Schule Wien
Im Osten Österreichs hat die Schule am 4. September wieder begonnen. Im Bild: der erste Schultag an eine Volksschule in Wien.
APA/EVA MANHART

Für rund 502.000 Schülerinnen und Schüler in Wien, in Niederösterreich und im Burgenland beginnt am Montag das neue Schuljahr. Für 42.500 ist es der allererste Schultag. Der Rest des Landes startet kommende Woche. Bildungsminister Martin Polaschek hat zum Schulbeginn im Osten des Landes einen neuen Schwerpunkt an den Schulen vorgestellt, der für das Schuljahr 2023/24 gelten soll: Er dreht sich um die Verbesserung der Lesekompetenz.

Denn Lesen sei "die Schlüsselkompetenz, um sich die Welt zu erschließen und ein selbstbestimmtes Leben führen zu können". Sinnerfassendes Lesen sei "die Grundlage für eine erfolgreiche Bildungs- und Berufslaufbahn", und es bilde "das Fundament für Wissen, Kreativität und kritisches Denken". Davon sei er als Wissenschafter überzeugt, und das belegten auch zahlreiche internationale Studien, sagte der Minister am Montag bei einer Pressekonferenz. Deshalb wolle er sich dieser Grundkompetenz widmen.

Polaschek verwies auf die letzte Pisa- sowie die letzte "Pirls"-Studie, wonach Österreich bei der Lesekompetenz im internationalen Durchschnitt liegt – im besseren Mittelfeld zwar, und das habe sich in der Corona-Pandemie zumindest nicht allzu stark verschlechtert, aber: Das soll nun besser werden, kündigte der Minister an. Sein Ziel sei es, dass das Bildungssystem Schülerinnen und Schüler beim Erwerb ihrer Lesekompetenzen "systematisch noch mehr unterstützt".

"Gesamtgesellschaftliche Lesebewegung"

Dafür sei es aber zunächst einmal wichtig, "dass Kinder frühzeitig mit Büchern in Berührung kommen", weshalb Polaschek auch die Familien und den Bereich der Elementarpädagogik "sehr intensiv" einbinden möchte. Die "Lesemotivation und Leselust sollen ein persönliches Bedürfnis von Schülerinnen und Schülern werden". Polaschek sprach davon, "eine gesamtgesellschaftliche Lesebewegung starten" zu wollen. Schließlich habe sich auch "die Bandbreite der Lesebereitschaft stark erweitert: Wir lesen ständig und überall." Es gehe also auch darum, Informationen aus dem Internet schnell und möglichst fehlerfrei herauslesen zu können.

Polaschek nannte konkret folgende Maßnahmen: Im kommenden Schuljahr sollen neue Lehrpläne in Kraft treten, in denen das Lesen prominent verankert ist. Sichergestellt werden soll so, dass in allen Unterrichtsgegenständen auf erfolgreiches Lesen geachtet wird. Sogenannte Lesebotschafterinnen und -botschafter sollen in die Klassenzimmer kommen: also bekannte Personen des öffentlichen Lebens, die in der Welt von Kindern und Jugendlichen eine Bedeutung spielen und "ihre Persönlichkeit und Werte, die sie mit Lesen verbinden", vorstellen. Sie sollen – ähnlich den Wissenschaftsbotschafterinnen und -botschaftern an Schulen – als Motivationshilfe verstärkt eingeladen werden.

Bundesweites Lesegütesiegel

Nach niederösterreichischem Vorbild soll bundesweit ein Lesegütesiegel für Schulen eingeführt werden: Dieses soll als Anreiz dienen, um innovative Leseprojekte voranzutreiben. Jene Schulen, die "das Lesen als ganzheitliche Aufgabe am Standort etablieren und die Leseleistungen ihrer Schülerinnen und Schüler durch gezielte Maßnahmen deutlich verbessern", sollen dann entsprechend ausgezeichnet werden, sagte Polaschek. Außerdem kündigte der Minister etwa unterstützende Begleitmaterialien für das Lehrpersonal an – vor allem für den digitalen Bereich – sowie den verstärkten Einsatz des Modells der Lesetandems im Unterricht: Kinder und Jugendliche, die bereits gut lesen können, sollen jene unterstützen, die noch Probleme damit haben.

Polaschek bestätigte dann auf Nachfrage seine wiederholte Zusicherung, dass trotz des akuten Lehrermangels im Osten im angelaufenen Schuljahr alle Unterrichtsstunden abgehalten werden können. Eine Zahl, wie viele Lehrkräfte österreichweit fehlen, wollte er auf Mediennachfrage nicht nennen.

