Eines gleich vorweg: auch im Jahr 2023 ist ein Besuch auf der IFA in Berlin in etwa so spannend wie ein Rundgang im Mediamarkt. In gleich mehreren Hallen reihen sich Stände aneinander, die Handyhüllen, Ladegeräte und andere Produkte mit vergleichsweise geringem Innovationscharakter anpreisen. Es gibt sie aber, die durchaus innovativen und teils schrägen Highlights, wenn man denn lange genug sucht.

Chinesische Hersteller treten auf

Auffällig ist der große Anteil chinesischer Hersteller auf der IFA. Und diese hierzulande oft unbekannten Unternehmen beschränken sich nicht auf die eingangs erwähnten Hüllen und Ladekabel, sondern besetzen teils ganze Hallen, um ihre Produkte auch in Europa bekannter zu machen. Einen großen Stand hat etwa der vor allem auf TV-Geräte fokussierte und hierzulande eher unbekannte Hersteller Chiq, der ein "schräges" Produkt im wahrsten Sinne des Wortes bietet: Einen Fernseher, der sich auf Knopfdruck von den Querformat- in den Hochformat-Modus rotieren lässt. Mit Hilfe der integrierte Webcam sollen so zum Beispiel Videokonferenzen mit Personen erleichtert werden, die ihr Handy im vertikalen Modus halten.

Chiq Fernseher
STANDARD/Stefan Mey

Vom gleichen Hersteller wird auch ein 55 Zoll großer Fernseher mit einem trasparenten OLED-Screen geboten. Man kann also - wenn entsprechender Content ausgespielt wird - auch die Wand hinter dem Bildschirm sehen. Technisch mag das interessant sein, der praktische Nutzen erschließt sich jedoch nicht ganz.

Transparenter OLED
STANDARD/Stefan Mey

Eine ganze Halle hat wiederum das chinesische Unternehmen TCL gemietet. Hier werden diverse Produkte aus dem Home-Entertainment-Bereich geboten. Das Highlight: Eine Augmented-Reality-Brille namens "Ray Neo X2", die neben Sprachsteuerung und Sprachausgabe durch transparente Screens in den Brillengläsern auch virtuelle Objekte über die Realität legt. Der STANDARD hat die Brille einem kurzen Hands-on unterzogen. Erster Eindruck: auch wenn die Steuerung noch etwas zu sensibel ist und einzelne Anwendungen einen Neustart nötig machten, so sind die Grundfunktionen bereits nutzbar. Unter anderem konnte ich eine Runde "Snake" spielen, das Spiel wurde dabei einfach über den Messestand projiziert. Vorerst wird die Brille leider nur in China verfügbar sein.

Brille
STANDARD/Stefan Mey

Abfälle jeder Art

Gleich mehrere Hersteller, darunter auch das chinesische Unternehmen Mumu, setzen auf ein Thema, das man auf einer Tech-Messe weniger erwarten würde: Kompost. Hier werden Gadgets angeboten, die auf den ersten Blick an Brotbackautomaten erinnern. In diese werden Küchenabfälle geleert, welche sich innerhalb von vier bis acht Stunden in Kompost verwandeln sollen. Dieser kann wiederum im Garten zum Düngen verwendet werden.

Die Hersteller werben unter anderem damit, dass ihre Gadgets im Gegensatz zu herkömmlichen Komposthaufen keine unangenehmen Gerüche verbreiten. Neben Obst und Gemüse können auch Fleisch und Knochen kompostiert werden. Der Preis des Mumu-Komposters liegt bei 540 Dollar, ab kommendem Jahr soll er auch hierzulande via Amazon verfügbar sein. Die Stromkosten sollen bei rund 20 Cent pro Kompostierung liegen.

Mumu Komposter
STANDARD/Stefan Mey

Abfällen anderer Art - nämlich den menschlichen - widmet sich das deutsche Unternehmen Bellaria: Der "Air Seat" ist eine Toilette, die sich automatisch von selber reinigt. So erkennt ein Sensor, wenn die entsprechende Person aufsteht, anschließend schließt sich der Klodeckel und eine automatische Reinigung beginnt. Das soll vor allem für Betreiber von öffentlichen Toilettenanlagen interessant sein. Mit dem ebenfalls angebotenen "Air Cube" soll es wiederum auch für Privatmenschen möglich sein, eine bestehende Toilette aufzurüsten. So muss seltener geputzt werden. Gegründet wurde das Start-up übrigens von niemand anders als dem ehemaligen Profi-Fußballer Giuseppe Leo.

Bellaria Airseat
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A propos Start-ups: ebenfalls in der eigens für Jungunternehmer reservierten Halle findet sich das französische Unternehmen Y-Brush, das "Zähneputzen in zehn Sekunden" verspricht. Über ein Gadget, das man sich in den Mund steckt. Wer in den vergangenen Jahren die österreichische Gründerszene halbwegs aufmerksam beobachtet hat, der weiß: Das gab es schon mal. Und es hat nicht funktioniert.

Y-Brush
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Roboter, Roboter, Roboter

Eine eigene Halle auf der IFA widmet sich ausschließlich dem Thema Robotik, und hier finden sich Spielzeuge ebenso wie Geräte für die Forschung und Roboter für einen smarten Haushalt. Für Entzücken sorgen etwa die Miniatur-Transformers des Unternehmens Robosen. Optimus Prime und Bumblebee können per App oder per Sprache gesteuert werden, sie können typische Autobot-Sätze von sich geben ebenso wie tanzen. Hinter der Spielerei steht auch der Gedanke, Kindern auf diese Weise das Programmieren beizubringen. Günstig ist das nicht: der kleine Bumblebee kommt laut Prospekt auf 499 Euro, Optimus Prime auf mindestens 699 Euro.

Transformers
STANDARD/Stefan Mey

Auf der Haushaltsseite präsentiert das Unternehmen Aiper wiederum Poolroboter, die auch Wände hochfahren können und einen schwimmenden Skimmer-Roboter, der selbständig Blätter von der Oberfläche des Pools fischt.

Aiper
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Das Start-up Eeve aus Belgien wiederum hat einen Roboter entwickelt, der nicht nur den Rasen mähen, sondern auf Basis von Sensorik und Objekterkennung auch vor Einbrechern warnen und Unkraut vernichten kann. Die gleiche Sensorik soll auch zur Erkennung von Kleintieren wie Igeln beitragen, so dass der Roboter diesen ausweicht, während er den Rasen mäht. Hergestellt wurde das Gerät im 3D-Drucker, und die Entwickler stellen ihren Kunden die CAD-Dateien zur Verfügung, so dass diese Ersatzteile drucken oder ihren eigenen Roboter aufmotzen können. Maker mit Haus frohlocken.

Eeve
STANDARD/Stefan Mey

A propos Maker: Diese dürften mit den smarten Schneidemaschinen des Herstellers Cricut Freude haben. Die Geräte werden per Bluetooth mit dem Smartphone verbunden und anschließend mit Vorlagen gefüttert, auf deren Basis Materialien ausgeschnitten werden. Die günstigeren Geräte können Papier und Folien - auch etwa zum Bedrucken von T-Shirts - ausschneiden, die größeren Geräte können auch Holz schneiden und gravieren. Und das zu einem Preis, der sich im Gegensatz zu Profi-Lasercuttern bewusst an Hobbyisten und Bastler richtet: Das Mittelklasse-Gerät, das auch Holz schneiden kann, kostet weniger als 500 Euro. (Stefan Mey, 2.9.2023)

Circut
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Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Flug und Unterkunft im Rahmen der Pressereise nach Berlin wurden von AVM gezahlt.