Mit der Inflation steigen die Mieten – so ist das in vielen Mietverträgen durch Wertsicherungsklauseln festgelegt. Und so ist das in den letzten Jahrzehnten bei hunderttausenden Mietverträgen auch passiert. Aber war das auch wirklich rechtens?

Im kommenden Jahr dürfte sich der OGH mit der Causa beschäftigen.
Im kommenden Jahr dürfte sich der OGH mit der Causa beschäftigen.
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Manche Experten hinterfragen gerade, ob hunderttausende Wohnungsmietverträge in Österreich möglicherweise nicht ganz rechtskonform sind – nämlich in dem Sinn, dass die darin enthaltene Wertsicherungsklausel nicht dem Konsumentenschutzgesetz (KSchG) entspricht. Massive Zweifel daran schürte der Oberste Gerichtshof (OGH) in gleich zwei Verfahren in den vergangenen Monaten, allerdings betrafen beide sogenannte Verbandsklagen. Eine solche kann von Verbänden eingebracht werden, die in Paragraf 29 des KSchG aufgezählt werden – darunter die Arbeiterkammer und der Verein für Konsumenteninformation (VKI).

Ob die Entscheidungen auch in Individualverfahren bestätigt werden, ist fraglich, es spricht aber einiges dafür. Die Frage wird ganz sicher vom OGH geklärt werden, doch das dauert noch.

Einstweilen mehren sich die Angebote von Prozessfinanzierern, die ein gutes Geschäft mit Klagen auf die Rückzahlung von möglicherweise rechtswidrig erhöhten Mieten sehen. Der Wiener Anwalt Oliver Peschel war der Erste, er hat im August eine erste "Sammelklage" in dieser Causa angekündigt. Nun berichtet er von einer "deutlich dreistelligen Bewerberzahl". In den nächsten Wochen will er die ersten Klagen einbringen. Und wie von Peschel vorhergesagt, ist er nicht der Einzige geblieben.

Zweiter Anbieter am Start

Mit Mieterklage.at gibt es seit kurzem einen Mitbewerber um den potenziell großen Kuchen an Rückforderungen. Dahinter steckt die R. M. Prozessfinanzierung GmbH von Ronald Mechtler, wie Peschel hat auch er in den vergangenen Jahren Erfahrungen mit Casino-Rückforderungen gesammelt. Und auch er sieht "gute Chancen" für Mieterinnen und Mieter, die sich bei ihm melden, etwas zurückstreiten zu können.

"Wir wollen aber nicht das Blaue vom Himmel versprechen", man werde letztlich erst im kommenden Jahr sehen, "ob es funktioniert". Da wird es zur erwähnten Klärung durch den OGH kommen müssen, um dorthin zu gelangen, braucht es einen Fall, in dem es um einen Streitwert von mindestens 5000 Euro geht, sagt Mechtler. "Wir haben nun aber auch schon Fälle gesammelt, wo der Streitwert 30.000 Euro betragen könnte."

Wie viel sich Mechtler vom zurückerstrittenen Betrag einbehält, konnte er noch nicht so genau sagen, "plus/minus 40 Prozent" sagt er auf Nachfrage, mit Verweis auf die Erfolgsprämien in manchen Casinos-Fällen.

Und auch die Diskussion in Fachkreisen über die Causa hat Fahrt aufgenommen. Die Immobilienwirtschaft versucht sich mit Gegenargumenten zu wappnen, Vertreter der Branche warnen seit Wochen vor voreiligen Schlüssen, man will den Ball flach halten. So auch auf dem jüngsten Bundestag der WKÖ-Immobilientreuhänder in Velden, auf dem Wohnrechtsexperte Christoph Kothbauer einige Einblicke gab. Man solle sich die jeweils getroffenen Wertsicherungsvereinbarungen "genau anschauen", denn es komme auf Details an, riet er den anwesenden Immobilienprofis.

Rufe nach der Politik

Forderungen, es möge doch die Politik angesichts möglicherweise dramatischer Auswirkungen auf Mietverträge und auf Hausbesitzer eingreifen, gibt es ebenfalls, und sie werden lauter. Sowohl Kothbauer als auch der Innsbrucker Zivilrechtsprofessor Andreas Vonkilch halten das auch grundsätzlich für möglich und denkbar, und beide verweisen auf einen Fall aus 2015: Damals hingen nach einem OGH-Spruch plötzlich hunderttausende Zubehörobjekte im Wohnungseigentum quasi rechtlich in der Luft, weil sie nicht im Grundbuch als Zubehör einverleibt waren. Mit der Wohnrechtsnovelle 2015 und der sogenannten Rückkehrlösung wurde das vom Gesetzgeber repariert und somit "aus der Welt geschafft", sagt Vonkilch.

Kommt es zu einer politischen "Reparatur" auch der Indexklausel-Thematik, etwa im Rahmen des von der Regierung ohnehin geplanten Mietendeckels, dann wäre das Geschäft für die Prozessfinanzierer schnell wieder vorbei.

Doch es gibt auch Wohnrechtsexperten, die das nicht so gut finden würden, etwa Walter Rosifka von der Arbeiterkammer. Denn dass die betreffende Bestimmung des KSchG "niemand am Schirm hatte", wie Kothbauer im Juni im STANDARD sagte und nun auch in Velden wiederholte, bezweifelt Rosifka. Er verweist auf einschlägige Judikatur zum KSchG schon aus dem Jahr 2004 und auf drei OGH-Entscheidungen zu Preisänderungen bei Leasingverträgen aus 2009 und 2010, und schon damals sei die Rechtsprechung des OGH sehr klar in dieser Frage gewesen.

"So überraschend kam das also nicht", sagt Rosifka. "Manche Vertragsverfasser waren schlampig, während andere dem Konsumentenschutz ganz bewusst keine Bedeutung beigemessen haben, wie man an den im Umlauf befindlichen Mietverträgen sieht", sagt Rosifka. "Beides kann sich rächen." (Martin Putschögl, 30.9.2023)