Eine riesige Anzahl von Galaxien, wie Webb sie sah.
Eines der ersten Bilder, die das Webb-Teleskop lieferte, zeigte unzählige Galaxien. Auf einem ähnlichen Bild wurden die möglichen Dunklen Sterne identifiziert.
NASA, ESA, CSA, STScI, Webb ERO Production Team

Zuletzt rückte in der Astronomie der Beginn des Universums wieder stärker in den Fokus. Neben einem aufsehenerregenden Ergebnis, das auf die Existenz von Gravitationswellen aus der Frühzeit des Universums hindeutet, liegt das vor allem an den Entdeckungen des letztes Jahr in Betrieb genommenen James-Webb-Weltraumteleskop, das besonders weit ins Weltall und damit in dessen frühe Vergangenheit blicken kann. Seine große Entfernung zur Erde, seine Kühlsysteme und das fußballfeldgroße Sonnensegel haben alle den gemeinsamen Zweck, Einflüsse durch Wärmestrahlung zu minimieren und so eine beispiellose Messempfindlichkeit im Bereich infraroten Lichts zu erreichen. Das ist nötig, weil sehr weit entfernte Objekte nicht mehr in ihren ursprünglichen Farben strahlen. Die Lichtwellen sind durch die Ausdehnung des Universums über Jahrmilliarden gedehnt. Aus sichtbarem Licht wurde so Infrarotlicht, und wer die ältesten kosmischen Objekte sehen will, muss auf die Jagd nach infraroter Strahlung gehen.

Webb demonstrierte schnell seine Leistungsfähigkeit. Gegen Ende des Jahres 2022 berichtete ein Team des JWST Advanced Deep Extragalactic Survey (JADES), eines Beobachtungsprogramms, das Webbs NIRCam-Instrument nutzt, von der Entdeckung vier extrem alter Galaxien, die älteste über 13,4 Millionen Jahre alt.

Die Forschenden waren damals erstaunt über diese Objekte, die zum Teil nur 350 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden. Weitere Untersuchungen mit Webb sollten ihre genaueren Eigenschaften und ihre Entstehung in dieser frühen Epoche klären.

Eine Grafik zeigt Ausschnitte aus einem größeren Bild mit Galaxien. Die Galaxien erscheinen als kleine Flecken.
Eine Grafik zeigt vier vermeintliche Galaxien, die mit dem Webb-Teleskop entdeckt wurden. Bei dreien davon könnte es sich um Dunkle Riesensterne handeln.
NASA, ESA, CSA, M. Zamani (ESA/Webb), Leah Hustak (STScI), Brant Robertson (UC Santa Cruz), S. Tacchella (Cambridge), E. Curtis-Lake (UOH), S. Carniani (Scuola Normale Superiore), JADES Collaboration

Doch keine Galaxien?

Doch nun könnte es anders kommen. Eine Gruppe um den Astrophysiker Cosmin Ilie publizierte nun im Fachjournal "PNAS" eine neue Studie, die infrage stellt, ob es sich bei den Objekten um Galaxien handelt.

Konkret geht es um die ersten drei der damals beschriebenen Objekte, die die Namen JADES-GS-z13-0, JADES-GS-z12-0, and JADES-GS-z11-0 tragen. Wenn es nach Ilje und seinem Team geht, gibt es für die Daten noch eine andere mögliche Erklärung. Es könnte sich um sogenannte Dunkle Sterne handeln, die sich stark von herkömmlichen Sternen unterscheiden.

Es geht hierbei auch um die Natur der ersten Sterne des Universums. Gemeinhin wird angenommen, dass es sich um sogenannte Population-III-Sterne handelt. Das sind Sterne, die noch keine schweren Elemente enthielten, die es nach dem Urknall noch nicht gab. Schwere Elemente entstanden erst durch Supernova-Explosionen oder kollidierende Neutronensterne, doch dafür musste es zuvor Sterne geben.

Dunkle Materie leuchtet doch

Bislang ist es aber nicht gelungen, diese Sternenspezies nachzuweisen. Und tatsächlich könnten ihr Vertreter eines anderen Sterntypus den Rang ablaufen. Sie werden Dunkle Sterne genannt und zeichnen sich durch eine geringere Dichte aus, die nicht ausreicht, um in ihnen das Sonnenfeuer der Kernfusion zu zünden. Dass sie dennoch strahlen und den Namen "Stern" verdienen, liegt an einem kleinen Anteil von Dunkler Materie in ihrem Inneren, der nur etwa 0,1 Prozent ihrer Gesamtmasse ausmacht. Die Teilchen, aus denen diese Dunkle Materie besteht, werden darin zu Kollisionen angeregt, bei denen Licht entsteht. Das auf der Erde sichtbare Licht sollte in seiner Zusammensetzung mit dem von Sternen mehr oder weniger identisch sein.

Diese ungewöhnlichen Sterne wären mit einer Größe von etwa dem Zehnfachen der Distanz zwischen Erde und Sonne riesig und könnten zu einer Größe von etwa einer Million Sonnenmassen heranwachsen, wodurch sie etwa zehn Milliarden Mal stärker strahlen würden als unsere Sonne. Mehrere Effekte müssten dafür aber gegeben sein: Unter anderem braucht es Dunkle Materie in ausreichender Dichte, und die Reste von Kollisionen der Teilchen der Dunklen Materie müssten in dem Stern gefangen sein.

Dark Star ist nicht nur der Name eines Sternentyps, sondern auch eines Kultfilms von John Carpenter, der eine Persiflage des Klassikers 2001 von Stanley Kubrick darstellen sollte. In diesem Fall trägt allerdings das Schiff diesen Namen.
Screenbound Pictures

Experimentell überprüfbar

Die Frage, ob es sich bei den fernen Objekten tatsächlich um einzelne Dunkle Sterne oder um Galaxien handelt, könnte sich anhand von Spuren von Helium beantworten lassen. Helium in Sternen strahlt normalerweise in einer ganz bestimmten Farbe, die sich durch spektroskopische Untersuchungen feststellen ließe. Eine sogenannte Helium-II-Absoprtionslinie würde auf Dunkle Sterne hindeuten. Galaxien hingegen würden in dieser Wellenlänge Licht aussenden, statt es zu absorbieren.

Für die Forschung wäre eine Bestätigung des hypothetischen Konzepts der Dunklen Sterne ein Glücksfall, würde das doch helfen, genauer einzugrenzen, worum es sich bei Dunkler Materie handelt. Infrage kämen etwa sogenannte Wimps, das sind schwach wechselwirkende, verhältnismäßig schwere Teilchen. Doch auch die Entstehung supermassiver Schwarzer Löcher ließe sich so erklären. Dunkle Sterne würden in den Zentren neuer Galaxien sitzen, also genau dort, wo sich heute in den meisten Galaxien riesige Schwarze Löcher befinden. (Unsere Milchstraße ist keine Ausnahme.) Dunkle Sterne würden, sobald die Dunkle Materie in ihrem Inneren aufgebraucht ist, auf natürliche Weise zu Schwarzen Löchern kollabieren und damit ein weiteres Rätsel der Astrophysik lösen. (Reinhard Kleindl, 13.7.2023)