Mit betenden Händen und wild wechselnder Mimik zwischen Lächeln, Blick gen Studiohimmel und Sorgenfalte geht Werner Kogler ins "ZiB 2"-Interview mit Martin Thür. Und, wie vom Vizekanzler und Grünen-Chef gewohnt, zeigt der Ausdruck mehr als die souverän präsentierte Aussage. Sein gestisches Kunststück: Die mit Hochgeschwindigkeit zum Körper rotierende linke Hand pariert Kritik an liegenbleibenden Kernzielen der Grünen. Das kann kein Medientrainer vermitteln, das kann man einfach, oder man lernt es nie. Koglers Linke kann aber auch nach außen drehen, nur langsamer – und dafür weit dramatischer. 

Werner Kogler ZiB 2
Ein bisschen Zuversicht, ein bisschen Mut wünscht sich Vizekanzler Werner Kogler in der "ZiB 2" und richtet seinen Blick nach oben.
ZiB 2 ORF Screenshot

1. Bisschen Zuversicht, bisschen Mut

Der Vizekanzler und Grünen-Chef empfiehlt Freitagabend "ein bisschen Zuversicht und ein bisschen Mut" (und er meint da nicht nur die nächste Nationalratswahl und die aktuellen Umfragen, eher die noch offene Regierungsarbeit). Er rät Klimaaktivisten und -aktivistinnen, "die Mehrheit nicht zu nerven". Und seinen Vorwurf des "Präfaschistoiden" an das "Normaldenken" von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner "verschärft" er hier bei Thür "gerne". Aber erst einmal nur zu: "wirklich ein Problem". Kogler mit scharf? Wird vielleicht noch.

2. Lieber festhalten als übers Festfahren reden

In der "ZiB 2" will der Vizekanzler der Grünen naturgemäß lieber "festhalten", was alles weitergeht, als besprechen, wo die Koalition mit der ÖVP festgefahren ist – also das Klimaschutzgesetz, die Informationsfreiheit, Bestellungen für Gerichte, Behörden, Weisungsrat im Justizministerium. "Soviel ist noch nie weitergegangen."

3. Normal denkendes Unglück

Zu weit gegangen indes ist, für Kogler, Mikl-Leitner mit ihrer Ode ans "Normaldenken" in einem STANDARD-Gastkommentar. "Genau diese Sprache, genau diese Aufteilung" weist zurück in die 1920er und 1930er Jahre, zum italienischen Faschismus und zum Nationalsozialismus. Kogler: "Die Einteilung in Normale, nicht Normale und Abnormale führt ins Unglück." Und mit scharf noch: "Demnächst sind wir wieder in der Zeit, das ist noch nicht so lange her, dass wir Menschen mit Behinderung als nicht mehr normal bezeichnen, oder wie ist das?"

ZIB 3: Vizekanzler Kogler über "Klimakleber"
Neben Fragen zum derzeitigen Zustand der Regierungskoalition nahm Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) am Frfeitag in der ZIB 2 auch zu den umstrittenen Aktionen einiger Klimaaktivistinnen Stellung.
ORF

Dabei sieht Kogler, wie er nicht nur einmal in der "ZiB 2" beteuert, durchaus "Übereinstimmung" mit Mikl-Leitner. Wenn die Landeshauptfrau vor der Radikalisierung der Ränder warnt, zum Beispiel. Aber, wendet Kogler gleich selbst ein: "Ob es hilft, da gerade mit Herrn Landbauer zu koalieren", also Niederösterreichs FPÖ-Chef Udo L.?

4. Mehrheit nicht nerven

Mikl-Leitner dachte beim Normaldenken ja an Klima-Aktivistinnen, von "Klimaklebern" schrieb sie. Hier muss Martin Thür den Grünen-Chef erst ein bisschen lösen vom "Verdienst" der Aktivistinnen, "auf große Versäumnisse aufmerksam zu machen", und – als Lösungsmittel – an die Schärfe des deutschen Wirtschaftsministers Robert Habeck von den Grünen erinnern, der von einem "lupenreinen Eigentor" sprach, das dem Klimaschutz sogar schade. Da ist Kogler dann doch bei Habeck, richtet den Klimaaktivisten aber lieber aus: Ihr Protest "schadet auf Dauer mehr, als er nützt, wenn Mehrheiten genervt und nicht gewonnen werden für den Klimaschutz". 

5. Volk, Kanzler, altrechtes Geplärre

Nur nicht genervt will Kogler auf die Umfragen reagieren, die seit Monaten die FPÖ auf Platz eins sehen, eine Mehrheit, wenn auch eine relative, in Blau und also eher nicht für Klimaschutz. Das Bemühen lässt ihn Sätze sagen wie: "Für die Zukunft ist es die Frage, wie die Wahlen ausgehen." An Umfragen will er nicht glauben. Und selbst wenn die FPÖ stärkste Partei wird bei der nächsten Nationalratswahl: "Das heißt nicht, dass Herbert Kickl Bundeskanzler wird." Seine Hochrechnung: Selbst wenn 30 Prozent die FPÖ wählen, wollen 70 Prozent Kickl nicht als Kanzler. Wo liegen doch gleich ÖVP und Grüne gerade in den Umfragen?

Und wo wir schon bei Herbert Kickl sind, da erkennt Kogler "den nächsten Vorgang der gefährlichen Sprache" – das Mantra der FPÖ und Kickls vom "Volkskanzler". Da setzt er lieber auf eine Mehrheit gegen einen blauen "Volkskanzler", als sich "ewig mit dem altrechten Geplärre aufzuhalten". Womöglich eine grüne Variante, sich die Zukunft mit "mehr Zuversicht und mehr Mut" normal zu denken. (fid, 15.7.2023)