Bundeshaltestelle am Land. 
Fehlende öffentliche Verkehrsmittel verhindern auch mehr Lohnarbeitsstunden.
IMAGO/penofoto

Für Lohnarbeit Zeit haben oder mehr Stunden arbeiten: Das haben bzw. können Menschen nicht, die für den österreichischen Arbeitsmarkt die sogenannte stille Reserve sind. Dazu zählen Menschen, die nicht arbeiten, aktuell auch nicht auf Jobsuche sind, aber einen Arbeitswunsch haben. Das sind in Österreich 312.000 Menschen, vor allem Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, Jugendliche und Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Das Wifo hat nun mit Daten aus der Arbeitskräfteerhebung der Statistik Austria erhoben, was diese Menschen daran hindert, einer Lohnarbeit nachzugehen.

Ein Viertel der Frauen gibt an, wegen Betreuungspflichten nicht zu arbeiten, ein Faktor, der bei Männern keine Rolle spielt. Hinzu kommen Menschen, die mehr Stunden arbeiten wollen, das sind in Österreich 139.000. Sie sind unfreiwillig in Teilzeit. In einer Zeit, in der Betriebe einen Fachkräftemangel beklagen, klingt es absurd: Fast eine halbe Million Menschen will in die Erwerbsarbeit oder mehr davon leisten – kann aber nicht.

Es dauert noch

Woran das liegt, wissen wir längst. Zumindest bei Frauen. Der zentrale Hebel für eine Integration in den Arbeitsmarkt heißt flächendeckende Kinderbetreuung. Das mag bei vielen schon Gähnen hervorrufen, aber es nützt nichts: Diese ist in Österreich noch immer ein Problem. Ein Viertel der Frauen der stillen Reserve geben an, dass sie wegen Betreuungspflichten nicht arbeiten können. Das zeigt, wie nachrangig der Ausbau von Kinderbetreuung in den letzten Jahrzehnten war. Nun wurden 4,5 Milliarden für den Ausbau angekündigt – bis 2030, es dauert also alles wieder mal recht lang.

Trotz Wiederholung der Wiederholung muss das fehlende Angebot von Kinderbetreuung als Grund für weniger Lohnarbeit von Frauen immer und immer wieder genannt werden. Denn das setzt der durchaus weitverbreiteten Meinung, Frauen würden es sich in ihrer Teilzeit halt gemütlich machen, etwas entgegen. Der Annahme, dass sie eh gar nicht mehr arbeiten wollten. Das vermittelte auch Karl Nehammer (ÖVP) in seiner vieldiskutieren Rede vor ÖVP-Funktionären, von der Ausschnitte viral gingen. Viele haben diese Art, wie über Frauen in Teilzeit gesprochen wird, wohl nicht zum ersten Mal gehört.

Für Männer passend

Bei Menschen mit Migrationshintergrund sind fehlende Deutschkenntnisse ein wesentlicher Hinderungsgrund für die Teilnahme am Erwerbsleben. Für Frauen mit Migrationshintergrund vervielfachen sich also die Schwierigkeiten. Eine Studie der AK Niederösterreich zeigte genau das und sah auch beim Zusammenspiel von Kinderbetreuungseinrichtungen und Mobilität noch viel Handlungsspielraum: Ein Kinderbetreuungsplatz, der um 14 Uhr schließt, wird auch dann zum Problem, wenn man mit den vorhandenen öffentlichen Verkehrsmitteln nicht einmal bis 13 Uhr arbeiten kann, weil man es sonst nicht verlässlich vor die Schule oder den Kindergarten schafft.

Doch Versäumnisse liegen nicht nur in der Vergangenheit: Seit dem Sommer müssen Frauen- und Mädchenberatungsstellen ausgerechnet um ihre arbeitsmarktpolitischen Programme fürchten. Einige Einrichtungen wissen schon, dass es bei vielen Kursen Kürzungen geben wird. Dabei zeigt gerade die Zusammensetzung der "stillen Reserve", dass Lohnarbeit und die Strukturen drumherum noch immer vor allem für die Lebensrealität von Männern gemacht sind. Sicher können Männer und Frauen selbst viel tun, um diese großen Unterschiede in ihren Leben zu verringern. Aber das Drumherum muss auch passen – und da gibt es noch massig Luft nach oben. (Beate Hausbichler, 15.10.2023)