Schulklasse, fehlende Lehrperson
Die Regierungsparteien streiten sich derzeit über die Neugestaltung des Studiums.
Fatih Aydogdu

Wegen der Verkürzung wird es nun länger dauern. Dieser paradox anmutende Befund ergibt sich aus den aktuellen Unstimmigkeiten innerhalb der Regierung zur Reform des Lehramtsstudiums. Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) will die Studiendauer bis zum Masterabschluss von sechs auf fünf Jahre reduzieren. Damit stößt er auf Widerspruch des grünen Koalitionspartners. Das Studium an sich sei ohnehin attraktiv, erklärte die grüne Abgeordnete Eva Blimlinger vergangene Woche: Die Probleme, die junge Lehrende oft haben – etwa Überlastung –, lägen im Schulsystem begründet.

Polaschek zeigt sich ob des grünen Gegenwinds empört und ortet darin eine Verzögerung der Studienreform bei der Sekundarstufe – also für mittlere und höhere Schulen. Angesichts der zähen Verhandlungen sei ein Start des neuen Modells wohl erst 2026 realistisch, lässt er durchklingen. Einig sind sich ÖVP und Grüne allerdings – sowie übrigens auch Hochschulrektoren, die ÖH und Expertinnen –, dass die Studiendauern nur einer von vielen Ansatzpunkten ist. Die Herausforderungen auf dem Weg der angehenden Lehrkräfte bis ins Klassenzimmer sind vielfältig. Sie reichen von der Uni-Aufnahmeprüfung bis zur finanziellen Anerkennung verschiedener Karrieremodelle an der Schule. Ein Überblick über die fünf wichtigen Hebel, die nun zur Diskussion stehen.

1. Aufnahmeprüfung

Seit der Ausbildungsreform im Studienjahr 2015/16 gibt es im Lehramtsstudium Zugangsbeschränkungen. Daher kann nicht mehr jeder Studierende ohne weiteres seine bevorzugten Unterrichtsfächer inskribieren. Wer sich für ein Bachelorstudium entscheidet, muss seitdem ein mehrstufiges Aufnahmeverfahren durchlaufen. Ein Online-Self-Assessment bewertet die persönliche Eignung zum Beruf, ein schriftlicher Test fragt nach Textverständnis. Zudem muss man Logikaufgaben lösen und Zahlenfolgen vervollständigen. Auf den Fachteil, der 50 Prozent des Prüfungsergebnisses ausmacht, kann man sich mit Testliteratur vorbereiten.

Bildungsexperte Michael Doblmair vom Zentrum für Lehrerinnenbildung kritisiert diese Hürde zum Lehrberuf: "Ein Buch auswendig lernen und ein Kreuzerl an der richtigen Stelle machen sagt nichts aus." Vielmehr würde man damit Bildungsaufsteigern den Sprung an die Universität erschweren. Zwar verliere die Lehrerausbildung durch Zugangsbeschränkungen ihren Status als Ausweichoption. Aber es würden dadurch mitunter auch die Falschen ausgesiebt, sagt Doblmair.

Allzu schwer dürfte die Prüfung selbst nicht sein. Im heurigen Studienjahr wurden von 1503 Interessenten an der Universität Wien nur 26 Personen nicht aufgenommen – mehr als 98 Prozent haben die Prüfung bestanden.

2. Bezug zur Praxis

Für Junglehrerinnen und Junglehrer ist der Übergang von der Universität zur Schule ein Sprung ins kalte Wasser. Viele kritisieren, dass sie zu wenig auf den Schulalltag vorbereitet wurden. Es falle schwer, das Wissen anzuwenden, das man an der Hochschule gelernt habe. Auch nach mehreren Ausbildungsreformen bleibt daher der Ruf nach einem praxisnahen Studium laut. Drei Unterrichtsseminare mit vergleichsweise wenigen Stunden sieht der vierjährige Bachelor vor. Im zweijährigen Master müssen in jedem Fach mindestens 90 Stunden in einem Zeitraum von zehn Wochen an einer Schule verbracht werden.

"Erst beim ersten größeren Praktikum kurz vor dem Bachelor merken viele Studierende, dass der Lehrberuf doch nichts für sie ist", sagt eine Studentin, die nicht mit Namen genannt werden will. Sie würde sich nicht erst im Masterstudium, sondern bereits während des Bachelorstudiums mehr Praxis wünschen. Derzeit fehle es an administrativen Inhalten, etwa wie man ein Klassenbuch führe. Aber auch praktische Seminare, beispielsweise zu Beratungsgesprächen, kämen zu kurz.

Eine bessere Verschränkung zwischen Universität und Schule würde sich auch der Pädagoge Michael Doblmair wünschen. Dafür müsste aber nicht nur das Lehramtsstudium, sondern auch das Schulsystem reformiert werden, indem mehr auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler eingegangen wird.

