Schulmädchen mit Zeugnis, Note Eins
Viele Einser, ein paar Zweier. Kinder, die ein gutes Zeugnis nach Hause bringen, bekommen oft Geld oder andere Geschenke.
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"Für jeden Einser gibt es bei uns zehn Euro, für einen Zweier dann nur mehr fünf Euro, bei einem Dreier zwei Euro", erklärt ein Vater. Für Vierer und Fünfer gibt es nix. Das sei klar. Meint zumindest der Vater des Zwölfjährigen, der am Freitag sein Zeugnis ausgehändigt bekommt. 

Strafen sind kontraproduktiv

Kinder, die Vierer oder Fünfer nach Hause bringen, rechnen wohl selten mit Belohnung. Viele sind wahrscheinlich froh, wenn es keine Taschengeldkürzungen oder andere Strafen gibt. Dabei sind schlechte Noten für die betroffenen Schüler und Schülerinnen schon Strafe genug. "Viele Kinder schämen sich, wenn das Zeugnis nicht positiv ausfällt", sagt Magdalena Rankl, Pädagogin und Beraterin der Rat-auf-Draht-Elternseite (elternseite.at). "Kinder und Jugendliche sind meist selbst unzufrieden mit schlechten Leistungen in der Schule. Jetzt zusätzlich zu strafen wäre richtig gemein."

Aus Erfahrung weiß die Beraterin: "Strafen setzen das Kind massiv unter Druck, es kann Wut, Frustration oder Angst entstehen." Angst, weil Kinder in dieser herausfordernden Situation die Gewissheit brauchen, dass die Liebe der Eltern nicht an Schulleistungen geknüpft ist. Rankl gibt zu bedenken: "Wenn eine oder mehrere Noten schlecht sind, hat sich das Kind in den meisten Fällen dennoch angestrengt." Das sollten die Eltern auch würdigen und gleichzeitig Unterstützung anbieten.

Was auch hilft: Sich in die Situation des Kindes hineinzuversetzen, sich selbst Fragen zu stellen, zu reflektieren. Wie würde es mir selbst mit einer negativen Beurteilung gehen? Was würde mir in dieser Situation helfen? Was würde ich jetzt gerne von anderen hören? Rankl: "Eltern ärgern sich oft über ein schlechtes Schulzeugnis, weil sie Sorge um die Schullaufbahn des Kindes haben." Die Pädagogin empfiehlt, die Ängste der Eltern im ersten Moment hintanzustellen.

Selbstwertgefühl stärken

Später sollten Eltern und Kind einen Moment finden, um gemeinsam zu überlegen, was die Gründe für die schlechten Noten waren und wie es künftig besser laufen könnte. Das kann Sicherheit und Orientierung geben. "Ich rate unbedingt dazu, auch dort hinzuschauen, wo es gut gelaufen ist", sagt Rankl. "Jedes Kind kann etwas anderes gut."

Wer auf Unterstützung und Mitgefühl statt auf Anschuldigungen und Vorwürfe setzt, hebt auch das Selbstwertgefühl seines Kindes. Dessen ist sich die Pädagogin sicher. Und gestärkt und selbstbewusst lernt es sich in Zukunft besser als wütend, traurig und unsicher. 

Geld für gute Noten

Und was ist mit Belohnungen? Sind die für gute Leistungen okay? "Von pauschalen Belohnungssystemen (für einen Einser 50 Euro, für einen Zweier 30 Euro) rate ich eher ab." Warum? "Weil manchen Kindern gute Noten scheinbar mühelos zufliegen und andere Kinder auch mit großer Anstrengung keine Eins erreichen." 

Besser sei es, die intrinsische Motivation der Kinder und Jugendlichen zu fördern. Das bedeutet, das Kind sollte in erster Linie Spaß beim Lernen haben und sich über das neue Wissen freuen. Das Kind lernt nicht, um eine Belohnung zu erhalten oder um eine Strafe zu umgehen. "Dafür ist es notwendig, dass Eltern während des Schuljahres kontinuierlich Interesse zeigen und im Austausch mit ihrem Kind sind", sagt Rankl.

Auch regelmäßige Belohnung für gute Noten sieht Rankl kritisch: "Eltern laufen damit Gefahr die extrinsische Motivation zu fördern, gleichzeitig entsteht bei den Kindern Druck, die gewünschte Leistung zu erbringen." Das wirke sich auch emotional auf die Kinder und Jugendlichen aus: Die Zuwendung und Aufmerksamkeit der Eltern wird an gute Noten gekoppelt. Selbiges gilt für Oma und Opa oder andere Bezugspersonen.

Wertschätzung

Ob man sein Kind oder Enkelkind für das Zeugnis belohnen möchte, ist eine individuelle Entscheidung. Nicht zwingend muss sich sich die Belohnung auf die Noten beziehen: "Viele Eltern wollen am Ende des Schuljahres ihre Wertschätzung ausdrücken. Ein ganzes Schuljahr ist wieder vorbei, das soll sogar gefeiert werden", sagt Rankl. "Jüngere Kinder wollen am letzten Schultag gedrückt und gelobt werden, sie wollen sehen, dass die Eltern sich freuen."

Wertschätzung ausdrücken kann man durch Geld, aber auch durch gemeinsame Ausflüge, wie einen Besuch im Kino oder im Zoo. "Liest das Kind gerne, schenken Sie ihm ein neues Buch. Wenn es gerne Fußball spielt, freut es sich über Karten für ein Match", schlägt Rankl vor. "Das ist nicht nur eine Anerkennung für das Zeugnis, sondern auch ein guter Start in die Sommerferien." (Nadja Kupsa, 30.6.2023)