Ein Fall, der anschaulich macht, woran die Eindämmung des Bodenverbrauchs scheitern kann, tut sich dieser Tage in Wien-Leopoldstadt auf. Schauplatz ist ein Grundstück am Handelskai, begrenzt von Weschel- und Haussteinstraße. In einem riesigen verglasten Gebäudekomplex sind dort unter anderem die Hauptstelle und die Wiener Landesstelle der Pensionsversicherungsanstalt (PV) untergebracht. Allerdings nicht auf der ganzen Parzelle: Ein Teil an der Haussteinstraße ist eine für alle zugängliche, parkähnliche Grünfläche. Allerdings nicht mehr lange.

Denn die PV wird – wie die "Kronen Zeitung" zuerst berichtete – eine Parkgelegenheit für Autos aus dem Bereich machen. Obwohl es unter dem Glaskomplex bereits eine Garage mit 762 Stellplätzen gibt. Und eine gute Öffi-Anbindung: Die U1-Station Vorgartenstraße ist zehn Minuten Fußmarsch entfernt, vor der Haustüre halten die Buslinien 11A und 11B, ab 2025 kommt die neue Straßenbahnlinie 12 dort vorbei.

Konkret sei eine 17,5 Meter hohe Garage mit Platz für exakt 442 Autos auf einer Grundfläche von 2.000 Quadratmetern geplant, heißt es vonseiten der PV. Insgesamt messe das betroffene Grundstück 3.200 Quadratmeter. 1.200 bleiben also übrig – wobei der Großteil davon ein Grünstreifen zum Handelskai ist, der der Stadt Wien gehört.

Eine Visualisierung der geplanten Hochgarage für 442 Autos am PV-Gelände im zweiten Wiener Bezirk. 
Platz für 442 Autos auf 2.000 Quadratmeter Grundfläche: So soll die umstrittene neue Garage aussehen. Die MA 19 hatte keine Einwände gegen das Erscheinungsbild.
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Parken sollen in der neuen Garage Kundinnen, Patienten und PV-Mitarbeitende. Die Vorbereitungen für den Bau haben bereits begonnen: Anfang der Woche wurden auf der Grünfläche Bäume gerodet. Das heizt die Diskussion um das Bauvorhaben erneut an: Heftig darüber diskutiert wurde nämlich bereits 2018, als die Pläne der PV erstmals publik wurden.

Doch warum hält die Pensionsversicherung an der Garage fest? Und wie erhält ein Projekt, bei dem eine bepflanzte Fläche ausgerechnet für Autos versiegelt wird, grünes Licht?

Baupolizei an Flächenwidmung gebunden

Fest steht: Rein rechtlich betrachtet gibt es keine Handhabe gegen die Garage. Das Grundstück, auf dem sie gebaut werden soll, gehört (abgesehen vom Grünstreifen) der PV. Gewidmet ist es laut Flächenwidmungs- und Bebauungsplan als Wohngebiet/Geschäftsviertel, Bauklasse drei, geschlossene Bauweise. 2018 suchte die PV um eine Baubewilligung für die Garage an, 2019 erhielt sie diese auch.

Das liege daran, dass sich das eingereichte Projekt innerhalb des Rahmens bewege, den die Widmung zulasse, sagt Guido Markouschek, technischer Direktor bei der Wiener Baupolizei, zum STANDARD. Alle Vorschriften seien eingehalten worden. Die MA 19, zuständig für Architektur und Stadtgestaltung, habe ebenfalls ihr Okay für die Garage gegeben.

In so einem Fall könne die Baupolizei ein Vorhaben auch gar nicht ablehnen, der Bauherr habe dann einen Rechtsanspruch auf eine Genehmigung, erklärt Markouschek. Festgelegt wird der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan vom Wiener Gemeinderat. Im aktuellen Fall stamme die Widmung aus dem Jahr 2005: "Damals war die grüne Intention noch nicht so vorhanden."