3. Studiendauer

Entsponnen hat sich der türkis-grüne Zwist an der Frage, ob die zwölf Semester bis zum Masterabschluss zu viel sind. Dabei müsste das Studium selbst nach aktuell geltender Rechtslage gar nicht so lange dauern, wie Andreas Schnider erläutert. Der Leiter des Qualitätssicherungsrats für PädagogInnenbildung (QSR) bezieht sich auf einen Passus im Uni-Gesetz, dem zufolge eigentlich nur elf Semester – acht im Bachelor und drei im Master – vorgeschrieben sind. Das vierte Mastersemester würde von den Unis auf eigene Faust zu den Curricula hinzugefügt, sagt Schnider und macht damit auf Spielraum innerhalb des jetzigen Systems aufmerksam.

Die Universitätenkonferenz (Uniko) zeigt sich für eine gesetzliche Verkürzung auf Minister Polascheks zehnsemestriges Studium (sechs plus vier) offen, stellt jedoch Bedingungen: Eine davon lautet, dass die Berufsbefähigung erst nach absolviertem Master erfolgen dürfe – das Studium müsse dann in seiner Gesamtheit entsprechend umgestaltet werden. Allerdings sei man seit Frühjahr nicht vom Ministerium eingebunden worden, heißt es von der Uniko zum STANDARD.

Die grüne Studierendenvertreterin Sarah Rossmann vom ÖH-Vorsitzteam fände eine Verkürzung "nicht schlecht". Man müsse aber aufpassen, dass dann nicht derselbe Stoff in die kürzere Zeit hineingepackt werde, indem bloß die ECTS-Punkte pro Kurs reduziert werden. Am liebsten wäre Rossmann eine Wahlmöglichkeit zwischen achtsemestrigem Bachelor mit zwei Fächern und einem sechssemestrigen Bachelor mit einem Fach. Dafür müsste die Kombinationspflicht abgeschafft werden.

3. Doppelte Belastung

Da die Schulen händeringend nach Personal suchen, lotsen sie Studierende gerne schon während ihres Masterstudiums an die Schulen – manche sogar schon im Bachelorstudium. Doch wer eine volle Unterrichtsverpflichtung erfüllen muss und zusätzlich etwa auch noch als Klassenvorstand eingespannt wird, findet daneben kaum mehr Zeit für den Abschluss des Studiums. Da fehle es mitunter an der Abstimmung zwischen den Bildungsdirektionen als Arbeitgebern, den Schulleitungen vor Ort und den Hochschulen, sagt Andreas Schnider vom Qualitätssicherungsrat.

Er plädiert dafür, das Masterstudium von vornherein berufsbegleitend zu gestalten, und sieht die Unis in der Pflicht, ihre Studienprogramme mit einer Berufstätigkeit vereinbar zu machen. Zugleich – und das sagen sowohl Minister Martin Polaschek als auch die Grünen – müssten die Arbeitgeber dazu angehalten werden, die jungen Lehrer nicht mit Arbeit zu überlasten. Das könnte etwa so aussehen, dass sie bis zum Abschluss ihres Masters nur eine halbe Lehrverpflichtung bekommen, sodass sie in der anderen Hälfte der Zeit das Studium sinnvoll betreiben und rasch absolvieren können.

Die herrschende Situation, die den Studienabschluss erschwert, produziert auch permanente Unsicherheit. Denn wer den Mastertitel nicht binnen acht Jahren nachholt, dem droht – zumindest theoretisch – die Kündigung.

5. Gerade oder quer

Die Zahl der Quereinsteiger hat im vergangenen Jahr stark zugenommen. Die Regierung feiert das als Erfolg ihres neuen Modells und sieht darin ein wirkungsvolles Instrument, um den akuten Lehrkräftemangel zu bekämpfen. Die nötigen Qualifikationen für den Quereinstieg sind ein fachlich passendes Studium auf mindestens Bachelorniveau, zudem drei Jahre Berufserfahrung und ein Zertifizierungsverfahren.

Doch auch wenn das Ministerium betont, dass rund ein Drittel der Kandidaten die Zertifizierung nicht besteht, macht sich in manchen Lehrerzimmern doch ein gewisses Unbehagen unter jenen breit, die den Weg über das Lehramtsstudium genommen haben: Wird ihre aufwendige pädagogische und didaktische Ausbildung entwertet, wenn es nun offenbar auch ohne geht? Bildungswissenschafter Karl Heinz Gruber fürchtet ein Erodieren der Qualitätsstandards für den Lehrerberuf. Minister Martin Polaschek sieht hingegen Chancen durch die neuen Perspektiven und Erfahrungsschätze von Quereinsteigern.

Unabhängig davon müssen sich die politisch Verantwortlichen überlegen, wie sich Verstimmungen zwischen den klassisch ausgebildeten Lehrern und der wachsenden Gruppe der Quereinsteiger vermeiden lassen. Knifflig ist auch die Frage, wie Unterschiede der Karrieremodelle finanziell und im Dienstrecht berücksichtigt werden sollen. (Theo Anders, Anna Wiesinger, 6.10.2023)