Menschenmenge mit blauen Geistern
Wer sind die neuen FPÖ-Wählerinnen und -Wähler?
Collage: derStandard/Friesenbichler Foto: GettyImages

32 Prozent. Das ist ein neuer Spitzenwert den die Freiheitlichen zuletzt in Umfragen erreicht haben. Aber was zieht Wählerinnen und Wähler, auch solche, die nie zuvor die FPÖ gewählt haben, zu den Freiheitlichen? Oder anders gefragt: Warum gerade blau?

Ein ehemaliger ÖVP-Stammwähler, eine einstige SPÖ-Anhängerin, ein früherer Grüner und ein Wechselwähler erzählen von ihren Beweggründen.

Klaus: Keine Stimme für Heuchler

"Gefühlt seit er denken kann", habe er die ÖVP gewählt. Alle Höhen und Tiefen in der Partei mitgetragen. "Stets loyal und tiefschwarz im Herzen", sagt Klaus. Mit großer Euphorie habe der Oberösterreicher vor allem auch den Aufstieg von Sebastian Kurz miterlebt und "die türkis-blaue Bundesregierung als das Beste seit vielen Jahren für Österreich empfunden".

Doch die Neuwahlen und die darauffolgende grüne Regierungsbeteiligung seien für ihn "bereits der erste Stich ins schwarze Herz" gewesen. Damit hätte der 39-Jährige zwar noch "irgendwie" leben können. Dann kam das Virus.

Und die damit verbundenen Maßnahmen: "Mit dem Corona-Wahnsinn, dem sinnlosen Einsperren der Menschen und der Impfpflicht, bei dem die ÖVP-Vertreter an vorderster Front mitgemacht haben, war es für mich vorbei." Nie wieder bekämen "diese Heuchler" eine Stimme von ihm. "Ich wünsche mir schnell Neuwahlen und eine starke FPÖ, die dieser Entmündigungspolitik ein Ende setzt."

Nicole: Für die "eigenen Leute"

Nicole Steiner ist "Gärtner", wie sie selbst formuliert. Und folgerichtig auch "FPÖ-Wähler". Als solche(r) mit vollem Namen in der Zeitung genannt zu werden geht für die 33-Jährige in Ordnung – eine Seltenheit in der blauen Gefolgschaft. "Ich stehe einfach hinter dieser Politik", sagt Steiner. Vom Gendern hält sie wenig, von der FPÖ dafür umso mehr.

Den Bürgermeister ihrer oberösterreichischen Heimatstadt Wels unterstützt sie regelmäßig als Freiwillige bei Festen und Events. Seit circa zwei Jahren ist sie Mitglied der FPÖ, seit rund weiteren acht wählt sie diese bereits. "Nicht automatisch" – das ist Steiner wichtig. "Ich schaue schon immer, was die anderen Parteien machen und ob mir eine mehr zusagt." Zuletzt: Fehlanzeige.

Als Jungwählerin, mit 18, unterstützte Steiner noch die SPÖ: "Da habe ich mich noch nicht so mit Politik auseinandergesetzt. Die FPÖ ist mehr für den kleinen Mann, den Arbeiter." Das sieht sie trotz Spesenaffäre um Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache so: "Für mich war das nicht die Partei, sondern eine Person."

Ihr sage zu, dass sich die FPÖ so für die "eigenen" Leute einsetze – Steiner subsumiert darunter all jene, die zur Gesellschaft beitragen: "Auch jene, die vielleicht keine österreichische Staatsbürgerschaft haben." Und die "anderen"? "Das sind die, die nichts fürs System tun." Mit diesem Kurs, so hofft die Oberösterreicherin, werde es Herbert Kickl zum Kanzler bringen – und "für frischen Wind" sorgen.

Reinhard: Angst vor der "Zerstörung der Kultur"

Eigentlich gefallen ihm ja die Neos – zumindest deren Wirtschaftspolitik, sagt Reinhard. Die Pinken fehlen ihm auch noch in der Sammlung. In der Jugend habe er SPÖ gewählt. Dann kam Jörg Haider, und Reinhards Stimme wanderte zur FPÖ. "Er ist mit seinem Populismus aber gescheitert", findet der heute 58-Jährige.

Es folgte der neuerliche Parteiwechsel: "Wolfgang Schüssel hat mir gefallen." Von der ÖVP verschlug es den Burgenländer aber wieder zurück zur FPÖ, jener von Heinz-Christian Strache. Und dann? Nichts. Fünf Jahre sei er nur zu einer "unbedeutenden Kammerwahl" gegangen. Abstimmungen über Nationalrat, Bundespräsident und Landtag habe er ausgelassen. "Ibiza hat mich zwar nicht besonders interessiert", sagt er. Was ihn aber gestört habe: "Eine Staatsreform im Sinne einer Verschlankung der Verwaltung – das machen auch die Blauen nicht, wenn sie regieren."

Bei der Nationalratswahl 2024 will er seine Stimme wieder abgeben. Nicht den Neos, die sind ihm in der Migrationspolitik zu lasch. Reinhard wählt Blau. Weil er mit der FPÖ beim Thema Zuwanderung und Schlepperei übereinstimmt. "Es zerstört unsere Werte und Kultur, wenn tausende oder zehntausende junge Männer aus Syrien oder Afghanistan zu uns kommen", behauptet er.

Was ihn sonst noch an den anderen ärgert? "Die Corona-Lockdowns für Ungeimpfte waren brutal", sagt er – obwohl er selbst geimpft war.

Johann: Gegen den "Impfzwang"

Für Johann ist es ein radikaler Parteiwechsel. Auch er hat schon mehrere Farben auf seiner Wahlkarte: Erst waren da die Roten, von denen er sich abgewandt hat. "Die SPÖ hat mich nicht mehr so angesprochen. Die grüne Bewegung lag mir von ihrer politischen Linie näher, besonders was den Umweltschutz betrifft", sagt der 65-Jährige. Begonnen habe es mit Peter Pilz, auch Werner Kogler sei im sympathisch gewesen. Die Grünen – für Johann eine willkommene Alternative.

Das änderte sich während der Pandemie. 2022 beschloss der Nationalrat die Covid-19-Impfpflicht. "Das war für mich ein gesellschaftlicher Bruch", sagt er. Zweimal ließ sich Johann zuvor "aus Bequemlichkeit" impfen, dann war Schluss. Den dritten Stich holte er sich "aus Prinzip" nicht. Einem "Zwang" wollte er sich nicht unterwerfen.

Dass die Polizei kontrollieren sollte, ob in Lokalen nur Geimpfte und Getestete sind, war eine Maßnahme, die man sonst nur von autokratischen Staaten kennt. Das hat mich erschüttert", sagt er. Und er beschloss, sein Wahlverhalten zu ändern und "aus Protest" zu den Blauen zu wechseln. Bei der Landtagswahl stimmte der Niederösterreicher erstmals für die FPÖ, 2024 soll die Bundeswahl folgen.

Dass er erneut Farbe wechsle, sei möglich. Dann, wenn "die Leute, die die Impfpflicht beschlossen haben, nicht mehr da sind – oder sich ehrlich entschuldigen würden". (Oona Kroisleitner, Stefanie Rachbauer, Markus Rohrhofer, 24.9.2023)