Dirndl, Wiesn, Tracht
Gabi Posch führt seit 1999 das Geschäft "Landhaus-Trachten in Wien" am Franz-Josefs-Kai. Mit der Tracht in Berührung kam sie über ihren Vater.
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"Ich bin seit Anfang der 1980er-Jahre im Trachtenbusiness. Das hat auch mit meinem Vater zu tun. Er war Vertreter für die Firma Moser in Salzburg und hat den Vertrieb gemacht. Um Geld zu verdienen, habe ich neben dem Studium bei ihm gearbeitet. Mein Vater ist recht früh gestorben, ich habe mir damals die Frage gestellt, ob ich das Unternehmen übernehmen will, und mich dafür entschieden. Zu seiner Großhandelsagentur gehörten drei Einzelhandelsgeschäfte: eines in Salzburg, eines in Linz und eines in Wien. Jenes in Wien hat mein Vater von einer ehemaligen Kundin bekommen. Es befand sich im Judenviertel am Rudolfplatz. Das war so ein richtiger Laden, wie man ihn früher hatte, wo Großhändler wie Endkonsumenten eingekauft haben. Nachdem sich das Viertel hinter der Börse extrem verändert hat, sind wir Ende der 1990er-Jahre in ein Ladenlokal am Franz-Josefs-Kai gezogen. Seitdem sind wir dort ansässig.

Höhen und Tiefen hatten wir immer. Früher hat man im Großhandel von einem Siebenjahresrhythmus gesprochen: Mal hat die Tracht eine enorme Hochzeit, dann versank sie wieder in einen Dornröschenschlaf. Ich weiß, wovon ich rede; ich arbeite seit 1983 in der Branche. Hinsichtlich des Umgangs mit der Tracht beobachte ich starke regionale Unterschiede. In Salzburg trägt man auch unter dem Jahr ganz selbstverständlich Tracht. In Wien hingegen ist das Dirndl eine reine Anlassbekleidung. Immerhin haben die Wiener Wiesn, die Brunner Wiesn oder der Neustifter Kirtag der Tracht zu einem guten Standardlevel verholfen. Nach der Saison ist trotzdem ein ordentlicher Absatzeinbruch zu beobachten. Insbesondere der November ist für den Handel eine schwierige Zeit. Schade finde ich auch, dass die Tracht in der Gastronomie immer seltener zu sehen ist.

Aussterbende Kniebundhose

In der Corona-Zeit haben viele Feste nicht stattgefunden, seit vergangenem Sommer scheinen die Leute das alles nachholen zu wollen. Wir spüren das auch. Es wird gut eingekauft. Modisch ist Samt plötzlich ein großes Thema, aber auch das Oktoberfest-Dirndl mit Spitzenschürze sowie das klassische Dirndl, dessen Länge jetzt bis zum Knie hinaufrutscht. Statt der Blusen mit Puffärmel sind nun hoch geschlossene Spitzenblusen mit enganliegendem Ärmel angesagt. Das ist auch ein Grund, warum weniger Schmuck verkauft wird. Bei den Männern zieht die Kniebundhose kaum mehr, wir haben momentan in jeder Größe nur zwei Stück auf Lager. Sie wird offenbar nur noch von Männern mit dünnen Wadeln getragen.

Viele Trends haben sich überlebt – wie die Jeans in Lederhosenoptik und die Lederhosen für Damen, die vor etwa acht Jahren populär waren. Was sich sonst noch verändert hat? Jetzt werden kurze Hosen wieder mit Latz verkauft, eine Zeit lang wurden Zipps verarbeitet.

Unser Publikum ist bunt gemischt. Wir verkaufen viele Trachten für Kinder, es kommen Großmütter wie die Jungen zu uns, aber auch Touristen. Deutsche Kunden aus dem hohen Norden kaufen anders ein. Sie wollen etwas, was sie zu Hause auch anziehen können. Ihnen verkaufe ich Blazer, die man zur Jeans anziehen kann. Es braucht ja nicht den Glitzerhirsch am Rücken. Männer können ihr hellblaues Hemd auch zu einer dunkelblauen Trachtenjacke anziehen. Die günstigsten Dirndl fangen bei 100, 150 Euro an, mein teuerstes Exemplar kostet 450 Euro. Ich führe keine echten Hirschlederhosen, die Modelle aus Ziegenvelours kosten 169 bis 249 Euro, dazu kommen dann noch die Schuhe, Stutzen, Hemden.

Dirndl, Wiesn, Tracht
Früh übt sich: Auch Kinder werden bei Gabi Posch ausgestattet.
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Privat besitze ich etwa 30 Dirndln. An mein allererstes, das ich im Alter von zwei Jahren bekommen habe, erinnere ich mich gut: Meine Tante war Schneiderin bei Lanz in Salzburg und hat mir ein rosarotes Kleid genäht. Außerdem erinnere ich mich an ein schwarzes Dirndl mit roter Schürze, in dem mich als Schülerin zu Hause in Salzburg Touristen fotografiert haben.

Wenn ich zurückdenke, hat es in den 1980er-Jahren längst nicht so eine große Auswahl und so viele Anbieter wie heute gegeben. Tracht war etwas Solides. Man besaß zwei oder drei Dirndl. Jetzt sind sie so günstig, dass manche Kundinnen und Kunden sich jährlich ein neues Exemplar kaufen, weil es eh wurscht ist. Der Trachtenmarkt ist dennoch überschaubar und für den internationalen Markt uninteressant: Tracht verkauft sich in erster Linie in Österreich, Süddeutschland, Südtirol, das war's dann aber schon. Es gibt nur wenige Firmen, die in Fernost produzieren.

Das Business war früher nicht besser, aber anders. Die Zeit ist heute schnelllebiger, die Wertigkeit von Bekleidung hat sich verändert. Wenn man bei Primark ein T-Shirt für wenige Euro kaufen kann, überträgt sich dieses Verständnis auch auf die Tracht. Auch im Trachtensegment gibt es Billiganbieter, die Dirndln aus Polyester verkaufen. Das finde ich schade."