Der Vorsitzende der Produktionsgewerkschaft Proge, Reinhold Binder streckt die Hand aus in Richtung des Obmanns der Metalltechnischen Industrie, Christian Knill. 
Am Ende der zweiten Metallerrunde war die Stimmung abgekühlt. Metallergewerkschaftschef Reinhold Binder (links) will und muss in Verhandlungen mit Arbeitgebervertreter Christian Knill herausholen, was geht.
APA / Robert Jäger

Wenn es als Provokation gedacht war: Diese ist den Arbeitgebern der Metallverarbeitungsindustrie mit ihrem Angebot gelungen. Unter dem Titel "Arbeit – Sicherheit – Wohlstand" bietet die Metalltechnische Industrie ein Plus von 2,5 Prozent plus 1.050 Euro als Einmalzahlung. Daraus errechneten die Arbeitgeber dank Abschaffung der kalten Progression und Antiteuerungshilfen einen Netto-Kaufkraftzuwachs von durchschnittlich sieben Prozent für die knapp 140.000 Beschäftigten im Sektor Maschinen- und Metallwaren. Untere Beschäftigungsgruppen würden sogar ein Lohnplus von neun Prozent (netto) erhalten.

Die Empörung der Gewerkschaft über dieses als kaufkraftstärkend bezeichnete Angebot folgte prompt. Bei den für 12. bis 16. Oktober angekündigten Betriebsrätekonferenzen dürfte es wohl nicht bleiben. Zu groß ist der Abstand zu den 11,6 Prozent, die von den Gewerkschaften Pro-Ge und GPA an Lohn- und Gehaltserhöhungen gefordert werden. Beobachter erwarten erste Betriebsversammlungen noch vor der Verhandlungsrunde am 20. Oktober.

Harte Hunde?

Wirtschaftsforscher sehen das Gegenangebot der Industrie durchaus kritisch. "Offensichtlich will die Industrie den harten Hund markieren bei ihren Mitgliedsbetrieben", sagt ein Ökonom, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Ein anderer verweist allerdings auf die schlechte Auftragslage. Ja, viele Industriebetriebe hätten sehr gut verdient in den vergangenen zwei Jahren, aber ein Teil des Geldes sei mit den hohen Energiekosten längst ins Ausland abgeflossen. Jetzt sei die Industrie in der Rezession, die Produktivität "unterirdisch". Dieses Verhältnis von Lohn und Produktivität sei aber entscheidend. "Verteilen kann man nur, was da ist."

"Es ist verständlich, dass die Industrie ihre Margen erhalten will und die Arbeitnehmerseite Reallohnverluste vermeiden oder gering halten will", beschreibt der Einkommensexperte des Wifo, Benjamin Bittschi, das Dilemma. Allerdings seien die Arbeitnehmer bereits in Vorleistung gegangen, sie haben durch die stark steigende Inflation seit dem Jahr 2020 einen kumulierten Reallohnverlust von 7,3 Prozent verzeichnet. Vor diesem Hintergrund werde das Angebot der Industrie wohl nicht reichen. Andererseits würde die geforderte Möglichkeit, einen Teil des Lohnes in Freizeit zu konsumieren, auf der Inflationsseite Druck herausnehmen. Einen ähnlichen Effekt hätten auch Einmalzahlungen, etwa bei den Angestellten mit Gehältern jenseits der Sozialversicherungshöchstbeitragsgrundlage. Ihre Verluste bei den Pensionsbeiträgen hielten sich in Grenzen, wenn nur ein Teil der Erhöhung in Prozenten erfolgte.

Löhne als Inflationstreiber

Grundsätzlich steigt die Inflation infolge hoher Lohnabschlüsse und Kaufkraftzuwachs, die ihrerseits auf hohe Preissteigerungen folgen. Das nennt man Zweitrundeneffekte, die das Sinken der Teuerung bremsen.

Fakt ist: Im Vergleich zu den bereits fixierten Abschlüssen von Fleischergewerbe (9,9 Prozent) und Futter-, Mühlen- und Glasindustrie (10,1 Prozent) ist das Angebot der Metallindustrie überschaubar und für die Gewerkschaft nicht akzeptabel.

Auch der von der Industrie ins Treffen geführte Anstieg der Lohnstückkosten zeigt das Dilemma: Bis 2022 waren die Lohnstückkostengewinne enorm, aber das dreht sich heuer. Einen Anstieg um 9,4 Prozent prognostiziert das Institut für Höhere Studien für heuer. 2024 dürften sie um weitere 6,3 Prozent steigen. Die Lohnstückkosten sind ein Maßstab für die Wettbewerbsfähigkeit, sie bezeichnen den Anteil der Arbeitskosten pro Produkteinheit.

Gemeinsam gegen Preisauftrieb

Ökonom Ulrich Schuh von WPZ Research des Wirtschaftspolitischen Zentrums bezeichnet den Vorschlag der Arbeitgeber als "mutig". Allerdings kämen die Arbeitgeber damit ihrer Aufgabe und Rolle als Sozialpartner nicht nach. Denn die Beschäftigten hätten die Folgen der hohen Preissteigerungen und der Inflation in den Monaten seit dem vorjährigen Lohnabschluss bereits getragen, nun brauche es deren Abgeltung in Form höherer Löhne und Gehälter.

Die Bekämpfung der Inflation, appelliert Schuh, könne nur im Zusammenspiel aller Akteure gelingen, sonst verfestige sich die Teuerung - zum Schaden der gesamten Volkswirtschaft und des Wirtschaftsstandorts. Der Beitrag der Industrie und der Arbeitgeber müsste es dabei sein, die (Erzeuger-)Preise nicht in vollem Umfang weiterzugeben. Das schmälere zwar kurzfristig die Gewinne, gesamtwirtschaftlich würde dies aber den Preisauftrieb dämpfen und damit die den Lohnverhandlungen zugrunde liegende Inflationsrate. (Luise Ungerboeck, 11.10.2023)