Jetzt haben sie doch noch schnell die Reißleine gezogen und eine Erhöhung der Politikergehälter um fast zehn Prozent abgesagt. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) stellten klar, es werde für Spitzenpolitiker und führende Politikerinnen auf Bundesebene eine Nulllohnrunde festgelegt, die Gehälter würden nicht an die Inflation angepasst. Gut so, eine üppige Draufgabe auf die ohnehin nicht schmalen Spitzengagen hätte in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten kaum jemand verstanden.

Kanzler Karl Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler
Ihre Einsicht kam zu spät: Kanzler Karl Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler.
APA/ROLAND SCHLAGER

Die Einsicht aber kam zu spät. Denn Nehammer und Kogler hätten von sich aus früh erkennen müssen, dass sich die Spitzenpolitiker diesmal bescheiden müssen, und eine Diskussion darüber erst gar nicht aufkommen lassen dürfen. Die Initiative hätte von Nehammer und Kogler ausgehen müssen, bevor sie dazu gedrängt worden sind.

So aber lenkten sie erst ein, nachdem die Boulevardmedien zu donnern begannen und auch SPÖ und FPÖ Druck machten. Sie reagierten erst auf Zuruf, und das untergräbt ihre politische Kompetenz und Glaubwürdigkeit.

Es ist ja grundsätzlich lobenswert, wenn Politiker auf die Stimmung im Land hören. Das bedarf aber einer sensiblen Erkundung und Beschäftigung mit der Seelenlandschaft, mit den tatsächlichen Bedürfnissen der Bevölkerung. In der Regel, wie jetzt im Fall der Politikergehälter, lässt man sich aber von jenen leiten, die sich am lautesten artikulieren, von einer stimmstarken Gruppe, die Politiker oft mit der Mehrheitsmeinung verwechseln.

Im Fall der Politikereinkommen hatten die Kritiker recht. Nehammer und Kogler hätten aber eben ihre spätere, gut argumentierte Einsicht in die Notwendigkeit einer Nulllohnrunde zuvor selbst auf die Agenda setzen müssen. Ehe sie sich von einem Protestlüfterl umwehen ließen. (Walter Müller, 2.8.2023)