ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker denkt über eine "Gesamtänderung des ORF-Gesetzes" nach, auf Fragen nach Änderungen beim ORF-Beitrag geht er aber nicht näher ein. Bei "einer Gesamtdiskussion ist auch die Frage zu stellen, ob es eine neue Definition des öffentlichen Auftrages braucht", sagt Stocker. Zum Anlass nimmt er im Interview mit den "Vorarlberger Nachrichten" die jüngste Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zu den ORF-Gremien.

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker.
Denkt laut über eine "Gesamtänderung" des ORF nach: ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker.
APA Roland Schlager

Höchstrichter rütteln an ÖVP-Mehrheit

Stocker ist nicht Mediensprecher der ÖVP, sondern Parteimanager. Die ÖVP ist erkennbar unzufrieden mit der kritischen Berichterstattung des ORF – auch unter dem mit ÖVP-Mehrheit 2021 bestellten ORF-Generaldirektor Roland Weißmann (auch Betriebsräte und der Koalitionspartner Grüne stimmten für ihn, entscheidend aber war die Mehrheit der Volkspartei im Stiftungsrat).

Das jüngste Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs auf Prüfantrag des Burgenlands stellt die Besetzung der ORF-Gremien zumindest teilweise infrage – zu groß sei das Übergewicht der Bundesregierung und des Bundeskanzlers dabei. Die ÖVP-nahen Mitglieder haben eine entscheidende Mehrheit in Stiftungsrat und Publikumsrat des ORF. Die ÖVP wollte wegen dieser Mehrheit bei der jüngsten ORF-Novelle nichts an der Besetzung der Gremien ändern, auch wenn etwa der Koalitionspartner Grüne darauf drängte. Nun muss sie auf Geheiß des Höchstgerichts doch an den Gremien schrauben.

Nach ORF-Beitrag mehr als nur Reparatur

Der Verfassungsgerichtshof hat erst 2022 die ORF-Finanzierung über die GIS als verfassungswidrig aufgehoben, weil sie Streamingnutzer von der GIS-Zahlungspflicht ausnimmt. ÖVP und Grüne reparierten das ORF-Gesetz mit dem neuen ORF-Beitrag ab 2024. Der wird – mit sozialen Ausnahmen – für alle Hauptwohnsitze und Firmen bis auf Einpersonenunternehmen fällig.

Auf die Frage der "VN", ob die Haushaltsabgabe mit Stockers Überlegungen für eine "Gesamtänderung" nun wieder wackelt, erklärt der Parteimanager: "Wir haben eine Lösung innerhalb der Reparaturfrist gefunden" – für die ORF-Finanzierung. "Und jetzt müssen wir wieder etwas reparieren. Zweimal etwas reparieren ist keine große Lösung. Eine große Lösung wäre es, darüber nachzudenken, ob es eine Gesamtänderung des ORF-Gesetzes braucht. Das Gesetz ist in die Jahre gekommen. Aber diese Frage kann man nicht überstürzt beantworten."

Der Verfassungsgerichtshof hat für die Reparatur der Gremienregeln eine Frist bis 31. März 2025 gesetzt. Die grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger drängt auf eine Änderung der Bestimmungen für die Gremien noch in dieser Koalition, vor der Nationalratswahl 2024.

"Neue Definition des Auftrags"

Stocker erklärt: "Im Sinne einer Gesamtdiskussion ist auch die Frage zu stellen, ob es eine neue Definition des öffentlichen Auftrages braucht." Der Verband der Privatsender (VÖP) forderte erst am Mittwoch eine grundlegende Neuregelung des ORF und seines öffentlichen Auftrags, Sender wie private Verlagshäuser drängen auf Einschränkungen des breit formulierten Gesetzesauftrags von Bildung bis Unterhaltung.

Der ORF darf laut EU-Wettbewerbsrecht und Vorgaben aus einem Verfahren gegen Österreich aus dem Jahr 2010 nur so viel Geld aus öffentlichen Beihilfen – GIS oder künftig ORF-Beitrag und Direktsubventionen der Republik – bekommen, wie er braucht, um den gesetzlich definierten öffentlichen Auftrag zu erfüllen. Die Berechnung übernimmt der ORF, die Medienbehörde KommAustria und ihre Wirtschaftsprüfer müssen sie kontrollieren.

Private Medienunternehmen und ihre Verbände haben Beschwerden bei der EU-Kommission gegen das 2024 in Kraft tretende ORF-Gesetz mit ORF-Beitrag und mehr Möglichkeiten im Streaming und auf Social Media für den ORF angekündigt und teilweise schon eingebracht.

Stocker versichert im "VN"-Interview: "Natürlich gibt es ein Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Auftrag. Wie immer der dann aussieht."

Kritik an Gewalt gegen ORF-Satiriker Klien

Stocker äußert im Interview auch Kritik am Gewalteinsatz eines Security-Mannes bei einer FPÖ-Veranstaltung gegen ORF-Satiriker Peter Klien: "Die FPÖ ist zur Zornsammelstelle geworden. Das System Kickl zeigte, dass es versucht, Probleme mit Gewalt zu lösen. Diese Botschaft nehme ich mit, dass man als selbsternannter Volkskanzler nicht mit kritischen Fragen umgehen kann, sondern ORF-Satiriker Peter Klien im Schwitzkasten aus einem Waggon zerren lässt." Er ergreife nicht für Klien Partei, sondern dafür, Konflikte nicht gewaltsam zu lösen, sagt Stocker in den "Vorarlberger Nachrichten". (Harald Fidler, 12.10.2023)