26.6.2023)