Mangel an Lehrpersonal

Seinen Informationen zufolge könnten allerdings alle kurzfristigen Ausfälle, wie etwa solche durch Krankenstände, abgefedert werden. Notfalls würde auf Lehramtsstudentinnen und -studenten zurückgegriffen werden. Polaschek verwies auch auf die 600 neu angestellten Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger. Insgesamt seien nun rund zehn Prozent der Lehrenden an Schulen Personen, die nicht über ein einschlägiges Studium ausgebildet worden seien.

Die oppositionelle Partei Neos kritisierte den Bildungsminister noch vor dessen Pressekonferenz. Die pinken Politikerinnen und Politiker nutzten den Schulstart im Osten Österreichs für eine Protestaktion vor dem Bildungsministerium. Sie forderten den zuständigen Minister dabei zum Abbau der "überbordenden Bürokratie in den Schulen" auf. "Das Bürokratiemonster gehört eingefangen", sagte Neos-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger Montagfrüh vor Medien auf dem Minoritenplatz.

Angesichts der vielen Listen, Formulare und Protokolle, die Lehrkräfte besonders zum Schulbeginn ausfüllen müssten, bleibe kaum Zeit für den eigentlichen Job: das Unterrichten und die Zeit mit den Kindern, kritisierte Meinl-Reisinger. "Das Schlimmste an diesen Listen ist, sie landen meist in Ablagen", die Bürokratie sei damit zum Großteil ein Selbstzweck.

"Echte Bildungsreform" gefordert

Neos-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre wiederum warf dem Bildungsminister vor, lediglich "ein braver Verwalter" zu sein, aber keine Visionen zu haben. Nötig sei eine "echte Bildungsreform". Mit einer Petition wollen die Neos den Druck auf Polaschek erhöhen: Gefordert wird darin neben einer radikalen Entrümpelung der bürokratischen Vorschriften an Schulen eine raschere Digitalisierung mit einheitlichen digitalen Systemen und mehr Unterstützungspersonal für die Verwaltung in den Schulen.

Minister Polaschek Bildung Lesen Schule
Minister Polaschek will die Lesekompetenz stärken.
IMAGO/SEPA.Media/Michale Indra

Auf die Kritik angesprochen, sagte Polaschek später: Es sei bereits "einiges" passiert, seitdem er im Amt sei. Polaschek verwies unter anderem auf die Einführung des Fachs "Digitale Grundbildung" und die Erhöhung des unterstützenden Personals im administrativen Bereich von 400 auf 700, das "immer mehr an Schulen ankomme". Er räumte aber auch ein, dass ihm "bewusst ist", dass es bei letzterem Punkt "zusätzliche Entlastungen" geben müsse.

Einen "Ankündigungsminister ohne Umsetzungswillen" nannte hingegen FPÖ-Bildungssprecher Hermann Brückl Bildungsminister Polaschek. "Was hat denn der Minister eigentlich seit dem letzten Jahr in dieser Frage unternommen? Der Lehrermangel ist nämlich seit Jahren evident, daher hätte Polaschek schon längst eine Dauerlösung erarbeiten müssen, denn Eltern, Schüler und Lehrer brauchen Sicherheit und Planbarkeit“, schrieb Brückl in einer Aussendung.

Mehr Klimaproteste angekündigt

Auch die Letzte Generation nützte den ersten Schultag für eine Reihe von Straßenblockaden. In Wien, aber auch in Graz, Innsbruck, Wels und Klagenfurt kam es zu einigen Aktionen der Gruppe, die sich für mehr Klimamaßnahmen einsetzt. In der Bundeshauptstadt etwa klebten sich vier Aktivistinnen und Aktivisten am frühen Morgen auf die Fahrbahn im Bereich des Schubertrings und des Schwarzenbergplatzes. Auch einige Mitglieder der Omas gegen rechts waren laut ORF anwesend. Die Aktion wurde nach einer halben Stunde von der Polizei aufgelöst. In Graz wiederum kam es Montagmorgen rund um den Kaiser-Josef-Platz kurzfristig zu umfangreichen Staus.

Eine Sprecherin der Letzten Generation hatte schon am Sonntag im Gespräch mit dem "Kurier" den Auftakt einer landesweiten "Septemberwelle" angekündigt. Die Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation setzen sich für mehr Klimamaßnahmen wie etwa Tempo 100 auf der Autobahn ein. Bekannt sind sie vor allem dafür, durch Sitz- und Klebeblockaden an neuralgischen Punkten den Frühverkehr aufzuhalten. (giu, 4.9.2023)