In Oberösterreich ist der Bodenverbrauch 2022 besonders gestiegen. Es gäbe jedoch längst nachhaltige Lösungsansätze, um aus der Misere herauszukommen, schreibt Franz Koppelstätter, der Leiter des Architekturforums Oberösterreich, in seinem Gastkommentar.

Rechts unten im Bild eine Wiese, den restlichen Teil des Bildes machen leere Parkplätze aus
Asphalt oder Wiese? Österreich ist Spitze im Bodenversiegeln.
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Wir sehen Bilder von riesigen Parkplätzen vor Fachmarktzentren, Hundstage-Siedlungen rund um Folienteiche oder gerodete Waldstücke, auf denen dann doch keine neuen Arbeitsplätze entstehen. Versiegelung und Bodenverbrauch sind endlich ein Thema in Österreich.

Laut WWF-Bodenreport ist Oberösterreich Spitzenreiter beim Bodenverbrauch. Nimmt man die Zahlen des Bundesumweltamtes, liegen Niederösterreich und die Steiermark bei der Flächeninanspruchnahme weiter vorn. Die jeweilig zuständigen Landesräte sind jedenfalls pikiert, stellen die Zahlen infrage, versichern, dass die bereits getroffenen Maßnahmen schon greifen und die Tendenz eh in die richtige Richtung geht. Bis auf den letzten Punkt kann man das sogar argumentieren. Bei den Bodenstatistiken werden regelmäßig Äpfel (Bodenverbrauch) mit Birnen (Bodenversiegelung) verglichen, Raumordnungsgesetze werden überarbeitet und Förderprogramme aufgelegt, Baulandreserven nehmen landesweit ab. Bloß, die Tendenz stimmt ganz und gar nicht, weil fruchtbare Felder und Wiesen immer noch munter verbaut werden. Außerdem ist die Ausgangslage, gelinde gesagt, besorgniserregend. Schon heute ist Österreich nicht mehr in der Lage, seinen eigenen Lebensmittelbedarf zu decken. Da ist jeder einzelne verlorene Hektar Ackerboden ein Drama.

Wertvolle Böden

Boden ist unser aller Lebensgrundlage, und Boden ist eine endliche Ressource. Aus diesen zwei Punkten ergibt sich eine sehr einfache Schlussfolgerung: Wir als Gesellschaft und allen voran die politisch Verantwortlichen müssen alles daransetzen, diese Lebensgrundlage zu erhalten, und zwar jetzt. Auch wenn die Konsequenzen erst die kommenden Generationen so richtig zu spüren bekommen.

Lösungsansätze, um aus der Misere rauszukommen, gibt es viele. Zu viele, um sie hier aufzudröseln. Nur ein paar Schlagwörter: Ortskernbelebung, Innenentwicklung und Verdichtung; Rückwidmung von Bauland in Grünland; Baulandbefristung; Entsiegelung; Abgaben für Brachen und Leerstände; Abschaffung der Pendlerpauschale; Attraktivierung des öffentlichen und nichtmotorisierten Verkehrs; Änderung der Kompetenzaufteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden; Reform von Kommunalsteuer und Finanzausgleich; aktive Bodenpolitik.

"Wer sich schon im Automobil-Cluster die Bandscheiben ruiniert, will sich als Belohnung irgendwann auch sein/ihr Haus im vermeintlich Grünen leisten können."

So weit, so einfach. Stellt sich nur die Frage, warum sich trotzdem kaum etwas ändert. Warum trotzdem wertvolle Böden für Betriebsbaugebiete und Einfamilienhaussiedlungen geopfert werden. Dazu ein anderes Ranking, über das sich meines Wissens noch kein (oberösterreichischer) Politiker beschwert hat. Gleich nach Wien hat Oberösterreich das zweitstärkste Bruttoregionalprodukt und ist stolz auf sein Wirtschaftswachstum. Solange die Wirtschaft wächst, bleibt auch die Arbeitslosenquote niedrig. Und wer sich schon im Automobil-Cluster die Bandscheiben ruiniert, will sich als Belohnung irgendwann auch sein/ihr Haus im vermeintlich Grünen leisten können – egal wo, die Pendlerpauschale macht die Distanzen leistbar.

Wachstum oder Sparen?

Am Ende des Tages bleibt die Frage, ob wir dem Wirtschaftswachstum oder dem Bodensparen den Vorzug geben, eine politische. Momentan wird viel Energie darauf gesetzt, den Wirtschaftsstandort attraktiv und stark zu halten. Nachhaltigkeit bleibt auf der Strecke. Ich plädiere für eine konservative Herangehensweise, und zwar im wörtlichen, nicht im realpolitischen Sinn. Schließlich kommt "konservativ" von "erhalten" und "bewahren". Was heute zerstört wird, kann morgen kaum noch repariert werden. Ist die Humusschicht auf einem Fleckerl Land erst einmal zerstört, braucht es Jahrhunderte, bis sie sich wieder regeneriert.

In einem politischen Klima, das es zulässt, Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten als Terroristinnen und Terroristen zu bezeichnen, und in dem immer noch Autobahnen gebaut werden, darf man sich derzeit leider keine großen Hoffnungen machen. Eine befreundete Geografin hat mich aber unlängst zumindest dahingehen beruhigt, dass wir uns um den Planeten Erde keine großen Sorgen machen müssen. Der hat schon ganz anderes als die Menschheit verkraftet. Wir selbst sind wohl nicht ganz so resilient wie unser Wirt. (Franz Koppelstätter, 13.8.2023)