Als ich das erste und letzte Mal sagte, dass ich aus Österreich komme, war ich Mitte zwanzig und hielt mich zum ersten Mal außerhalb Europas auf. Wir saßen vor einem Thai-Box-Stadion in einer Kleinstadt im Norden Thailands. Eine Gruppe von Teenagern betrachtete uns neugierig, und der lauteste unter ihnen wollte prompt wissen, wo wir herkommen.

Krieg und Gastarbeit

Bis dahin war es für mich, seit 1992 in Österreich lebend, absolut klar, was ich darauf zu antworten hatte: "Jugoslawien, aber jetzt ist es Bosnien". Und ich wusste auch, dass darauf oft Gespräche über den Krieg geführt werden mussten und dass ich auch gezwungen war, meine halbe Familiengeschichte aufzuschlüsseln. Aber dieser elendige Krieg, der mich heimatlos gemacht hatte, und das Phänomen der Gastarbeiter gehörten eben dazu, hatten mich und meine Familie nach Wien geführt, ich hatte nie ein Problem, darüber zu reden.

Im thailändischen Nirgendwo kam mir diese bisher automatisierte Antwort plötzlich unpassend und zu kompliziert vor. Außerdem kannten diese Kinder bestimmt weder Jugoslawien noch Bosnien, wieso sollten sie auch. Auf mein "Austria!" erntete ich fragende Gesichter und Schulterzucken. Na gut. Auf das darauf folgende zaghafte "Bosnia …?" kam es wie aus der Pistole geschossen: "Zlatan Ibrahimović!" Über den Schweden mit bosnischen Wurzeln wusste ich nicht viel mehr, als dass er wohl ziemlich gut Fußball spielte. Über Fußball wusste ich rein gar nichts, das Gespräch war also schnell beendet.

Frage der Identität

"Ich lebe in Österreich, bin aber in Bosnien aufgewachsen", ist seit damals meine Antwort, immer und überall. Ich verstehe die Migranten und Migrantinnen der ersten, zweiten oder dritten Generation, vor allem die sichtbaren unter ihnen, die sich von der Fragen "Woher kommst du?" unangenehm berührt fühlen. Diese Frage signalisiert in bestimmten Situationen "Ausschluss" und unterstellt "Andersartigkeit", die der oder die Gefragte vielleicht gar nicht empfindet. Für mich trifft das nicht zu, ich beantworte diese Frage emotionslos und immer gleich. Ich finde und fand Fragen nach Identität nämlich immer spannend, weil ihre Beantwortung viel komplizierter ist, als uns Populisten und Nationalisten weismachen wollen.

Dass ich Österreicherin bin, werde ich wohl nicht so bald sagen. Ich bin aber stolze Wienerin, und Heimat ist ganz einfach dort, wo meine Kinder sind. Für sie wünsche ich mir eine Zukunft, in der nationale und ethnische Labels keinen Einfluss auf ihr Leben haben. Das ist vermutlich zu optimistisch angesichts der Weltlage. (Olivera Stajić, 26.10.2023)