Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber
Hans Joachim Schellnhuber bei einer Pressekonferenz 2021.
imago / Jürgen Heinrich

Kipppunkte oder Kippelemente sind wichtige Teile in Klimasystemen: Werden sie angestoßen oder überschritten, kann diese Veränderung nicht mehr rückgängig gemacht werden. So unwahrscheinlich ihr Eintreten ist, so verheerend sind die Prozesse, die in der Folge in Gang gesetzt werden. Die Forschung an diesen Kippelementen – die teils schon erreicht sein könnten, siehe Amazonas-Regenwald – ist eng mit einem Namen verknüpft: Der deutsche Klimaexperte Hans Joachim Schellnhuber trug maßgeblich zu ihrer Erforschung bei. Nun soll der weltweit bekannte Fachmann die Leitung des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien übernehmen.

Ab 1. Dezember wird der 73-jährige Klimaforscher das Amt des Generaldirektors übernehmen. Dies teilte das IIASA am Mittwoch in einer Aussendung mit. Er folgt damit dem Südafrikaner Albert van Jaarsveld nach, der das Institut seit 2018 geleitet hat. Bekannt wurde zuletzt Schellnhubers kontroverser Vorschlag, dass jeder Mensch eine Art Emissionskonto erhält und jährlich nicht mehr als drei Tonnen CO2 verbrauchen darf. Als Autor wirkte er an Publikationen mit, die Bewusstsein für die Klimakrise schaffen, darunter "Das Klimabuch: Alles, was man wissen muss, in 50 Grafiken", "Selbstverbrennung: Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff" und "3 Grad mehr".

"Visionäre Führungsrolle"

Schellnhuber ist Gründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) in Deutschland und war bis 2018 Direktor der Einrichtung. Von 2001 bis 2005 arbeitete er als Forschungsdirektor am Tyndall Centre for Climate Change Research in Großbritannien. Er ist langjähriges Mitglied des Weltklimarats IPCC und der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften. In jüngster Zeit habe er sich auf die Umgestaltung der bebauten Umwelt und das Klimasanierungspotenzial der regenerativen Architektur konzentriert, hieß es.

Seine "umfassende Erfahrung, sein profundes Fachwissen und seine visionäre Führungsrolle werden die Mission des IIASA, globale Herausforderungen durch angewandte Systemanalyse zu bewältigen, entscheidend voranbringen", sagte Michael Clegg, Vorsitzender des IIASA-Rates.

Viel zitiertes Institut

Das IIASA wurde 1972 auf Initiative der USA und der Sowjetunion gegründet, um eine wissenschaftliche Brückenfunktion zwischen Ost und West einzunehmen. Im Mittelpunkt der interdisziplinären Forschungsarbeiten des Instituts stehen Probleme mit globaler Bedeutung wie Umwelt-, Energie- und Bevölkerungsfragen.

Inhaltlich beschäftigt man sich unter anderem mit Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel, Erfordernissen und Folgen der weltweit knapper werdenden Energieressourcen und Auswirkungen der Umweltverschmutzung, wirtschaftlich relevanten Problemen sowie sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen demografischer Veränderungen. In internationalen Rankings schneidet das österreichische Forschungsinstitut häufig gut ab, einige dort tätige Fachleute wie der Klimaforscher Keywan Riahi zählen zu den meistzitierten Forschern und Forscherinnen der Welt. Man könnte es auch als das beste Forschungsinstitut des Landes bezeichnen. (red, APA, 26.7.2023)