Georg Krakow, ehemaliger Oberstaatsanwalt, schreibt in seinem Gastkommentar, dass es beschämend sei, "dass wir, ein Land im Herzen Europas, es in mehr als zehn Jahren (!) nicht zuwege bringen, ein Gesetz zur Informationsfreiheit zu schaffen".

Die Staatsanwaltschaft ist einer der wichtigsten Eckpfeiler eines Rechtsstaats. Sie muss alle Maßnahmen setzen können, die notwendig sind, um Straftaten aufzuklären. Dabei greift sie zwangsläufig auch in grundlegende Individualrechte ein. Deshalb ist stets eine sorgsame, objektive Abwägung notwendig, ob ein Grundrechtseingriff im Verhältnis zur Schwere eines gerade vorliegenden Verdachts und zur Schwere der Verdachtstat steht.

Die Vorgänge, die rund um das Klagenfurter Rathaus bekannt geworden sind, zeigen deutlich: Es fehlt an Transparenz.
APA/HELMUT FOHRINGER

Wegen eines Zeitungsdiebstahls ist eine Telefonüberwachung nicht zulässig, wegen eines Bankraubs schon. Ganz wichtig dabei ist, dass die Staatsanwaltschaft alle gebotenen Mittel einsetzt, aber dabei keine eigenen Interessen entwickelt. Sie darf sich nicht fragen: "Was müssen wir behaupten, damit wir an ein Telefon kommen? Wie müssen wir argumentieren, damit wir doch eine Hausdurchsuchung durchführen können?" Tut sie das, verlässt sie das vom Rechtsstaat in sie gesetzte und mit viel Macht ausgestattete Vertrauen. Vielmehr hat sie strikt anhand der Sachlage zu entscheiden, welche Verfahrenshandlungen zulässig und welche sinnvoll sind. Ich kenne den Akt im Fall des Kärntner Journalisten Franz Miklautz nicht – deshalb wird er hier als hypothetischer Fall behandelt, der aus den Medienberichten stammt. Fassen wir noch einmal kurz zusammen:

Informationen über Gehälter, Überstundenzahlungen an den höchsten Beamten einer Landeshauptstadt und eine Verschiebung seiner Pensionierung mittels Notverordnung gelangen zu einem Journalisten, der darüber berichtet. Die Landeshauptstadt erstattet Strafanzeige und begründet das damit, dass sie das Amtsgeheimnis und den Magistratsdirektor schützen müsse. Die Staatsanwaltschaft setzt den Journalisten auf die Liste der Beschuldigten. Anscheinend attestiert sie auch gleich dringenden Tatverdacht gegen ihn und stellt deshalb Mobiltelefon und Notebook samt der gesamten darauf gespeicherten Kommunikation mit Quellen, Kollegen, beruflichen und privaten Kontakten sicher, um sie auszuwerten. Konkrete Hinweise, dass der Journalist irgendeine Handlung gesetzt hätte, um die veröffentlichten Informationen herauszulocken (das könnte strafbar sein) bestanden nicht.

"Es wird immer Kreise geben, die sich gut und gerne hinter dem Amtsgeheimnis verstecken."

Es scheint, als ob die Staatsanwaltschaft überlegt hätte, wie sie denn an die Kommunikationsdaten des Journalisten kommen könnte. Das ist nämlich nicht so einfach. Journalisten sind auch im Strafverfahren durch das Redaktionsgeheimnis besonders geschützt. Der Gesetzgeber misst der Pressefreiheit zu Recht einen so hohen Stellenwert zu, dass das Interesse der Strafverfolgung in vielen Fällen zurückstehen muss. Freilich gilt das dann nicht, wenn ein Journalist selbst einer Straftat dringend verdächtig ist – auch Journalisten stehen nicht über dem Gesetz.

