Kreuze aus den Überresten der auf der Insel gelandeten Boote auf dem Friedhof von Lampedusa, wo Opfer der Schiffbrüche begraben sind.
EPA/Ciro Fusco

Ein Foto zeigt ein Schiff der italienischen Küstenwache auf dem Weg in den Hafen von Lampedusa. Es ist mit Migranten überfüllt. Auf einem zweiten sind junge schwarze Männer zu sehen, die sich auf der kleinen Insel hinter einer Absperrung drängen. Die Pressebilder zur Lage auf Lampedusa zeugen von Überlastung und Enge.

Und sie dokumentieren die Abschottungsfolgen an den Staatsgrenzen weiter nördlich. Ein Foto bildet die abgeriegelte italienisch-französische Grenze bei Menton ab. Hinter Polizeigittern warten leere Busse auf weitergereiste Bootsflüchtlinge. Aus Angst vor zu vielen Fremden wird Schengen ein weiteres Mal geschwächt. Und der „Spiegel“ fragte auf seinem Cover jüngst mit einer Menschenschlange im Hintergrund: "Schaffen wir das noch mal?"

Schritt in Richtung Willkür

Hinzu kommen Wortspenden der politisch Verantwortlichen, die in Italien inzwischen mehrheitlich dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sind. Da spricht Meloni von einem "globalen Krieg" gegen Menschenhändler und "illegale Einwanderung", den die Uno führen müsse. Da meldet sich in Frankreich als Verbündete im Geiste Ex-Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen zu Wort: Italien und Europa als Ganzes seien mit einer "Überschwemmung" durch Migranten konfrontiert. Menschen zur Naturkatastrophe erklären, das ist ein Schritt in Richtung Willkür.

Solche Äußerungen – und Bilder – senden Wellen rechter politischer Kommunikation quer durch Europa. Leider mit Erfolg: Zwar betragen die jüngsten Ankunftszahlen auf Lampedusa nur einen Bruchteil jener 850.000, die während der großen Fluchtbewegung 2015/16 in der EU registriert wurden. Und nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine wurden binnen drei Monaten vier Millionen Menschen in EU-Ländern aufgenommen.

Verstärkte Grenzkontrollen

Nun aber erwägt ein Staat nach dem anderen, wegen weniger als 20.000 Ankünften auf Lampedusa in mehreren Wochen die Grenzkontrollen zu verstärken.

Diese rechtsextreme Symbolpolitik um eine kleine Insel trägt dazu bei, dass Flucht- und Migrationsereignisse von immer mehr Menschen europaweit so interpretiert werden, wie es den rechtsextremen Ideologien entspricht. Zunehmend wabern Vorstellungen von "Bevölkerungsaustausch" und kommenden Abwehrkämpfen in den Köpfen.

Dabei würde sich ein Blick hinter die Kulissen lohnen, um sich zum Beispiel über die konkreten Ursachen der verstärkten Ankünfte auf Lampedusa Klarheit zu verschaffen. Die dichtbesetzten Boote nämlich, die in den vergangenen Wochen das nur 180 Kilometer von der tunesischen Küste entfernte Eiland angepeilt haben, sind großteils das Ergebnis schlechter Migrationspolitik.

 Versprochenes Geld

Im Juli reiste Meloni zusammen mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen nach Tunis und versprach der dortigen Regierung viel Geld. Mehr als eine Milliarde Euro sollte das Land erhalten, so dort die Migranten davon abgehalten würden, in die Boote zu steigen.

Welche konkreten Schritte Tunis setzen solle, um die Lage der Flüchtlinge im Land zu verbessern, wurde aber nicht besprochen. Berichte über Migrantenvertreibungen bei fortwährend guten Geschäften der Schlepper hatten zwar Kritik an dem Deal zur Folge – aber leider zu spät. Die Ankünfte auf Lampedusa dann boten Meloni die Chance, die Ereignisse als eine Art Invasion zu framen. Würde jemand Rechtsextremen in Europa den Teppich legen wollen – besser könnte er oder sie es fast nicht machen. (Irene Brickner, 25.9.2023)