Auch der Bezirk kann nichts gegen die Garage tun: Die Bezirksvorstehung machte zwar 2018 bereits klar, dass sie den Bau ablehnt. Aufhalten kann sie ihn aber nicht: Die Bezirke haben laut Stadtverfassung lediglich das Recht, sich zu äußern – aber keine Parteienstellung.

Garage für Minister "hinterfragenswert"

Die Leopoldstädter Neos sehen nun den grünen Sozialminister Johannes Rauch in der Pflicht. In seiner "Funktion als Aufsichtsbehörde" solle Rauch mit den Verantwortlichen bei der PV das "aus der Zeit gefallene Projekt" evaluieren und einen Baustopp erwirken, appelliert Christian Moritz, pinker Klubchef im Bezirksparlament. Denn in Zeiten der Verkehrswende und des Klimawandels sei es sowohl der Belegschaft als auch den Kundinnen und Kunden zumutbar, mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen.

Sozialmininster Johannes Rauch
Der grüne Sozialminister Rauch, seines Zeichens mit der Aufsicht über die PV betraut, sieht keine Möglichkeit, die Garage "aus ökologischen Gründen zu stoppen".
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Im Ministerium sieht man allerdings keine Chance, die Garage doch noch abzuwenden. "In Zeiten der Klimakrise ist das Projekt einer Hochgarage mit 442 Stellplätzen selbstverständlich kritisch zu hinterfragen", teilt eine Sprecherin von Rauch dem STANDARD schriftlich mit. Die Entscheidung habe die Pensionsversicherungsanstalt als Versicherungsträger in Selbstverwaltung getroffen. "Das Sozialministerium hat als Aufsichtsbehörde keine rechtliche Möglichkeit, dieses Projekt aus ökologischen Gründen zu stoppen", heißt es weiter. Eingreifen könne es nur in Fragen der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit – und das auch nur in bestimmen Fällen.

Pensionsversicherung beharrt auf Notwendigkeit

Und die PV? Die erachtet die Garage jedenfalls für nötig. Erstens kämen viele der rund 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort Handelskai aus den Bundesländern und benötigten Parkmöglichkeiten, sagt eine Sprecherin. Die PV trage zum Wirtschaftsstandort Leopoldstadt bei und sorge dafür, "für Mitarbeitende über die Wiener Landesgrenzen hinaus attraktiv zu sein". Teil dessen sei "eine gute Transportversorgung".

Zweitens befinden sich am PV-Areal nicht nur Haupt- und Landesstelle, sondern auch ein medizinisches Begutachtungszentrum – etwa für Bezieherinnen und Bezieher von Pflegegeld oder Berufsunfähigkeitspension – und ein Zentrum für ambulante Rehabilitation, wo Personen mit orthopädisch bedingten chronischen Schmerzen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen sowie Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates behandelt werden. Viele derer Kundinnen und Kunden seien "in ihrer Mobilität eingeschränkt, weshalb der Pkw ein häufig gewähltes Transportmittel ist", erklärt die Sprecherin.

Die Kapazitäten der bestehenden Tiefgarage seien erschöpft, was zum Ausweichen auf Parkplätze in die umliegenden Anrainerzonen führe: "Speziell diese Zonen sollen mit der Hochgarage entlastet, zugeparkte Wohnanlagen verhindert und auch Lärm und Luftverschmutzung durch langes 'Kreisen' bei der Parkplatzsuche entgegengewirkt werden." Und: Für jeden gefällten Baum pflanze die PV – wie gesetzlich vorgeschrieben – ein oder mehrere Ersatzexemplare.

Fertig sein soll die umstrittene Garage im Jahr 2026. Bis dahin will die PV auch die Generalsanierung von Haupt- und Landesstelle abgeschlossen haben, die ebenfalls jetzt startet. (Stefanie Rachbauer, 17.8.2023)