Von einem Tatverdacht, geschweige denn einem dringenden, kann aber hier nicht die Rede sein. Man kann den Eindruck gewinnen, dass der Journalist nur deshalb – und ohne dass die Voraussetzungen wirklich vorlagen – zum dringend Tatverdächtigen stilisiert wurde, um an die Daten seiner Kommunikation zu kommen – sonst wäre das von vornherein nicht gegangen. Und diese Vorgangsweise ist zu verurteilen. Sie gefährdet erstens die Arbeit von Journalisten, die in einem demokratischen Staat genauso notwendig ist wie die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden. Dieses Vorgehen verletzt zweitens die Rechte des betroffenen Menschen. Die Mittel der Strafprozessordnung dürfen nicht instrumentalisiert werden. Nicht nur Journalisten, auch die Staatsanwaltschaft steht nicht über dem Gesetz. Die Sicherstellung untergräbt drittens das Vertrauen in den Rechtsstaat. Das lebt davon, dass die Bürgerinnen und Bürger sehen können, dass die Staatsanwaltschaften objektiv, ohne Ansehen der Person, aber unter strikter Einhaltung der Gesetzte einschließlich derer, die Grundrechte schützen, handeln.

Warum geheim?

Dieser Fall zeigt aber auch deutlich auf, woran es in unserem Land ganz grundsätzlich mangelt – es fehlt an Transparenz in der Verwaltung. Das Gehalt und hohe Überstundenzahlungen an den höchsten Beamten der Stadt müssen vor den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt geheim gehalten werden? Das kann ja wohl nicht ernst gemeint sein! Die Verwaltung hat immer noch der Bevölkerung zu dienen. Und die hat ein Recht darauf zu erfahren, was mit ihrem Geld passiert, ob die Verwaltung ordentlich arbeitet und ob es Missstände gibt. Ein Amtsgeheimnis kann in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein (zum Beispiel in Ermittlungsverfahren). Das Amtsgeheimnis zu verwenden, um der eigenen Bevölkerung unangenehme Fakten vorzuenthalten, ist sicher nicht sein Sinn.

Hätten wir in Österreich die dringend notwendige Informationsfreiheit, wäre dieser ganze Fall gar nicht passiert. Sowohl der Journalist als auch auch die interessierten Bürgerinnen und Bürger hätten einfach anfragen können, und die Stadt hätte Auskunft zu erteilen gehabt. Ein Amtsgeheimnis hätte nicht mehr als Ausrede dafür verwendet werden können, unangenehme Vorgänge zu verbergen. Es hätte keine Strafanzeige, keine Sicherstellung, keinen Eingriff in die Pressefreiheit und keine Grundrechtsverletzung gegeben.

Neue (Schein-)Argumente

Aber seit mehr als einem Jahrzehnt doktert Österreich erfolglos an einem Informationsfreiheitsgesetz herum. Jedes einzelne Bedenken wird langatmig von allen Seiten betrachtet, man will alle ins Boot holen. Das wird so nicht gelingen. Es wird immer Kreise geben, die sich gut und gerne hinter dem Amtsgeheimnis verstecken und es missbrauchen, damit sie gegenüber der Bevölkerung, für die sie eigentlich da sind, nicht Rechenschaft ablegen müssen. Und es werden immer wieder und immer neue (Schein-) Argumente gefunden werden, warum man dieses Amtsgeheimnis nicht abschaffen kann.

Es ist beschämend, dass wir, ein Land im Herzen Europas, es in mehr als zehn Jahren (!) nicht zuwege bringen, ein Gesetz zur Informationsfreiheit zu schaffen. Jetzt ist für Herbst wieder ein Entwurf angekündigt – der x-te, ein Déjà-vu. Es gibt genug Entwürfe, die Diskussionen sind alle schon geführt. Lasst uns dieses Gesetz endlich beschließen. Mehr als 110 Länder haben das schon geschafft – aber bei uns findet man mit Akribie immer noch Ausflüchte, warum das ausgerechnet in Österreich nicht möglich sein soll. Der Anlass – die Causa Miklautz – zeigt diesen Missstand allzu deutlich auf. (Georg Krakow, 30.6.2023)