Die Klimaforschung der vergangenen Jahre hat untermauert, welche Auswirkungen der globalen Erhitzung bereits sichtbar sind und was zur Eindämmung getan werden kann – etwa der Aufbau erneuerbarer Energien.
Bild: doidam10 / Getty / iStock

Ein Hockeyschläger schrieb Geschichte: In einem Bericht des Weltklimarats IPCC 2001 erschien eine Grafik des US-Klimatologen Michael Mann und seines Forschungsteams. Sie zeigte eine über fast 1.000 Jahre relativ geradlinig verlaufende Kurve, die dann stark ansteigt – wie die Form eines Eishockeyschlägers. Damit wurde die rapide Erhitzung der Erde klar aufgezeigt, zunächst mit Werten für die Nordhalbkugel, später mit globalen Messdaten. Der Zusammenhang mit den Treibhausgasemissionen, die durch die Industrialisierung ebenfalls rasant anstiegen, wurde mehrfach nachgewiesen und bestätigt.

Eines der bekanntesten Klimadiagramme wurde Ende der 90er-Jahre erstmals veröffentlicht und 2001 in einen Bericht des Weltklimarats aufgenommen.
Grafik: Oana Rotariu

Im neuesten UN-Klimaratsbericht, der im März 2023 erschien, findet sich eine vergleichbare Abbildung. Sie blickt weniger weit zurück, dafür aber in die Zukunft: Fünf Szenarien illustrieren, wie stark sich die Welt im Durchschnitt aufheizt, abhängig von hohen oder geringen Emissionen.

Dieses 2023 ebenfalls in einem IPCC-Bericht erschienene Teildiagramm ist von den Klimastreifen inspiriert.
Grafik: Oana Rotariu

Zwischen diesen beiden Grafiken liegen rund 20 Jahre Klimaforschung. Sie lieferten wichtige neue Erkenntnisse, unterstrichen aber zudem, was Forschende seit etlichen Jahrzehnten befürchtet und berechnet haben: Es zeichnet sich eine von Menschen und Industrie verursachte Klimakrise ab, die schnelles politisches Handeln benötigt, damit möglichst alle Menschen ein gutes Leben auf der Erde führen können. Selbst die durchaus konservativen Zusammenfassungen des Klimarats formulierten dies immer deutlicher.

Begleitet wurde das gesammelte Wissen von Anerkennung – etwa gegenüber Klimaforscher Mann und seinem Team. Der IPCC selbst erhielt 2007 den Friedensnobelpreis, und die Physiker Klaus Hasselmann und Syukuro Manabe wurden 2021 für ihre bahnbrechenden Modelle mit dem Physiknobelpreis ausgezeichnet.

Die IPCC-Berichte sind durchaus konservative Zusammenfassungen der Forschungslage zum Klimawandel. Zunächst waren diese vorsichtig formuliert, erst 2014 war deutlich von einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für die anthropogene, also menschengemachte, globale Erwärmung die Rede. Zu dieser Zeit wurde nicht nur der Pariser Klimavertrag beschlossen, mit dem knapp 200 Länder einen neuen Maßstab für Klimapolitik setzten. Eine Erwärmung um nicht mehr als 1,5 bis maximal zwei Grad ist das Ziel.

Zeit der Extreme

Damals begann auch eine Zeit der Extremtemperaturen: 2016 war das heißeste Jahr seit Beginn umfangreicher Messungen um 1850. Die zehn heißesten Jahre fallen alle in den Zeitraum von 2010 bis 2022. Seit der Industrialisierung erhitzte sich die Erde mittlerweile um 1,1 Grad Celsius, in Österreich sogar um etwa das Doppelte, weil sich Luft über Landflächen stärker erwärmt.

Feuerwehr bei einem Waldbrand im Südwesten Frankreichs 2022. Die Gefahr für Waldbrände steigt durch zunehmende Trockenheit weiter an. Europa ist durch die stärkere Erwärmung überdurchschnittlich betroffen, insbesondere der Mittelmeerraum.
Foto: APA / AFP / Philippe Lopez

Das bedeutet freilich nicht, dass es heute jederzeit in jeder Region wärmer ist als zuvor. Einzelne Wetterlagen müssen nicht immer zum langfristigen Klimatrend passen, zudem sind trügerische Erinnerungen und subjektive Empfindungen nicht zu unterschätzen. Aber Messdaten zeigen, dass Hitzetage etwa in Österreich immer häufiger vorkommen und uns wie auch unsere Umwelt von Frühling bis Herbst unter Stress setzen. Extremereignisse wie Dürren nehmen durch die Klimakrise zu. Regen kommt seltener, aber intensiver vor: Ist die Luft wärmer, kann sie mehr Wasserdampf tragen.

Schon jetzt sorgen die Folgen für vermehrte Katastrophen und gesundheitliche Belastungen, von Hitzeschlägen bis hin zur Ausbreitung von Infektionskrankheiten. Die Ozeane konnten bisher einen riesigen Anteil der Wärmeenergie, für die die CO2-Emissionen sorgten, speichern und kompensieren, Fachleute gehen von etwa 90 Prozent aus. Diese Fähigkeit dürfte jedoch nachlassen.

