Die Verhandlung läuft erst seit dreißig Minuten, doch die Richterin greift sich bereits an den Kopf. Der Ton zwischen den Streitparteien ist entnervt bis feindselig, es werden Rechtspraktiken erwogen, die die Richterin "in 20 Jahren nicht erlebt" haben will. Im Prozess am Arbeits- und Sozialgericht in Wien geht es um schwere Vorwürfe, die eine Managerin gegen den ORF erhebt. Sie sei jahrelang von einem Vorgesetzten sexuell belästigt worden. Der STANDARD berichtete.

Die Frau klagte ihren Arbeitgeber nun, da sie sich an einen Arbeitsplatz abgeschoben sieht, der nicht ihrer Qualifikation gerecht werde. Bei einem Bewerbungsverfahren für eine andere Stelle sei sie aufgrund ihres Geschlechts nicht zum Zug gekommen, obwohl ihre fachliche Eignung über der des ihr vorgezogenen Bewerbers liege.

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Eine Managerin klagt den ORF, das Verfahren zieht sich.
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Darauf bezieht sich eine der außergewöhnlichen Maßnahmen, die im Verfahren diskutiert werden: Die Klägerseite will von einem Sachverständigen prüfen lassen, ob die Managerin die Stelle bekommen hätte sollen. Der erste Konfliktpunkt in dieser Verhandlung schon nach wenigen Minuten. Die Rechtsvertretung des ORF sieht das Bewerbungsverfahren nicht für eine Prüfung durch einen Sachverständigen geeignet. Der Richterin fehlt ein konkreter Anhaltspunkt dafür, dass bei der Entscheidung über die Stellenbesetzung "etwas nicht richtig gelaufen" sei.

"Seit Jahren" auf Gespräche gewartet

Die Frage, ob ein Sachverständiger zugezogen wird, rückt dann aber in den Hintergrund. Die Rechtsvertretung des ORF weist daraufhin, dass die berufliche Zukunft der Klägerin im Unternehmen derzeit völlig in der Luft hänge. Intern könne darüber aber kaum noch kommuniziert werden, "da Mails sofort im Gerichtsakt landen". Die Richterin schlägt daraufhin vor, noch einmal Vergleichsverhandlungen aufzunehmen. Beide Parteien stimmen zu, die Klägerin will genau darauf ohnehin "seit Jahren gewartet" haben. Die Journalistinnen müssen den Saal verlassen.

Nach zweistündigen Gesprächen dürfen die Medienvertreter wieder in den Gerichtssaal - für einen Satz: "Die Chance auf eine Einigung lebt". Interviews will danach keine der beiden Parteien geben.

Für die weiteren Verhandlungstage gäbe es noch eine lange und namhafte Liste an Zeugen, darunter der frühere ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz sowie der aktuelle, Roland Weißmann. Der nächste Verhandlungstermin ist für den 17. November angesetzt. (Antonia Rauth, 24.9.2023)