Sebastian Kurz hat sich aus der Politik zurückgezogen, ist in der Öffentlichkeit aber noch sehr präsent. Aktuell gibt es Gerüchte über ein Antreten der Liste Kurz.
Heribert Corn

Die List ist aufgegangen. Wild waren die Spekulationen, als vergangene Woche auffiel, dass sich jemand Domains wie teamkurz24.at und listekurz24.at gesichert hat. Sind das etwa Vorbereitungen und Belege dafür, dass Sebastian Kurz doch vorhat, mit einer eigenen Liste bei der Nationalratswahl 2024 anzutreten?

Nein, ist seit dem Wochenende klar. Es ist eine Aktion von ORF-Satiriker Peter Klien. Dessen Show Gute Nacht Österreich hat sich die Domains gekrallt. Auf den acht vermeintlichen Wahlkampfseiten von Kurz läuft nun Kliens Dossier über die Geschäftspartner und Connections des Ex-Kanzlers aus der aktuellen Show. Alle Aufregung also umsonst?

Kurz selbst hält laut seinem Umfeld nach wie vor die Rechte an sebastian-kurz.at. Das ist seine alte, persönliche Homepage als Politiker. "Österreich ist das schönste Land der Welt", heißt es dort immer noch. Auf dieser Website gibt es seine Reden, eine Chronologie seines politischen Werdegangs und das Goodbye, mit dem er sich 2021 aus der Politik verabschiedet hat.

Die neue Homepage von Kurz läuft unter skmanagement.eu und ist ausschließlich seinen aktuellen beruflichen Tätigkeitsfeldern von Investments bis zu Dream Security gewidmet. Abgesehen davon ist Kurz auch auf Facebook, X, Instagram und Linkedin vertreten, online also durchaus aktiv.

Kontakt mit Ministerkandidaten

Dass Kurz nach wie vor medial stark präsent ist, verleitet zur Vermutung, er halte sich die Rückkehr in die Politik offen. Und es gibt auch andere Anzeichen und Gerüchte, dass im Hintergrund Vorarbeiten für eine Kandidatur von Kurz laufen. So soll Gabi Spiegelfeld, eine enge Vertraute von Kurz und im türkisen Umfeld bestens vernetzt, mit potenziellen Spendern und Ministerkandidaten in Kontakt getreten sein, um sie für die Liste Kurz zu mobilisieren.

Spiegelfeld ist PR-Beraterin, sie hat für Kurz und seine Liste bereits früher Treffen mit Spendern organisiert. Vom STANDARD mit den Gerüchten konfrontiert, reagiert Spiegelfeld spontan: "Nie im Leben!" Im Moment habe sie gar keinen Kontakt zu Kurz, sie selbst wolle sich in Zukunft strikt aus der Politik raushalten. Die Vorladung vor den parlamentarischen Untersuchungsausschuss sitzt ihr noch tief in den Knochen.

Dass Kurz mit einer eigenen Liste antreten könnte, habe sie als Gerücht aber auch schon gehört, erzählt Spiegelfeld. Und sie halte das grundsätzlich auch für möglich. Nur nicht zum jetzigen Zeitpunkt.

Kurz selbst hält sich zu den Gerüchten um eine mögliche Kandidatur bedeckt – oder dementiert sein Interesse an einer absehbaren Rückkehr in die Politik. Dem will aber niemand so recht glauben. Auch in der ÖVP ist Kurz Dauerthema, dort ist er immer noch bestens vernetzt und hat seine Vertrauensleute an strategisch wichtigen Positionen sitzen. Eine Rückkehr in die Politik sollte also leicht zu bewerkstelligen sein.

Kein Blumentopf mit Nehammer

Abgesehen vom am Mittwoch startenden Prozess wegen des Vorwurfs der Falschaussage steht dem aber einiges im Wege: Kurz ist in der Volkspartei längst nicht mehr so gut angeschrieben. Auch wenn den einflussreichen Funktionären dort bewusst ist, dass sie mit Karl Nehammer höchstwahrscheinlich nicht den ersten Platz bei der Nationalratswahl einfahren und auch sonst keinen Blumentopf gewinnen werden, schrecken die meisten davor zurück, Kurz wieder die Tore zu öffnen.

Mit Kurz war die ÖVP zwar höchst erfolgreich, immerhin gelang es ihm mit seinem Team, bei der Nationalratswahl 2019 mit einem sensationellen Ergebnis von knapp 38 Prozent den ersten Platz zu erringen, aber die türkisen Hochzeiten seien vorbei, mit und ohne Kurz. Der habe zu viele Menschen enttäuscht, in und außerhalb der Partei. Das bevorstehende Gerichtsverfahren, wie immer es ausgehen mag, sei zudem eine schwere Last – für Kurz selbst, aber auch für die Volkspartei. Die liegt unter Nehammer derzeit übrigens aktuell zwischen 19 und 23 Prozent, je nach Umfrageinstitut.

Also bliebe Kurz nur das Antreten mit einer eigenen Liste. Aus jetziger Sicht ist es kaum vorstellbar, dass Kurz aus dem Stand wieder Kanzler werden könnte. Wahrscheinlich könnte eine Liste Kurz den Sprung in den Nationalrat schaffen, aber eher als Kleinpartei. Belastbare Umfragen, die eine Liste Kurz abgetestet haben, gibt es keine, zumindest ist kein Ergebnis in der Öffentlichkeit bekannt. Kurz könnte also Abgeordneter werden, und daran hat er definitiv kein Interesse.

Er spielt auf Zeit. Und die hat er. Kurz ist 37 Jahre alt. Es ist denkbar, dass er die Nationalratswahlen im kommenden Jahr abwartet, sich den Übergangskanzler, der sich daraus ergeben könnte, anschaut – und dann eine Entscheidung über ein Comeback in der Politik trifft. Möglicherweise mit mehr Nachfrage, als sie jetzt besteht. (Michael Völker, 16.10.2023)