Die Prognosen stellen eine Welt in Aussicht, die bis zum Ende des Jahrhunderts insgesamt um etwa drei Grad wärmer ist, wenn die Emissionen nicht sehr bald stark gesenkt werden. Und: Das schmelzende Eis der Polarregionen lässt den Meeresspiegel steigen. Bis 2100 soll er realistischen Schätzungen zufolge um mindestens 70 Zentimeter höher als noch vor wenigen Jahren liegen.

Desinformationskampagnen

Obwohl sich die Folgen der hohen Emissionen seit Dekaden abzeichnen, bleiben die nötigen Maßnahmen großteils aus. Mitgewirkt haben daran auch Desinformationskampagnen. Das "Hockeyschläger-Forschungsteam" etwa wurde immer wieder diffamiert. Die Kampagne ging bis zu Einschüchterungen und Todesandrohungen. Obwohl seine Auswertung mehrfach bestätigt wurde, gelang es den Gegnern, Zweifel zu säen und den wissenschaftlichen Konsens zur globalen Erwärmung zu hinterfragen.

Protest gegen den Mineralölkonzern Exxon.
Foto: Angela Weiss / AFP

Ein weiteres Beispiel dafür ist eine Studie, die der Mineralölkonzern Exxon durchführen ließ: Sie hatte schon 1979 auf verheerende Umweltschäden durch den Klimawandel hingewiesen, wurde aber jahrzehntelang unter Verschluss gehalten. Vermeintliche Forschungsinstitute mit Nähe zur fossilen Industrie stellten gegenteilige Ergebnisse dar, als würden sie die Vielzahl vorhandener Studien infrage stellen. Dies leistete der Leugnung des Klimawandels Vorschub.

Manche sprechen daher von verlorenen Jahren für den Klimaschutz. Gleichzeitig verstand man das Klimasystem noch nie so gut wie heute: Erstmals zogen Fachleute in den vergangenen 20 Jahren etwa ein eigenes Zeitalter in Betracht, berücksichtigten Kipppunkte und eruierten noch genauer, welche Mittel die Klimakrise begrenzen können.

Zeitalter Anthropozän: Unter dem Einfluss der Menschen

Die Erdzeitalter werden oft nach Prozessen eingeteilt und benannt, die Aussehen und Leben auf der Erde in einer bestimmten Phase dominierten. Seit Beginn der 2000er-Jahre sind viele Geologinnen und Geologen der Ansicht, dass die jüngeren Eingriffe von Menschen in das Erdsystem eine eigene Ära definieren: das Anthropozän.

Zu den Spuren, die wir hinterlassen, zählen langanhaltende Plastikverschmutzungen vom Mount Everest bis in den Marianengraben, Marker für Atombombentests und -abwürfe sowie starker Düngereinsatz und extrem angestiegene Methan- und CO2-Emissionen. Letztere sorgen für den Treibhauseffekt, also eine Erwärmung der Atmosphäre.

Fossile Kraftwerke wiegen schwer in der CO2-Bilanz.
Foto: Imago / Linack / Panthermedia

Derzeit wird noch diskutiert, welcher Ort als geologische Schlüsselstelle und Referenzpunkt das Anthropozän definiert werden soll. Sogar Erdproben des Wiener Karlsplatzes kamen in die engere Auswahl: Sie zeigen, wie schnell menschliche Ablagerungen im Stadtgebiet ansteigen. Plutoniumspuren weisen auf Atombombentests der 50er- und 60er-Jahre hin. Während sich der Begriff Anthropozän etabliert hat, gibt es auch Forschende, die etwa vom Kapitalozän sprechen. Damit wird betont, dass es nicht die Spezies Mensch per se ist, die viele aktuelle Veränderungen auf der Erde in Gang gesetzt hat, sondern die Industrialisierung und das Wirtschaftssystem des Kapitalismus.

Durch die unterschiedlichen Veränderungen wurde der Planet nicht nur auf seiner Oberfläche stark verändert. Der tiefe und folgenreiche Fußabdruck des Menschen auf der Erde wäre noch in vielen Tausend Jahren nachzuweisen.

Kipppunkte: Kein Weg zurück

Manche Veränderungen, die einmal angestoßen wurden, können nicht mehr rückgängig gemacht werden. Im Klimasystem spricht man bei solch irreversiblen und dramatischen Prozessen von überschrittenen Kipppunkten. Erst in den 2000er-Jahren begann ihre Erforschung. Durch den raschen Wandel können natürliche Prozesse sie nicht mehr kompensieren. Die bekanntesten Kippelemente:

