Mateja Zver steht auf dem Spielfeld. Hat kabellose Kopfhörer im Ohr. Im Hintergrund schimmert die blaue Anzeigetafel.
Sloweniens Kapitänin Mateja Zver wandelte sich zur lauten Stimme im Kampf gegen ungerechte Behandlung.
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Sie hatten genug von ihren Trainern. Von Trainern, die bloßstellten, schimpften, tranken, auf veralteten Methoden beharrten und körperlich gar nicht in der Lage waren, ein Training zu leiten. Als die Spielerinnen intern meldeten, wie mit ihnen umgegangen wird, wurden sie ignoriert. Also gingen sie an die Öffentlichkeit.

Die slowenische Nationalmannschaft der Fußballerinnen musste sich offenbar jahrelang sexistische, homophobe und unprofessionelle Chefs gefallen lassen. Weil mit der Zeit manche von ihnen psychologische Hilfe in Anspruch nehmen mussten, schlossen sich die Fußballerinnen zusammen: Sie schrieben auf, was ihnen widerfahren war, und schickten einen Brief an den slowenischen Verband NZS. Als eine Antwort ausblieb, stellten sie den Brief online. Reicht das, um einen Kulturwandel auszulösen?

Zver: "Es war einfach zu viel"

"Wir wollen nicht, dass das, was in unserem Team passiert ist, irgendwo anders vorkommt", sagt Mateja Zver dem STANDARD. Die 35-Jährige ist Sloweniens Kapitänin und eine der Mitinitiatorinnen des offenen Briefs. Seit mehr als acht Jahren spielt sie für Österreichs Serienmeister SKN St. Pölten. Über die Vorfälle im Nationalteam sagt sie: "Es war einfach zu viel."

Im Brief fordern die Kickerinnen die Entlassung von Cheftrainer Borut Jarc und seinem Assistenten. 31 Nationalspielerinnen haben ihn unterzeichnet. Die Missstände reichen von uninspirierten Einheiten bis hin zu anzüglichen Nachrichten.

Videoanalysen? Überflüssig.

Seit Monaten pochen die Spielerinnen auf gleiche Bedingungen in Trainingscamps wie im männlichen Nationalteam. Bei den Frauen liefen Lehrgänge stets nach demselben Schema ab. "Wir wussten immer schon, was kommt", sagt Kapitänin Zver. Die Einheiten waren eintönig, vorhersehbar, hatten keinen Effekt.

Taktik hielt Trainer Jarc für überbewertet, er schickte seine Auswahl immer mit der gleichen Ansprache in Matches. Videoanalysen hielt er für überflüssig, die Spielerinnen schauten sich allein Aufzeichnungen der Gegnerinnen an und zogen daraus selbst ihre Schlüsse.

Mateja Zver schießt einen Ball.
Mateja Zver spielt seit mehr als acht Jahren für Österreichs Serienmeister SKN St.Pölten.
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Zver erzählt außerdem, Jarc und seine Assistenten hätten sich nie bei jenen Vereinen erkundigt, bei denen die Teamspielerinnen unter Vertrag stehen. "Es gab null Kontakt. Wir spielen alle im Ausland, sehen, wie andere arbeiten", sagt Zver. Bei Teamkolleginnen habe sie beobachtet, wie sie von Nationaltrainern kontaktiert und besucht werden. Sloweniens Trainerteam ging offenbar den Weg des geringsten Aufwands.

"Macho" wehrt sich

Beim SKN St. Pölten trägt Zver den Spitznamen "Macho". Sie gilt als die selbstbewussteste Spielerin der Mannschaft. Trotzdem hielt sie sich mit Kritik an Vorgesetzten zurück. "Ich dachte immer: So eine Person bin ich nicht", sagt Zver. Negative Gedanken schob sie gern zur Seite. Doch die Zeit im Nationalteam hat die 35-Jährige verändert.

Jarc soll Spielerinnen zum Teil wüst beschimpft haben. Er dürfte auch Bodyshaming betrieben haben und dabei vorgegangen sein wie in der Gladiatorenarena im antiken Rom: Vor versammelter Mannschaft und dem gesamten Betreuerstab musste jede Spielerin einmal ihr Gewicht bewerten. Wenn sie zufrieden war, sollte sie ihren Daumen nach oben strecken. Falls nicht: Daumen runter.

Der Betreuerstab übte solchen Druck aus, dass einige Profis professionelle psychologische Hilfe holten. Trainer machten Bemerkungen über die sexuelle Orientierung und das Privatleben der Spielerinnen. Die Betreuer dürften zudem ein Alkoholproblem haben, sie schmuggelten gar Bierdosen auf Trainingsplätze und zu Auswärtsmatches. Ein Mitglied des Trainerteams schickte einer 21 Jahre alten Spielerin anzügliche Nachrichten auf Social Media.

Rücktritt und Unsicherheit

Stress und Ärger raubten Zver den Schlaf. "Man muss junge Spielerinnen schützen, sie unterstützen und nicht schlechtreden", sagt sie. "Ich habe für mich gelernt: Man muss im Leben stark sein. Früher war ich vielleicht zurückhaltend. Jetzt nicht mehr."

Der slowenische Verband antwortete nie auf den offenen Brief. Stattdessen veröffentlichte man eine Presseaussendung, in der es hieß, die Bestellung des Trainerteams liege außerhalb des Kompetenzbereichs der Spielerinnen. Zudem wurde subtil Druck ausgeübt, indem verlautbart wurde, man werde künftig nur Spielerinnen einberufen, die professionell arbeiten würden und mit ganzem Herzen bei der Sache seien.

Borut Jarc
Borut Jarc trat im September als slowenischer Teamchef zurück.
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Anfang September die Kehrtwende: Jarc trat zurück. Er könne unter diesen Umständen nicht weiterarbeiten, verlautbarte er. Gleichzeitig wies er alle Anschuldigungen von sich. NZS bestreitet, dass die Vorwürfe vor Veröffentlichung des offenen Briefs je mit dem Präsidenten besprochen wurden.

In der Mannschaft herrscht ein Gefühl der Unsicherheit, sagt Zver. Drei Tage vor dem nächsten Lehrgang, der am Montag beginnt, wussten die Spielerinnen noch nicht, wer sie trainieren wird. Sie möchten kämpfen, diskutieren, Spaß haben, Matches verlieren und daraus lernen, besser werden, im besten Fall bei einer Europameisterschaft kicken. Zver hofft auf Veränderung und sagt: "Wir wollen nur Fußball spielen." (Lukas Zahrer, 18.9.2023)