  • Große Eisschmelzen: Die Nordhalbkugel erwärmt sich besonders schnell, allen voran die Arktis. Das beschleunigt das Schmelzen des Meereises und des Eisschilds auf Grönland. Teils werden diese Kipppunkte schon bei einer Erwärmung um 1,5 Grad erreicht. Irreversible Entwicklungen sind auch in der Antarktis angestoßen. Einmal in Gang gesetzt, ist bei diesen Schmelzen über Jahrzehnte und Jahrhunderte mit einem unwiderruflichen Anstieg des Meeresspiegels um etliche Meter zu rechnen.
  • Kollaps der Wälder: Tropische Regenwälder wie der Amazonas speichern große Mengen an CO2. Mit voranschreitender Erwärmung veröden sie – doch allein die Abholzung sorgt für so große Schäden, dass einige Fachleute befürchten, der Amazonas-Regenwald habe diesen Kipppunkt bereits überschritten. Auch der Rückgang von Wäldern in kälteren nördlichen Klimazonen hätte schwerwiegende Folgen.
  • Tauender Permafrost: Dauerhaft vereiste Böden tauen auf, wenn es wärmer wird. Dabei setzen sie unwiderruflich immense Mengen an CO2 und Methan frei und verschärfen den Treibhauseffekt weiter. Seit den 2000er-Jahren ist nachweisbar, dass diese Gase in Sibirien und Alaska in den Sommermonaten in großen Mengen frei werden.

Daneben gibt es weitere Kippelemente, die wahrscheinlich verheerende und unwiderrufliche Schäden verursachen. Dazu gehören schmelzende Gletscher im Himalaja-Gebirge sowie absterbende Korallenriffe, die aufgrund der immer saurer werdenden Meere womöglich schon einen Kipppunkt überschritten haben.

Eis und Schnee im arktischen Norwegen. Wird durch die Schmelze dunkles Gestein freigelegt, das mehr Wärmeenergie speichert, beschleunigt das die Erwärmung der Arktis.
Foto: Andy Rouse / Imago / Nature Picture Library

Auch meteorologische Phänomene dürften zu den Kipppunkten gehören, sind aber so komplex, dass sie genauer erforscht werden müssen. Das betrifft etwa massive Veränderungen von Monsunsystemen in Westafrika und Indien, des Golfstroms im Atlantik sowie des Jetstreams, eines Windbands der Nordhalbkugel, das auch das Wetter in Europa stark beeinflusst.

Die Zukunft beginnt heute: Was können wir tun?

Durch die Politik können umfangreiche Veränderungen und damit die bestmöglichen Bedingungen für ein klimaschonendes Leben geschaffen werden. Damit dies geschieht, ist auch öffentlicher Druck nötig – und der Wille, die Anpassungen mitzutragen. Darauf hoffen viele Klimaforschende, denen die Dringlichkeit des Themas besonders bewusst ist. Zu den wichtigsten Änderungen gehören:

  • Treibhausgasemissionen senken: Besonders effektiv und verhältnismäßig günstig ist ein immenser Ausbau von Wind- und Solarkraftanlagen. So könnten sich mehr als acht Gigatonnen Emissionen pro Jahr sparen lassen – bei etwa 40 Gigatonnen jährlichem CO2-Ausstoß weltweit ein beträchtlicher Anteil. Generell hilft es, den Verbrauch von Energie und Ressourcen zu senken. Gleichzeitig muss die fossile Energiegewinnung (aus Kohle, Erdöl und Erdgas) reduziert und eingestellt werden und bis dahin das dabei frei werdende Methan stark eingedämmt werden.
  • Weiterentwickeln und investieren: Damit die Energiewende möglich ist, müssen bessere Wege zur Energiespeicherung entwickelt werden. Zusätzlich hilft es, Industrien und Produkte energie- und materialeffizienter zu managen und zu gestalten. Dafür sind Subventionen und Investitionen in nachhaltige Projekte ohne Greenwashing essenziell.
Windräder im Windpark Neudorf im Burgenland.
Foto: APA / Robert Jaeger
  • Verkehrswende ankurbeln: Auch mit kraftstoffsparenden Pkws und Lkws gehen Emissionen zurück. Gleichzeitig muss sich die Infrastruktur für öffentlichen Verkehr verbessern – und die Möglichkeiten, per Rad und zu Fuß sicher und bequem von A nach B zu kommen.
  • Gesünder essen: Weniger Fleisch auf dem Speiseplan ist nicht nur gesünder, sondern sollte auch für weniger gehaltene Nutztiere sorgen. Auf den Flächen, die für den Anbau ihres Futters gebraucht werden, ließen sich direkt andere Lebensmittel anbauen.
  • Natur schützen: Auch Nichtstun ist im Klimaschutz wichtig: Wenn Wälder nicht gerodet und natürliche Ökosysteme nicht verbaut werden, speichern diese mehr CO2. Sie können zum Küstenschutz beitragen und sind weniger anfällig für Stressfaktoren wie steigende Temperaturen. Auf intakte Ökosysteme, die zunehmend unter Druck geraten, verlassen sich alle Menschen – besonders aber diejenigen, die etwa Fischerei und Landwirtschaft betreiben.
  • Klimagerechtigkeit umsetzen: Die Ärmsten sind am stärksten von Klimafolgen betroffen – und müssen besonders geschützt werden, um resilient zu werden. (Julia Sica, 9.4.2023)